ABRISS DER GESCHICHTE DES PEGNESISCHEN BLUMENORDENS ANHAND SEINER SATZUNGEN ©Werner Kügel


Berichtigungen und Ergänzungen


Als im Jahr 2008 das zweite Buch aus dieser Folge erschien, die, auf fünf Bücher geplant, einer breiteren Öffentlichkeit den Pegnesischen Blumenorden wieder bekannter und verständlicher machen soll, da waren dem Verfasser einige Aktenstücke noch nicht im Archiv des Ordens in die Hände gekommen bzw. von anderer Seite bekannt gemacht worden, die er hätte kennen sollen, um seiner selbstgestellten Aufgabe gerecht zu werden. Betroffen von solchen Auslassungen und daraus herrührenden Fehleinschätzungen sind im ersten Buch eine Aussage über die Denkmäler im Irrhain auf S. 188, sowie im zweiten Buch gerade das Ergänzungskapitel am Anfang und unvollständige Darstellungen der Arbeit am Irrhain im Teil IV, S. 77 ff. und S. 107 ff. sowie im Teil V, S. 210 und folgende.

Anlaß für eine Berichtigung bzw. Ergänzung gab zunächst die Anfrage einer Wissenschaftlerin, die eine Arbeit über den Architekten Carl Alexander Heideloff anfertigte, später das vom Landschaftsarchitekten Helmut Wiegel erstellte Parkpflegewerk, zu dessen einleitendem historischen Teil er alle aus dem Archiv ersichtlichen Informationen über den Irrhain erbat. Weitere Aufschlüsse gab das Buch über Nürnberger Henker und ihre Opfer, das an entsprechender Stelle zitiert werden wird. Zunächst zum ersten dieser Anlässe.



Welcher Denkmalstein im Irrhain ist der früheste?



Am 7. März 2005 erreichte den Präses die Anfrage von Frau Andrea Meier: „Durch meine Archivrecherche stieß ich auf eine bisher unbeachtete Kleinarchitektur, die Heideloff für den Irrhain von Kraftshof anfertigte:


Im Jahr 1821 ist durch den Unterzeichneten [Heideloff] die Ausführung (aus Stein) jenes Monuments besorgt worden, welches Herr Cramer seinem verstorbenen Vater im Irrgarten bey Kraftshof setzen ließ.


Angesichts der von Ihnen im Internet ersichtlichen Mitgliederliste bin ich nun jedoch etwas irritiert. Denn wenn es sich bei dem verstorbenen Mitglied um Johann Friedrich Cramer († 1778) handelt, so wurde sein Gedenkstein erst über 40 Jahre später aufgestellt. Darüber hinaus erscheint sein ‚Sohn’ nicht als Mitglied.“


Als zunächst unauflösliches Rätsel blieb dieser Hinweis bis zur Drucklegung des zweiten Buches unverwertet, doch die Auffindung folgender Sätze aus einem Sitzungsprotokoll gibt endlich die Möglichkeit, die Frage zu klären, welcher der Denkmalsteine im Irrhain tatsächlich der erste ist:


„Geschehen Nürnberg den 7. Juli 1817“

Unter 1 bespricht sich der Präses über den „unangenehmen Vorgang mit Wegnehmung zweyer Monumente aus dem Irrhain und versichert zugleich, daß, statt des Cramerischen Denkmals, von den Hinterlassenen ein anderes, schöneres, und zwar, nach vorhergehender Rücksprache und Genehmigung seiner, des Herrn Präses, errichtet werden würde.“


1778 war Cramer wegen seiner großzügigen Bezahlung einer Restauration des Irrhains geehrt worden. Als er wenige Monate danach im November 1778 starb, wurde ihm nach altem Brauch eine hölzerne Tafel aufgehängt. Das erwähnte Sitzungsprotokoll spricht also von einem Ersatz für die Tafel, die von seinen Angehörigen eigenmächtig abgenommen worden war, in der Absicht, dem längst Verstorbenen ein würdigeres Denkmal nach Art der seither aufgekommenen Steinmäler errichten zu lassen. 


Dazu führt der Irrhainpfleger, Helge Weingärtner M.A., in einem Memorandum vom 15. Juni 2008 folgendes aus:

„Es handelt sich einmal beim Irrhain um den einzigen Gesellschaftsgarten einer Sprachgesellschaft – meines Wissens weltweit […]. Zum anderen aber stammen die ältesten Gedächtnismale des Irrhains aus der Zeit des Alten Reiches, mithin aus einer Epoche, in welcher außer dem regierenden Fürsten niemand ein Denkmal erhalten konnte. Selbst das reichsstädtische Patriziat war durch das oligarchische Prinzip auf die jeweiligen Familiengrablegen angewiesen, wollte es personenbezogene Denkmäler errichten. Der Blumenorden hat also durch Errichtung von Schein-Grabmälern eine einzigartige Vorreiterrolle übernommen, was die Geschichte des bürgerlichen Personendenkmals anbelangt. Auch dies ist, so weit man sehen und wissen kann, allein schon in der europäischen Gesellschafts- und Kunstgeschichte singulär.“


Der erste Stein im Irrhain war dem Garnisonsarzt Leinker gewidmet! Er ist unter den frühesten Denkmälern dieser Art auch dasjenige, das mit Grabsteinen der betreffenden Epoche die meiste Ähnlichkeit aufweist. Die Marmorplatte, welche Leinkers Frau ursprünglich anfertigen hatte lassen, paßte angeblich nicht gut an einen Baum, also wurde Colmar gebeten, dafür einen Stein im ‚Kirchhof’ setzen zu lassen.  Das war 1789! Die Erlaubnis wurde erteilt, wohl deswegen, weil man es in den Zeiten bürgerlichen Aufbegehrens mit der Beschränkung, einem Bürger dürfe kein Monument errichtet werden, sondern höchstens eine Büste, nicht mehr so genau nehmen wollte. Es wäre dadurch sozusagen das Eis gebrochen worden für die Errichtung weiterer Denkmäler dieser Art, von denen dasjenige Hässleins das nächste war, dann dasjenige Zahns. Zahns Denkmal wurde 1894 von seinen Nachkommen durch ein gleich aussehendes ersetzt, aber man sieht schon, daß es, ursprünglich 1820 errichtet, relativ einfache Formen aufweist. Dasjenige Hässleins von 1796 ist noch stärker ornamentiert. Demgegenüber würde zu einer Errichtungszeit des Cramer-Denkmals von 1821 die schlichtere, biedermeierlich-nachklassizistische Gestaltung gut passen.


Wer auf die Oberseite des Leinker-Steins blickt, kann heute noch die Vertiefung zur Aufnahme eines Befestigungsstiftes erkennen. Dieser Stein trug ursprünglich eine hölzerne Urne als Aufsatz. Das im Anschluß abgedruckte Aquarell des ‘Kirchhofs’ aus der Zeit um 1800 (im Pegnesenarchiv zu finden in Schachtel 104, Umschlag d) zeigt ganz rechts eine vereinfachte Darstellung des Hässlein-Denkmals, dahinter links den Leinker-Stein noch mit Urne. Sie ist bei Wilder 1844 nicht mehr zu sehen.

Pläne zu Umgestaltungen des Irrhains bis 1844


Zur Jubelfeier von 1794 war anscheinend geplant, einen Obelisken zum Andenken an die Ordensgründer zu errichten.

Daraus ist aber offensichtlich nichts geworden. Doch hat man das Bildprogramm, von Heideloff erneut entworfen, auf der 1820 errichteten und zunächst unbeschrifteten Stele Cramers realisiert, wenn auch erst 1894.

Als man nach dem Jubiläum von 1844 in einer Sitzung Bilanz zog, wurde im Protokoll auch ausdrücklich als Festgabe vermerkt:

"[...] 8.) Von dem ord. Mitgliede H. Kupferstecher u. Kunstmaler Wilder die von ihm verfertigten Bilder "der Irrhain in Kraftshof und dann die daselbst befindlichen Gemälde" vorstellend, wofür dem in der Versammlung anwesenden Geber gedankt wurde.

Es lohnt sich wohl, dieses Gemälde noch einmal abzubilden, nachdem sich in Archivschachtel 54 Wilders Beschreibung samt Angabe der Farben gefunden hat: "V. An der Thüre ein überhöhtes Gemälde mit gebrochenen Ecken von sehr guter Hand aus der Zeit des Stadtmalers Bayer. 3’1’’ hoch und 2’ 3 3/4 â’ breit.

Einen Pegnitzschäfer vorstellend, gegen rechts blikend sizend an einer mit Gebüsch bewachsenen Felsenparthie hat gelbe Jacke mit roten Kragen, rote kurze Beinkleider, weiße Strümpfe, einen Schäferstaab im Arme haltend, die Hirtenpfeife neben sich lehnend, ein violetter Hut mit grünem Bande liegt auf dem Felsen sein treuer weißer Hund mit blauen Halsband liebkoset ihn. Die Entfernung ist Gebürge im Hintergrund blaue Berge mit einem Schloß, im Mittelgrunde ist eine Kirche mit Häusern, Mauern und Gebüsche gegen rechts Baumparthieen, eine Felsenwand mit leichten Gesträuch schließt das Bild; Bey dem Schaefer, im Mittel und am Vordergrunde liegen mehrere Schaafe. — NB. Das Bild hat hie und da Beschädigung erlitten und eine vergoldete Einfassung."



Abschließende Fakten zum Fall Rohmer-Faulwetter


Die auf Mikrofilm im Staatsarchiv Nürnberg zugänglichen Ratsverlässe unter der Nummer S 111, die im zweiten Buch zur Darstellung des Mordfalls Rohmer-Faulwetter benutzt wurden, decken längst nicht alle behördlich erfaßten Umstände ab. Auch schien der im Stadtarchiv auf den Faszikel B 15 folgende B 16 abhandengekommen; ein bedenklicher Umstand. Unklar blieb dadurch, wie es sich mit der Aburteilung und Hinrichtung des Hafnermeisters Rohmer, des Mörders an dem Konsulenten Faulwetter, eigentlich abgespielt hat. Um so überraschter und dankbarer kann man sein, daß der langjährige Einsatzleiter bei der Polizeidirektion Nürnberg, Friedrich von Hagen, bei seiner Sammlung von Akten zur Hinrichtungspraxis des reichsstädtischen Nürnberg solche Materialien erschlossen hat, die auch in diesen Fall mehr Licht bringen. Zur Veröffentlichung aufbereitet wurden diese Materialien von Manfred. H. Grieb, dem langjährigen Vizepräses des Blumenordens, herausgegeben dann von dem Leiter des Stadtarchivs, Michael Diefenbacher, und sie liegen als 35. Band der Reihe "Quellen und Forschungen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg" unter dem Titel "Die Henker von Nürnberg und ihre Opfer" seit 2010 vor. Hier werden von den Seiten 332 bis 336 des Buches die einschlägigen Ratsverlässe aus dem Stadtarchiv Nürnberg, Rep. 60a, mit Angabe der Nummern 4365 bis 4377 zitiert. Geschulte Historiker hätten gleich dort nachgesehen.

"Samstag, 16. 5. 1801

Das in dem Löbl. Burgermeister-Amte unterm gestrigen Acto abgehaltenen Vernehmlassungs Protokoll des Hafnermeisters, Joh. Ludw. Rohmer, über den von ihm an dem H. Kons. Faulwetter verübten Mord, ist nebst den dazu gehörigen Aktenstücken dem Löbl. Schöpfenamte zum Vollzug der Summarischen Inquisition zu kommuniziren, u. sind die geschlossenen Akten zu seiner Zeit vor 2. H[errn] Konsiliarien zur Berathung zu befördern, nach eingeholter Instruktion aber bey E. Hochlöbl. Rath zur Fassung eines Endurthels vorzulegen. Anbey ist die Bestimmung das der verwittibten Frau Konsulentin zur Bestreittung der Beerdigungs Kosten des Entleibten auf ihr Gesuch zu verwilligenden Geldquanti lediglich dem Ermessen der Herren Aeltern Hherr[lichkei]ten zu überlassen. Herren Aeltern Hherr[lichkei]ten; Schöpfen; Rentkammer; Burgermeister Jun."

Die alte Rechtsmaschine erfaßt den Fall in einem ersten Protokoll und setzt sich in Gang, indem das Schöffenamt davon informiert wird; außerdem werden die dem Rat als juristische Sachverständige dienenden Rechtskonsulenten, wie auch Faulwetter einer war, zur Beratung aufgefordert. Die endgültige Rechtsprechung liegt beim sogenannten Kleineren Rat, in dem nur Angehörige des Patriziats vertreten sind und nach einem streng eingehaltenen rotierenden System die Ämter untereinander aufteilen. Es gibt darin ältere und jüngere Senatoren, wie es auch einen älteren und jüngeren Bürgermeister gibt. Die Rentkammer. d.h. die städtische Finanzbehörde, wird von den sieben €lteren Herren, der eigentlichen Stadtregierung, angewiesen werden, der Witwe des Ermordeten, welche durch dessen Ehrenamt und sonstige Geschäftsuntüchtigkeit verarmt dasteht, die Beerdigungskosten zu erstatten; dabei wird noch zu entscheiden sein, welcher Aufwand bei der Beerdigung den Umständen nach zulässig ist. Noch läuft alles normal ab.

[…]

Am 27. 7. 1801 wird dem Gesuch der Frau Rohmer stattgegeben, als Verteidiger für ihren Mann den Dr. Leuchs zu bestellen, wie Faulwetter ein Mitglied des Blumenordens. Und nun zieht sich die Sache hin. Man holt ein Gutachten der Juristischen Fakultät der Universität Gießen ein. Die Angelegenheit wird dadurch nicht gerade einfacher, daß der Unmut in der Bevölkerung sich gegen den Ermordeten richtet. Vorstellbar ist der Vorwurf, die Regierenden könnten jemanden straflos ruinieren und seien überhaupt unfähig, dem Niedergang der städtischen Wirtschaftskraft entgegenzuwirken. Unterdessen kommt der Oktober heran, und im Lochgefängnis wandeln sich die Verhältnisse vom Ungemütlichen zum Unerträglichen.

"Freitag, 9.10.1801

Dem p[unc]to homicidii in gefänglicher Detention befindl. Hafnermeister Romer ist gebettenermassen zu verstatten, sich bey der bevorstehenden kalten u. feuchten Witterung ein Bett in den Lochverhafte zu seinem Gebrauch bringen zu lassen. Schöpfen."

So geht der Winter hin.

"Montag, 8.2.1802

Das in der Hafnermeister Joh. Ludw. Romerischen Inquisitions-Sache von der L. JuristenFakultät zu Giesen geschöpfte Urthel ist von Seite E. Hochlöbl. Raths bestättiget, u. das L. Schöpfenamt zu beauftragen, sich rüksichtlich der in dieser Inquisitions-Sache ferner zu beobachtenden Verfahrungsart ganz in Konformität des hierüber von den Herren Konsiliarien ausgestellten Bedenkens zu benehmen. Schöpfen."

Offenbar hatten die Gießener Juristen auf Todesstrafe erkannt; Leuchs aber gibt eine Gegenmeinung zu bedenken:

"Donnerstag, 25.2.1802

Der von dem Dr. Leuchs als Defensor des Inquisitens, Romer, übergebene Vortrag u. Bitte um Milderung der gedachtem Inquisiten andictirten Todesstrafe ist morgen beym Rath zum Rechten vorzulegen, u. sich hierüber zu einem gemeinsamen Schlusse zu vereinigen. Burgermeister Sen. u. Jun.; Schöpfen.

Und so weiter, wie oben (im Zweiten Buch) bereits dargestellt.