ABRISS DER GESCHICHTE DES PEGNESISCHEN BLUMENORDENS ANHAND SEINER SATZUNGEN


Teil IV: Von den Biedermännern zum Biedermeier


In seinem verdienstlichen Buch über Johannes Scharrer erwähnt Rainer Mertens außer der titelgebenden Persönlichkeit im Textteil noch weitere 23 Mitglieder des Pegnesischen Blumenordens, im Personenregister davon noch 14, und er fährt im Laufe seiner Darstellung Vereine, Institutionen und öffentliche Feiern an, woran der Blumenorden entweder als solcher oder mit einem bedeutenden Teil seiner Mitglieder beteiligt war. Nirgendwo aber nennt er den Namen des Ordens in irgendeiner Form. Diese schon sehr seltsame Auslassung erklärt sich bei einem Blick in sein Verzeichnis der benutzten Archive: Den Weg über die Pegnitz nach Süden zum Germanischen Nationalmuseum hat er offenbar nur genommen, um die Quellen von 15 Abbildungen und den Nachlaß Heideloffs aufzusuchen. Daß es ein Archiv des Pegnesischen Blumenordens gebe, in dem mehr aufzufinden sei als barocke Stücke, ist ihm unbekannt geblieben. Es lohnt sich also, gegen diese offenbar auch bei Historikern anzutreffende Unkenntnis, die freilich nur den Bekanntheitsgrad des Blumenordens in der breiteren Öffentlichkeit wiederspiegelt, einmal anzuschreiben. Der Pegnesische Blumenorden, so soll dargelegt werden, hat keineswegs nach dem Ende der reichsstädtischen Zeit aufgehört, eine tragende Rolle in Nürnberg zu spielen. Inwieweit dies nicht nur der Beteiligung seiner Mitglieder an Bestrebungen außerhalb des Ordens zuzurechnen ist, sondern mit den satzungsgemäßen Aufgaben zusammenhängt, die er sich stellte, bildet die Fortführung der Argumentation aus dem ersten Bande der vorliegenden Darstellung "Geschichte und Gedichte des Pegnesischen Blumenordens".

 

Wohltäter und Analytiker


Von der besonderen Art des Patriotismus, die mit der ursprünglichen Verwendung des Wortes "Biedermann" einhergeht, war schon im Zusammenhang mit Faulwetters Bestrebungen im vorigen Kapitel die Rede. Man würde heute „Lokalpatriotismus" dazu sagen. In der hier betrachteten Zeitspanne fangen die Bürger an, sich über diesen Begriff Gedanken zu machen, die über das Vaterland im Sinne der Stadt oder Landschaft, in welcher der eigene Vater beheimatet war, hinausgehen. So schreibt Johann Jacob Baier in seinem Nachruf auf Johann Christoph Friedrich Seidel-Philophron im Jahre 1795:


„Von deutschem Patriotismus zu sprechen, ist zwar eine mißliche Sache, seitdem die weisesten unserer Zeitgenossen die Existenz desselben in das Reich der Unmöglichkeiten verwiesen haben. […] Hat […] ein Mann verschiedene […] Gegenden des deutschen Reiches nicht blos flüchtig bereiset, sondern geraume Zeit bewohnet, und überall eine Aufnahme und Behandlung erfahren, die man sonst nur von seinem eigentlichen Vaterlande zu erwarten gewohnt ist: so bekommt sicher das Ganze weit mehr Interesse für ihn; so denket er sich unter dem Namen des Vaterlandesungleich mehr, als den kleinen Raum, in welchem er seine Kinderjahre verlebte. Ohne Zweifel lag in einer solchen, öfters wiederholten, und immer vortheilhaften Veränderung des Wohnsizes die wahrscheinliche Ursache, warum Seidels Patriotismus alles, was deutsch hieß, umfaßte. [Dabei waren seine Wohnorte bloß Illschwang, Sulzbach, Regensburg, Altdorf, Etzelwang und Nürnberg gewesen.] So bereitwillig er andern Nationen ihre entschiedenen Verdienste zugestund; so sehr machte er sichs zur Pflicht, bey jeder Gelegenheit die Ehre der Deutschen zu vertheidigen. […] Eine edle That machte ihm gedoppelte Freude, wenn sie von einem Deutschen war vollzogen worden; und einer jeden schlechten Handlung pflegte er sich selbst zu schämen, wenn ein deutscher Mann sich zu derselben öffentlich erniedriget hatte."

Empfinden konnte man das größere Vaterland wohl, aber man konnte nicht dorthinein wirken! Die Institutionen des alten Reiches und der Reichsstadt Nürnberg waren zu einer wirklichen Verbesserung nicht geeignet. Wohltätigkeit öffentlich verwalteter Art, die kaum das Notwendigste tun konnte, und private Wohltätigkeit, welche die Mängel der öffentlichen auszugleichen trachtete, waren zunächst die einzigen Möglichkeiten, Patriotismus zu erweisen. Wie es in den Amtsstuben zuging, in denen städtische Armenpflege verwaltet wurde, liest man etwa im Nachruf auf Christian Gottlieb Müller-Theophilus III., den Schriftführer des Ordens ab 1801:


„[…] War er [der seit 1768 ausgeübte Beruf als Substitut im Almosenamt] auch mit mancher Last verbunden, wie er sie z.B. gleich im Beginnen desselben erfuhr, als in den Theuerungsjahren von 1772 auf sein Amtszimmer, wo damals auch die Stiftungen der Wohlthätigkeit verwaltet wurden, die Armen krank und halbverhungert kamen und öfter als einmal ohnmächtig und fast sterbend umsanken, so hatte er doch auch manches erheiternde durch die damit verbundenen Geschäftsreisen. […]"


Einzelne, zum Beispiel der zu Depressionen neigende Philipp Ludwig Wittwer-Chiron II. (das überlebende Kind der zweiten im Wochenbett gestorbenen Gemahlin seines Vaters Chiron I.), halfen, wo sie konnten, und das nicht nur beruflich. In seinem Nachruf — die regelmäßig von Ordens wegen abgefaßten „Denkmäler der Freundschaft„ aus diesen Jahren sind schätzbare Quellen — heißt es:


„Mit der reichlichsten Wohlthätigkeit unterstützte er unverschuldet Darbende, und gab davon bei der großen Ueberschwemmung, welche Nürnberg im Frühjahr 1784 betraf, eine sehr ausgezeichnete Probe."

Natürlich machten sich gelehrte Menschenfreunde dieser Art auch Gedanken, wie dem allgemeinen Übelstand abzuhelfen sei. Es konnte ihnen nicht verborgen bleiben, daß bei aller Armut der öffentlichen Kassen in Nürnberg dennoch eine Menge Geld verdient wurde. „So waren die etwa 100 Nürnberger Handelshäuser zu dieser Zeit noch auf allen Messen und Märkten Mitteleuropas vertreten und standen auch mit entfernteren Gebieten wie Indien, Süd- und Nordamerika in Verbindung. Die Stadt bildete seit Mitte des 18. Jahrhunderts für die neuartigen, zunehmend nachgefragten Genußmittel wie Tabak, Kaffee, Tee, Schokolade und Zucker den wichtigsten Umschlagplatz Süddeutschlands.” Johann Ferdinand Roth machte sich an eine Bestandsaufnahme. Er war als Sohn eines Buchbinders 1748 geboren, brachte es bis 1798 zum Diakon bei St. Sebald und ließ 1800 ein achtbändiges Werk im Selbstverlag erscheinen: „Geschichte des Nürnberger Handels”. Darin versucht er, den verhältnismäßigen Niedergang der Stadt im Vergleich zur Dürerzeit auf eine Weise zu beschreiben, die das Wirtschaften im 15. und 16. Jahrhundert als Vorbild für einen Neuaufschwung erscheinen läßt. Es ist eine Auffassung, für die, wie Rainer Mertens berichtet, in der Fachliteratur die Bezeichnung „altliberal” üblich geworden ist. Man sah, daß es in der Vergangenheit weniger wirtschaftspolitische Schranken gegeben hatte und daß die Kaufmannschaft die Stadtgesellschaft maßgeblich angeführt hatte, nicht aus dieser hervorgegangene, als Landgutbesitzer wirtschaftende Patrizier ohne Unternehmergeist. „Dies bezeugen die in dieser Zeit [um 1800] erschienenen Werke über die Geschichte der Reichsstadt, die, wie die Handelsgeschichte Roths oder die Studien von Siebenkees und Kiefhaber, im wesentlichen Ursachenforschung über die Gründe für den Niedergang Nürnbergs darstellten.”


Alle bisher genannten Namen aus der Zeit um 1800 sind Namen von Mitgliedern des Pegnesischen Blumenordens. Der Orden hatte damals allerdings nicht die satzungsgemäße Aufgabe, Wirtschaftsgeschichte zu schreiben oder patriotische Wohltaten zu verrichten. Zu diesen Zwecken vereinigten sich Ordensmitglieder mit etlichen anderen Nürnbergern und gründeten die „Gesellschaft zur Beförderung der vaterländischen Industrie".


Wenn man diese Gesellschaft einmal nur aus dem Blickwinkel des Blumenordens betrachten will, braucht man nur ihre Erwähnung in den Nachrufen der Mitglieder anzusehen. Die früheste Textstelle dieser Art findet sich im „Denkmal der Freundschaft” für Philipp Ludwig Wittwer, veröffentlicht im Jahr nach der Gründung der Gesellschaft: „Er war entzückt über die Idee einiger edler Freunde, eine Gesellschaft zur Beförderung der vaterländischen Industrie zu stiften, und er hatte an der Errichtung dieser Gesellschaft, von der Nürnberg gewiß vieles hoffen darf, wirksamen Antheil." Der erwähnte Kiefhaber gehörte ebenfalls zu den Pegnesen, welche diese Gesellschaft mitbegründeten: „[...] ward er im Jahre 1792 mit einer ausgesuchten Anzahl seiner Mitbürger Mitstifter, der ebenfalls heute noch daselbst bestehenden „Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie", bei welcher nach und nach er die Lektors und Sekretärsstelle, und 4 Jahre lang die Direktorsstelle bekleidete, auch verschiedenen Comitéen vorstand. [...]”. 1796 heißt es über Johann Heinrich Hässlein-Rizander: „Patriotismus und Gemeinsinn waren es, die ihn mitwürkenden Antheil an der Errichtung der Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie nehmen liesen, welche 1792. zu Stand kam, und deren erster Secretair er war.” 1795 über Johann Christoph Friedrich Seidel: „Vorzüglich brauchbar und thätig zeigte er sich insbesondere als Mitglied der seit 1792 errichteten Gesellschaft zur Beförderung der Vaterländischen Industrie, an welche er, voll des edelsten Wunsches, auf alle Weise gemeinnützig zu werden, gleich beym Anfang ihrer Entstehung, sich angeschlossen hatte.” Über Martin Kohlmann-Kriton, 1805: „Eben so wurde er auch gleich bey ihrer Entstehung Mitglied [...] der Gesellschaft zur Beförderung der vaterländischen Industrie. Auch hier war dem so patriotisch gesinnten Mann iede Gelegenheit, die er erhielt, zur Abstellung schädlicher Misbräuche, und Beförderung gemeinnüziger Anstalten sich thätig zu erweisen, äusserst erwünscht.” Selbst Panzer-Theophobus, im Kreise der hier genannten Patrioten der älteste, Präses des Blumenordens, war von Anfang an beteiligt: „Daß ihn aber das Glück, die Ruhe aller seiner Mitbürger beschäftigte, bewies seine ungeheuchelte Freude, seine herzliche Theilnahme, seine thätige Mitwürkung bey der Errichtung der Gesellschaft zur Beförderung der vaterländischen Industrie. Er war dreyzehn Jahre ihr thätiges würksames Mitglied, [...]” Einem weiteren Pegnesen, der eigentlich noch zu der vorigen, im vorigen Band geschilderten Generation gehört, Zahn-Evander, wird 1819 auch bescheinigt: „Auch von der Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie war er ein vieljähriges eifriges Mitglied.” Lapidar verzeichnet, ebenfalls 1819, Präses Seidel über Georg Wilhelm Friedrich von Löffelholz: „Was er als Direktor der Gesellschaft zur Beförderung der vaterländischen Industrie leistete, das ist bekannt." Daß Johann Ferdinand Roth, der federführende Gründer der Gesellschaft, erst 1812 in den Blumenorden aufgenommen wurde, muß nicht als grundsätzliches Fernestehen aufgefaßt werden. In den zwanzig Jahren bis dahin hatten die Pegnesen nicht nur in vielfacher Weise an den Angelegenheiten ihrer Stadt Anteil genommen, sondern auch in die Orientierung des Ordens einige der Grundgedanken des zeitgenössischen Patriotismus aufgenommen. Es ist zutreffender, von Verflechtungen der Interessen verschiedener bürgerlicher Vereine zu sprechen.



Weitere private Einrichtungen


Die „Industriegesellschaft”, wie man sie abkürzend nennen könnte, genügte den Patrioten des Blumenordens nicht; es lagen auch andere Gebiete außerhalb der eigentlichen Produktion und des Handels im argen, auf denen sich private Tätigkeit mehrerer Bürger zu Einrichtungen vereinigen konnte, um Reformen anzustoßen. Auch diese waren „Patriotische Gesellschaften”. Die früheste Privatinitiative eines Pegnesen besteht in der Einrichtung einer Lesestube, die Christian Conrad Nopitsch in seinem 1801 erschienenen „Wegweiser für Fremde in Nürnberg” an zwei Stellen erwähnt:


„Kugelapotheke, die, oder die Apotheke zur goldnen Kugel, ist gegen der Sebalderkirche und dem Rathaus über, am Ecke, wo man auf die Veste geht. In derselben ist im dritten Stock das Lesekabinet; und im zweiten kommt seit 1792 die Industriegesellschaft, oder die Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie zusammen.”


„Lesekabinet […] jedes Mitglied kann dasselbe täglich, den Sonntag ausgenommen, Vor- und Nachmittagsbesuchen, auch einen Fremden mitbringen.”


Auch hierin äußerte sich Philipp Ludwig Wittwers Wohltätigkeit. „Der Wunsch, Lectüre, und dadurch zu bewirkende Aufklärung, unter seinen Mitbürgern zu verbreiten, bewog ihn zur Anrichtung des hiesigen Lese-Kabinets.”


Als Einrichtung zur Volksbildung, und zwar eine, die heute noch besteht, war auch die Naturhistorische Gesellschaft gedacht, die von einem aus einfachsten Verhältnissen stammenden Pegnesen gegründet wurde, Johann Wolf. „Johann Wolf ist geboren bei Nürnberg in einem Garten vor dem Lauferthore am Rennwege den 26. Mai 1765. […] Seinen ersten Unterricht erhielt er in der Volksschule der Vorstadt Wöhrd, dann in der Lorenzer Armenschule in Nürnberg. […] ,So weiß ich mich noch sehr gut zu erinnern, sagt unser Freund selbst, daß ich einst mit Thränen in den Augen fast alle Winkel unserer Wohnstube untersuchte, um Etwas zu entdecken, das einer Tinte ähnlich wäre. Endlich fand ich den ökonomischen Tausendkünstler, ein altes Buch, voll sympathetischer Schnurrpfeifereien. Gierig fiel ich darüber her, — aber ach! Ich mußte es wehmüthig wieder weglegen, denn es enthielt keine Vorschrift zu einer Tinte, die — Nichts kosten durfte.' „ Später brachte es dieser arme Junge dann zum weithin geachteten Naturforscher (Mitglied von fünf auswärtigen gelehrten Gesellschaften, dazu Ehrendoktor der Kaiserlich-Leopoldinischen Akademie der Naturforscher und fürstlichem Rat des regierenden Fürsten zu Isenburg) — und es sagt einiges aus über die soziale Durchlässigkeit selbst jener alten Ausbildungsverhältnisse! „Von der noch hier bestehenden naturhistorischen Gesellschaft war er nicht nur bis an sein Ende das eifrigste und thätigste Mitglied, sondern auch (1801) erster Begründer und  Stifter.”


Schon mindestens zwanzig Jahre bevor die von Rainer Mertens ausführlich dargestellte Debatte um eine neue Art der finanziellen Absicherung wenig bemittelter Gewerbetreibender und Dienstboten in Scharrers Plan einer Sparkasse mündete, unternahmen einzelne Pegnesen dazu vorbereitende Schritte. So heißt es in dem 1805 erschienenen Nachruf auf Panzer: „[…] er war der ersten einer mit, welcher den edlen, in der Folge zu hoher Wohlthat für so viele werdenden Vorschlag, zu einer Leih- und Unterstützungs-Kassa für unbemittelte Professionisten, machte, und denselben mit aller Kraft förderte.” Und in hohem Alter kümmerte sich Zahn noch um eine Anstalt anderer Art: „Die Errichtung der Nürnbergischen Brandassekuranzanstalt darf ihm als Verdienst angerechnet werden, er war es wenigstens, der die Idee dazu auffaßte, bearbeitete und so dieß wohlthätige Institut einleitete.”


Die Verbesserung und Ergänzung des nürnbergischen Schulwesens wurde zu dieser Zeit ebenfalls von privater Seite unternommen, nicht ohne aus den Amtsstuben oder über persönliche Beziehungen von Amtsträgern zu Privatleuten Impulse erhalten zu haben. Gotthold Emanuel Friedrich Seidel, ab 1813 Präses des Blumenordens, wirkte schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts zusammen mit Karl Valentin Veillodter, einem weiteren Mitglied, an der Einrichtung einer "Höheren Töchterschule", d.h. einer Schule für Mädchen aus bürgerlichem Hause. Er berichtet in seinem Nachruf auf Veillodter, daß man „höheren Orts” den zweiten Diakon Mayer bei St. Egidien beauftragte, eine solche Schule zu gründen, wahrscheinlich deshalb, weil dieser schon Seidels Mitarbeiter bei einer privaten Einrichtung dieser Art gewesen war: „Schon mehrere Jahre hatte er mich, der ich täglich Töchter aus gebildeten Ständen in Lehrstunden um mich versammelt hatte, trefflich unterstützt, wir traten mit Veillodter zusammen, und an meine Schülerinnen reihten sich die übrigen an, welche nun die beiden Classen der höheren Töchterschule zu St. Aegidien bildeten. […] diese Töchterschule, welche eine Privatanstalt in selten gegönnter Unabhängigkeit blieb, erlosch mit dem Entstehen einer öffentlichen höheren Töchterschule, welche wir gerne als stehendes Bedürfniß anerkannten, nachdem unsere Schule zwölf Jahre vielleicht nicht verdienstlos gewirkt hatte.”

Doch schon der vor-vorige Präses, Panzer, hatte sich um das Schulwesen gekümmert: „Eben so sehr lag ihm die von dieser Gesellschaft [der Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie] errichtete Anstalt einer Mädchen-Industrie-Schule, deren Aufsicht ihm besonders anvertraut war, nahe am Herzen, und er that in Vereinigung mit seiner der Sache kundigen Gattin, sehr vieles für sie. […] Noch eine menschenfreundliche Anstalt, das vom Herrn Büchner errichtete und dirigirte pädagogische Institut beschäftigte ihn, er war dessen erster Inspector, und stiftete auch hier viel Gutes.” Die Mädchen-Industrieschule wurde für 24 unbemittelte Bürgertöchter ab 1793 in der Lorenzer Armenschule eingerichtet und sah einen dreijährigen Lehrplan in Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen und Hausarbeiten vor. (Daran ist zu ersehen, daß „Industrie” damals vorwiegend im ursprünglichen lateinischen Wortsinn von „Fleiß, Tätigkeit” verstanden wurde.) Das Büchnersche Institut wiederum war schon 1790 als verhältnismäßig teure Privatschule gegründet worden und wollte im Unterschied zu den städtischen Lateinschulen auch neuere Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften vermitteln.

Die Industriegesellschaft beriet von 1794 an über einen Lehrplan für eine schulgeldfreie Knaben-Industrieschule; Christoph Büchner wurde 1796 in die Industriegesellschaft, 1798 in den Blumenorden aufgenommen. 1800 war das Konzept vollendet, das interessanterweise auch „vertieften Unterricht der deutschen Sprache, Schreiben des Selbstgedachten und Selbstempfundenen” vorsah — eine Zielsetzung, die ohne Einwirken von Vorstellungen aus dem Blumenorden kaum erklärlich ist. Auch von dem Pegnesen Martin Kohlmann ist bekannt, daß er an solchen Überlegungen Anteil nahm. Er hatte in Neustadt an der Aisch eine Schule besucht, die in einem Maße, das damals ungewöhnlich war, auch naturwissenschaftliche Kenntnisse förderte. „Ihm, der eine so große Vorliebe für das Praktische hatte, gewährten daher blos speculative Wissenschaften nie ein großes Interesse. Desto höhern Werth hatten in seinen Augen alle diejenigen Untersuchungen, die auf die Beförderung ächter Religiosität, Verbesserung der Kirchen und Schulanstalten, der öffentlichen und häuslichen Erziehung abzielten. In dieser Denkungsart lag der Grund, daß er physiko-theologische Schriften, desgleichen solche, in welchen die Wahrheit und Göttlichkeit des Christentums in ein helles Licht gesezt wurden, so vorzüglich liebte. Vorzüglich aber war es ihm, der besonders für Verbesserung des Schulwesens ein so grosses Interesse hatte, ein Gegenstand des lebhaftesten Vergnügens, als die Errichtung der Knaben-Industrie-Schule nach Besiegung so mancher Schwürigkeiten, an deren Hinwegräumung auch er eifrig gearbeitet hatte, endlich [1803] glücklich zu Stande gekommen war.” Büchner wurde der erste Direktor.



Pegnesen in öffentlichen Ämtern


Der erwähnte Präses Seidel qualifizierte sich offenbar durch sein privates Engagement auch für öffentliche Aufgaben, in die er über sein Eintreten für die Schulbildung hineinwuchs. "Wievielen Segen er durch die Gründung einer höheren Töchterschule, an welcher erselbst zehn Jahre lang als Lehrer thätig gearbeitet hat, stiftete; […] wie er mehrere Jahre lang Mitglied der Aufnahmeprüfungskommission der Pfarramtskandidaten, 1819 Mitglied der zweiten Kammer der Bayerischen Ständeversammlung, 1832 Mitglied der Generalsynode in Ansbach, 1829 und 30 Mitglied des Landrathes im Rezatkreise war, einige Jahre der Königl. Schulkommission angehörte, nun Jahre lang die Fortbildungsanstalt für die Schullehrer und Schulamtskandidaten Nürnbergs leitete, […] wie er zur Gründung der Maximilian-Heilungsanstalt für Augenkranke mitgewirkt hatte, wie er Mitglied des in den Theuerungsjahren 1816 und 1817 gebildeten Wohlfahrtsausschusses für die Stadt Nürnberg gewesen ist — […] [Fußnote:] daß in den Theuerungsjahren 1816 und 1817 von der damaligen Königl. Polizei-Direktion ein aus dem Consulenten Dr. Lorsch, Polyzeikommissär Nopitsch, Freih. von Löffelholz, Joh. Merkel und Seidel gebildeter städtischer Wohlfahrts-Ausschuß ernannt wurde, welcher zur Minderung der großen Noth der Zeit eben so eifrig als segensreich wirkte und die Schrecknisse jener Tage für eine Bevölkerung von 36,000 Menschen unendlich erleichterte.]"

Es ist schon bemerkenswert, daß anscheinend niemand Anstoß nahm, dem betreffenden Ausschuß einen Namen zu geben, der an ein Terrorinstrument der französischen Revolution erinnern mußte. Doch selbst ein alteingesessener Patrizier, Georg Wilhelm Friedrich Löffelholz von Colberg, wird, neben manchen seiner Ämter, mit diesem Wohlfahrtsausschuß in Verbindung gebracht: "Im Jahr 1800 am 10ten Dezember, als die Franzosen in Nürnberg in starker Anzahl einrückten, wurde er vom Rathe beordert mit seinen französischen Sprachkenntnissen das Einquartierungsbüreau zu unterstützen, diente daselbst ohne allen Eigennutz und blos aus Vaterlandsliebe, so lange die französische Invasion dauerte […] Im Jahre 1805 wurde er […] nachdem 8 Jahre lang keine Rathsstelle besetzt war, zur ungewöhnlichen Zeit Senator […] so wie am 25sten November zum Bürgermeister und 1806 zum Polizeirath. […] Es wurde ihm von der Königlich Baierischen Landesdirektion in Franken die Direktion des städtischen Quartierwesens übertragen, ferner die Theilname an der Commission zur endlichen und gänzlichen Regulirung des mit den grösten Beschwerden verbundenen Quartierwesens, und er opferte diesem Geschäfte […] einen großen Theil seiner Ruhe und Gesundheit auf. Späterhin bearbeitete er die Regulirung der Armensteuer und des Kriegssteuerkatasters und dann des Gewerbsteuerkatasters und hatte unterdessen als Munizipalrath lebhaften Antheil an dem Wohle der Stadt genommen. Ebenso sehr interessirte er sich für den Blumenorden und für den Künstlerverein, deren Mitglied er war. Seinen patriotischen Eifer bethätigte er auch als Mitglied des bürgerschaftlichen Wohlfahrtsausschusses in der Zeit der großen Theuerung 1816 und 1817."

Ein weiterer Präses des Blumenordens, Johann Albert Colmar, vereinigte öffentliches Amt mit privater Wohltätigkeit: "Colmar wurde auch zum Assessorate bei dem 1794 errichteten hiesigen Oeconomie-Verbesserungs- und Rechnungs-Revisions-Collegium berufen. Die dreijährige Besoldung in Summa 1200 Fl. schenkte Er dem Staate für die Unterhaltung der Willischen Norischen Bibliothek."

Jemand, der es im öffentlichen Leben weiter als im Blumenorden brachte, nämlich an die Spitze der Stadtverwaltung, war Christian Gottfried Lorsch. "Durch die im Jahre 1818. erfolgte Wahl zum ersten Bürgermeister der Stadt Nürnberg, sprach sich das Vertrauen seiner Mitbürger zu Ihm aus. An die Spitze des neu geschaffenen Magistrats gestellt, traf Ihn das wichtige und schwere Geschäft, die Organisation einer neuen Verwaltung der Polizei und des Komunal-Vermögens zu leiten und die Ausführung der neuen Einrichtungen zu dirigiren. Bekannt ist, daß in der wichtigen Epoche Seiner Direction manche nützliche Anstalt in das Leben trat. Z.B. Verbesserte Schul-Anstalten, eine Spar-Kassa, ein Getraid-Magazin etc. etc. und wenn er auch nicht Schöpfer von Allem war, so bleibt Ihm doch das Verdienst der eifrigsten Beförderung alles Nützlichen und Guten." Der Wahrheit die Ehre zu geben, muß man hervorheben, daß die letztgenannten beiden Errungenschaften vor allem auf Johannes Scharrer zurückgehen, wie Rainer Mertens ausführlich gezeigt hat. Lorsch spielte eine begleitende, kaum eine anregende Rolle: "Keine Einladung zu Gesellschaften oder Vereinen, die sich gründeten um Gutes zu stiften, lehnte er ab, übernahm auch häufig das Directorium oder sonst eine Stelle, jedoch gewöhnlich nur solange, bis der Grundstein gelegt war, und der Bau durch eigene Kraft sicher halten konnte. Dann trat er wieder zurück in Seine Berufsgeschäfte, mit dem edlen Bewußtseyn, zur Gründung des nützlichen Unternehmens beigetragen zu haben." Doch auch Scharrer war Mitglied des Blumenordens, ebenso wie ein weiterer altliberaler Biedermann, Julius Graf von Soden, ohne dessen schriftliche Diskussionsbeiträge die Nürnberger Pläne eines Getreidemagazins und der Sparkasse wohl nicht abgeklärt worden wären. (Daß Soden, der 1802 auch das Bamberger Theater gegründet und 1808 E.T.A. Hoffmann dorthin berufen hat, diesen nicht an den Blumenorden weiterempfahl, ist sehr schade, liegt aber wohl daran, daß der Kontakt zu Hoffmann schon abgerissen war, als Soden 1816 Mitglied wurde.)

In den unruhigen Zeiten der napoleonischen Kriege und des Übergangs der Reichsstadt Nürnberg an das neue Königreich Bayern dienten zwei Angehörige alter Patrizierfamilien, die auch Mitglieder des Blumenordens waren, dem Gemeinwesen an herausragenden Stellen. Der eine war Christoph Carl von Harsdorf. "Mit dem Eintritte in eine Justiz-Stelle, als Assessor am Land- und Bauern-Gerichte, im Jahr 1805 begann sein öffentliches Wirken. Nach Verfluß eines Jahres aber, war er schon Senator der vormaligen Reichsstadt Nürnberg, bis deren Uebergang an die Krone Bayerns eine Quieszenz zur Folge hatte. […] Endlich begann für Nürnbergs Verwaltungs-Formen eine neue Periode, durch die Gemeinde-Verfassung und mit ihr für Harsdorf ein neuer Wirkungskreis als Magistratsrath, — später als zweiter Bürgermeister. […] Das Vermittlungs-Amt war es, was neben der rastlosen Sorge für den guten Zustand der Schulen, — ihn den Friedfertigen, der mit allen Menschen im Frieden lebte, und wollte, daß Alle unter sich im Frieden leben sollten, — besonders ansprach. Es hatte schwache Aehnlichkeit mit seinem früher mit besonderer Vorliebe und segensreich geführten Reichsstädtischen Bürgermeisteramte." Rudolf von Holzschuher ist der andere, und seine Tätigkeit war für den Fortbestand des Nürnberger Stiftungswesens und die finanzielle Gesundung der überschuldeten Stadt von erheblicher Bedeutung. Er wurde "unterm 22. März 1805 zum Rathskonsulenten der freien Reichsstadt Nürnberg ernannt. Leztere Ernennung erfolgte nicht ohne Schwierigkeit, denn da H. schon damals als ein Mann des freien Wortes bekannt war, […] so ahnte der, wegen des Schuldenwesens der Reichsstadt Nürnberg bestellte kaiserl. Kommissions-Subdelegat bald in ihm einen waffenkundigen Oppositionsmann und erließ deßhalb eine Verfügung, welche die Ernennung Holzschuher's für ungiltig erklärte. Der Rath sezte aber beim kaiserl. Reichshofrath dieselbe dennoch durch und die zugleich mit ihm gewählten Doktoren Lorsch und Brunner. […Er übernahm] die Vertretung der Nürnberger Staatsgläubigerschaft. Von 1802 bis 1818 diente er dieser gerechten, aber fast hoffnungslos gewordenen Sache, und […] erwirkte er gegen die willkürliche Reduktion der Zinsen durch die kaiserl. Subdelegations-Kommission ein Conclusum des Reichshofraths vom Jahr 1803 und wurde dadurch der Retter von 9-10 Millionen, welche Nürnberg's Staatsgläubiger und allermeist Nürnberger Angehörige und Institute zu fordern hatten. Denn als, nach dem 1806 erfolgten Uebergang Nürnberg's an die Krone Bayern, die Idee der Subdelegations-Kommission wieder aufgegriffen und die Nürnberger Staatsschuld, weil damals nur 2 Prozent Zinsen gezahlt wurden, zu 50 Prozent des Kapitals übernommen werden wollte, widmete H. alle seine Kräfte dieser Sache, und seinen vielfachen Bemühungen, gedruckten Deduktionen und mehrmaligen Reisen nach München war es zu verdanken, daß im Jahr 1818, bei der ersten Ständeversammlung in Bayern, […] jenem wichtigen Reichshofraths-Konklusum Geltung […verschafft wurde.] unter Mitwirkung des damaligen Landtags-Abgeordneten von  Welser […] kam das Gesez vom 22. Juli 1819 zu Stande, durch welches die Nürnberger Staatsschuld zu einem integrirenden Theil der bayerischen Landesschuld erhoben und die 4prozentige Verzinsung wiederhergestellt wurde."

Nimmt man auch einmal die persönliche Seite dieser Männer in Augenschein, so bemerkt man, wie eine von gemütvoll bis gemütlich reichende Seelenverfassung Anlaß zu dem allzu harmlosen Bilde geben konnte, das wir uns heute von "Biederleuten" machen. So heißt es etwa von Holzschuher: "Seine Mitbürger werden sich noch lange […] der steten gutmüthigen Freundlichkeit erinnern, die er, noch aus dem vorigen Jahrhundert herüber, Allen, mit denen er zusammenkam, hoch oder niedrig, ganz gleichmäßig entgegentrug. […] dieser der Reichsstadt Nürnberg eigenthümliche Typus […] liebte es, den Abend bei einem Glas Bier in Gesellschaft befreundeter Männer zuzubringen." Von Kiefhaber: "Als Freund steht der Verstorbene auf der höchsten Stufe, denn einen thätigern, zu allen guten Zwecken bereitwilligern Mann, der nie ermüdete, keinen Gang, keine Fürbitte zu Behörden scheute, wenn es das Wohl eines gedrückten Menschen oder einer unglücklichen Familie galt, wird man, zumal in unserm egoistischen Zeitalter, so leicht nicht finden." Von Harsdorf: "Er hatte Anerkennung seiner Verdienste, und weitere Verwendung vergebens gehofft. Diese Selbsttäuschung machte ihn mißmuthig, und hielt ihn von weiterer Bewerbung ab." — und: "Aber eben diese Reminiscenz an die frühere Zeit, nicht von Stolze hervorgerufen, der ja dem Bescheidenen ganz fremd war, sondern von einer unüberwindlichen Anhänglichkeit an das früher bestandene Gute, war die Quelle mancher trüben Stunde für ihn geworden, weil dessen Untergang ihn schmerzte, nicht immer erwägend, daß der Umschwung der Zeit, doch öfters Besseres an die leere Stelle setzte." Von Lorsch: "Daß Er nach Verfluß der gesetzlichen Zeit, nicht abermals zu der Würde erwählt wurde, in der Er mit Liebe und Eifer gewirkt hatte, mag mehr in dem damaligen Zeitgeiste, der gegen das Prinzip der Stabilität sich anstemmte, als in der Persönlichkeit des Nichtgewählten, gelegen seyn. Wohl bekannt aber ist mir, daß Ihm bei dem Gefühle Seiner innern Würde, solche Zurücksetzung tief kränkte, und auf Seine sonst heitere Gemüthsstimmung, einen nichts weniger als wohlthätigen Einfluß äusserte, ohne jedoch Sein Benehmen vor der Welt, auch nur im Mindesten zu verändern." Von Löffelholz: "Ueberhaupt war die warme Theilnahme an Menschenwohl und Weh unaufhörlich thätig in ihm. Daher kam sein lebhaftes Interesse für politische, große Ereignisse, wie seine warme Theilnahme an dem Schicksal des Einzelnen. Daher ferner seine unverkennbare Gefälligkeit und Dienstfertigkeit, die kaum eines Winkes bedurfte, sein Studieren, wie er besonders geachteten Personen oder Freunden etwas Liebes erzeigen möge. Aber innig hieng auch mit seinen religiösen Ansichten seine hohe Rechtlichkeit zusammen, sein heftiger Aerger über alles Gewaltthätige, sein Empörtseyn bei Scenen der übermüthigen Laune, seine freien Aeusserungen, die er mit männlichem Sinn hinsagte, ohne sich um das Uebelhaben zu bekümmern."


Vorbedingungen für erneute Satzungsdebatten


Mit Panzers Tod und der Wahl Colmars zum neuen Präses trat im Jahre 1805 endgültig diejenige Generation, welche um 1790 dem Orden republikanischen und zugleich ernsthaft wissenschaftlichen Geist verliehen hatte, die bestimmende Rolle im Blumenorden an. Das heißt nicht, daß Panzer und seine Generationsgenossen den neuen Bestrebungen ablehnend gegenübergestanden wären. Sie wirkten selbst in diesem Sinne, aber die Satzung von 1791 sah noch wenig von dem vor, was schon in der Studentenzeit Colmars von Altdorfer Studenten in der 'deutschen Privatgesellschaft' praktiziert worden war. Einstweilen erschien das Neue als Nebensache des Hergebrachten.


Die aktiven Pegnesen waren an der Wende zum 19. Jahrhundert von Neugier auf Dinge ergriffen, deren Pflege ihnen keineswegs von der Satzung vorgeschrieben war. Es wurde schon erwähnt, daß Faulwetter in der Elektrizitätslehre dilettierte; Hässlein hatte ebenfalls naturwissenschaftliche neben literarischen Interessen. „[…] Noch unter Professor Lowiz hörte er ein Collegium über die Experimental-Physik, wiederholte es nachher bey Hrn. Professor Löhe, und besuchte auch dessen Vorlesungen über Geometrie und Trigonometrie; so wie ein iuristisches Collegium bey dem vortrefflichen Consulenten, Herrn D. J. M. F. Lochner. […]” Nachdem die Originalausgaben der Werke des nürnbergischen Schusterpoeten allmählich schwer erreichbar geworden waren, lieferte er „[…] daher einen Auszug aus des, von vielen in unsern Zeiten verkannten Nürnbergischen Volksdichters, Hans Sachsens, Gedichten, mit einer Nachricht von dessen Leben und Schriften, und beygefügten alten Worterklärungen, auch einem kleinen Glossar, Nürnberg bey Raspe, 1781,gr. 8vo.” Man weiß nicht recht, ob der Diversifizierung der Studien dieser Männer noch eine in barockem Sinn polyhistorische Neigung zugrundeliegt, oder ob sich darin die Suche nach Erklärungen für eine mißlungene Epoche der Stadtgeschichte und nach Hinweisen für einen Neuanfang ausdrückt, wie im Falle der Wirtschaftsgeschichte. Eine Grundlage für das Wiedererstarken Nürnbergs ergaben diese Bestrebungen allemal. Der Ordensschriftführer Müller war auch mit von der Partie: „Mit gleichem Interesse besuchte er die öffentlichen Vorlesungen des Professors Löhe über die Experimentalphysik und genoß den Privatunterricht desselben in der Geometrie und Trigonometrie. Beide Kenntnisse, in denen er es durch andauernden Fleiß zu einer bedeutendenden Fertigkeit brachte, übte er als Geometer sehr fleißig und mit vielem Talent; er fertigte Plane, Grundrisse und Vermessungskarten mit der Sauberkeit und bis ins Kleinliche gehenden Accuratesse, die ihm, fast darf man sagen, zur zweiten Natur geworden war. Zur Unterhaltung neben der Belehrung diente ihm in freien Stunden die Beschäftigung mit der Experimentalphysik, und bis in sein Alter stellte er die mancherlei dahin einschlagenden Versuche, vorzüglich in Anwendung der Electrisirmaschine an. […] Auch für deutsche Sprachforschung, die so nahe liegt der Geschichte des Volks, äußerte er lebhaftes Interesse und eine Frucht davon war sein  homonymisches Wörterbuch der deutschen Sprache […]”


Auswärtige Mitglieder erfuhren über den Briefwechsel von der allmählichen Umorientierung des Ordens und teilten ihre eigenen Studienergebnisse mit, z.B. Friedrich David Gräter-Waldemar aus Schwäbisch Hall am 28. Januar 1792 (übrigens klingt der Ordensname gar nicht mehr griechisch): „[…] meine Absicht war, das erste Schreiben sogleich von einer Abhandlung aus dem Fach der einheimischen poetischen Alterthümmergeschichte begleiten zu lassen. […] Gegenwärtig aber raubt mir die Anordnung und Besorgung meines Magazins für die gesammte vaterländische Alte Literatur, dessen ersten Band ich mir zu seiner Zeit die Freyheit nahm, in die Ordensbibliothek einzuschicken, so sehr alle Muße […] Und obgleich auf der andern Seite weder meine eingeschränkten Talente noch meine Lage dem ursprünglichen Zwecke des Ordens, der Dichtkunst zu huldigen, nicht [sic] entsprechen können; so vermuthe ich doch, daß sich dieser Zweck nach dem Bedürfnisse der Zeit richtet, und daß die Absicht der gegenwärtigen Mitglieder nur dahin geht, den guten Geschmack zu erhalten und weiter auszubreiten, vorzüglich aber den Deutschen Nationalgeist zu erforschen, anzubauen und darzustellen, als wodurch allerdings der Name einer Deutschen Gesellschaft am schönsten gerechtfertiget wird. […]”


Die Bedürfnisse der Zeit! Bevor noch die napoleonischen Kriege der Allgemeinheit klarlegen, wie es um die Lebensfähigkeit des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation bestellt ist, verwandelt sich schon der Lokalpatriotismus in einen historisch begründeten nationalen. Dazu muß man weder Bürger Wiens noch Berlins sein. Auch scheint man unter Umgehung des altmodisch anmutenden Namens ,Blumenorden' die Bezeichnung ,Deutsche Gesellschaft' zur Einordnung in eine bestimmte Klasse von Vereinigungen zu gebrauchen, die eben jenen Bedürfnissen der Zeit dienen.


Freilich werden über den historischen und naturwissenschaftlichen die literarischen Untersuchungen nicht vernachlässigt, und eine in vorigen Jahrzehnten selten gewordene Beschäftigung mit der Sprachkunde gibt sich in einer Rezension über Campe zu erkennen. Am 16. Februar 1797 befaßt sich Siebenkees in einer Sitzung mit dessen Sprachverbesserungsvorschlägen und stellt eine nicht leicht veraltende Betrachtung an den Anfang: „In der Sorgfalt für die Reinigkeit der Teutschen Sprache kann man leicht zu weit gehen, wenn man alle ausländischen Wörter und Redensarten aus derselben verbannen will. Man spricht und schreibt, um verstanden zu werden. Ich halte daher dafür, daß man nicht zweckmäßig handle, wenn man Wörter, welche bereits das Teutsche Bürgerrecht erlangt haben, und allgemeinverständlich sind, mit ganz ungewohnten neuen und daher unverständlichen vertauschen will, zumahl wenn sie den Begriff der fremden Wörter nicht einmahl erschöpfen. Inzwischen verdienen die Bemühungen einiger Teutschen Gelehrten, welche durch die Berliner Preisaufgabe zur Bearbeitung dieses Gegenstands veranlaßt worden sind, eine nähere Prüfung, und die Versuche, ähnliche Vorschläge zu machen, dürften nicht ohne Nutzen seyn. […]” Im Hinblick auf die Möglichkeiten der Ersetzung von Fremdwörtern im 21. Jahrhundert sind die darauffolgenden Beispiele vielleicht wirklich von Nutzen:


„Für Censur möchte ich Bücheraufsicht statt Schriftsehen vorschlagen. […] Circular-Schreiben möchte in einigen Fällen sich durch Kreisschreiben nicht übersetzen lassen z.B. Kreis-Circularschreiben würde dann Kreis-Kreis-Schreiben heißen. Umlaufschreiben möchte bequemer seyn. [„Umlauf” wurde zumindest in den Schulen Bayerns bis vor kurzem verwendet.] Contract möchte Campe durch Vergleich übersetzen. Allein dieß sind nicht gleichgeltende Wörter. […] Vertrag, Geding würde für Contract eher können gebraucht werden […] Für Histoire scandaleuse möchte ich Schandgeschichte vorschlagen, statt Aergergeschichte. […] Republik und Freystaat sind nicht immer gleichbedeutend. Republik zeigt einen nicht monarchisch regierten Staat an, wenn er auch sonst nicht unabhängig ist. So führen die Teutschen Reichsstädte selbst auf Münzen diesen Namen und sonst im gemeinen Leben, ob sie gleich nicht mit dem Namen der Freystaaten belegt werden. Eine ganz neue Bedeutung hat Kant dem Wort Republik beygelegt. […]” Man war auf der Höhe der Zeit und bekam bald Anlaß, seine Begriffe an der Wirklichkeit zu messen.


Siebenkees war es auch, der sich am 12. August 1799 zu den Problemen der Verschriftlichung hören ließ: „Allgemeine Regeln möchten in keiner Wissenschaft schwerer zu finden seyn, als in der Lehre von der Teutschen Rechtschreibung. Unsere Sprachlehrer sind selbst noch wegen der Grundsätze, welche dabey befolgt werden sollen, so uneinig, daß die Vereinigung der katholischen und der protestantischen Kirche vielleicht nicht so viele Schwierigkeiten hat, als die Vergleichung aller Secten der Orthographen, äußerst schwer fallen wird. Auch unsere besten Schriftsteller sind, wenigstens in Kleinigkeiten, noch nicht unter sich selbst einverstanden. Aussprache, Abstammung, Analogie, Gebrauch, gerathen hier oft miteinander in Streit. Was soll vor den übrigen den Vorzug haben? […]” Weder die leitenden Gesichtspunkte noch die Lagebeschreibung klingen in der Situation von 2005 veraltet. Veraltet wirkt nur seine Rechtschreibung und Zeichensetzung selbst. Und wie wenig macht das dem geduldigen Leser aus!


Georg Versemeyer, ein Auswärtiger, empfahl sich dem Nürnberger Blumenorden durch eine Abhandlung, die wiederum Hans Sachs aufgriff und offenbar für so passend gehalten wurde, daß  sie im Archiv überdauert hat. Am 21. September 2005 äußerte ein Mitglied der Gryphius-Gesellschaft anläßlich einer Führung im Irrhain seine Verwunderung darüber, daß der Pegnesische Blumenorden auf seiner Naturbühne zum Irrhainfest die Hans-Sachs-Spielgruppe der Stadt Nürnberg auftreten lasse, hätten doch die barocken Gründer des Ordens von den Fastnachtsspielen der Handwerker und ihren Verskünsten nicht viel gehalten. Das diesbezügliche Umdenken des Ordens beginnt um 1800. Versemeyer beginnt damit, die Breitenwirkung der Reformation, zumindest unter nürnbergischen Verhältnissen, Hans Sachs zuzuschreiben. Die Vorrede zur „Wittenbergisch Nachtigall„ (1522), beinah Sachsens einzige veröffentlichte Prosa, „ist mit solcher Ordnung und Klarheit abgefaßt, daß sie auch einem gelehrten Stylisten der damaligen Zeit Ehre machte." Versemeyer versucht sich sogar an einer Auflösung der Schlüsselnamen im Gedicht, wer die Tiere unter den Gelehrten Nürnbergs seien, die gegen Luther auftraten. (Übrigens scheint jemand die von Versemeyer übersandte Schönschrift des Vortrags mit Korrekturen versehen haben, und weil diese beim Textzitat aus der „Nachtigall" die originale Schreibweise sorgfältiger wiederzugeben versuchen, ist anzunehmen, daß sie von Kiefhaber stammen.) Die Methode, Sachsens Text wiederzugeben und dabei zu kommentieren, reicht schon an das heutige „close reading" heran. Es folgt die  Erschließung weiterer Texte, nämlich der Lehrdialoge. Versemeyer ist der Ansicht, daß Sachsens Standesgenossen empfänglich für seinen Ton gewesen seien. Er erwähnt, daß Lieder von Sachs in manche Gesangbücher aufgenommen worden  sind (etwa das Straßburgische von 1538), und verweilt an einem Beispiel: „Warum betrübst du dich, mein Herz". „Wer gewohnt ist, nicht bloß nach der Reinheit des Ausdrucks und der pünctlichen Anwendung der Regeln der Poetik die Güte, besonders älterer, Gedichte zu bestimmen, sondern mit Gellerts Empfindung und Herz darüber urtheilt, wird in diesem Liede die Sprache der frommen Andacht, der ruhigen Hingebung in Gottes Sühnung und muthvollen Bekämpfung des Gelüstes reicher zu seyn, tönen hören, und man möchte seinen übrigen Liederdichtungen eben diese Sprache der Empfindung wünschen, die nach meinem Gefühl schlechter sind, weil sie zu viele Wizspiele, minder glücklich ausgeführte Allegorien, und kalte dogmatische Erörterungen haben.” Abschließend gibt er der Verwunderung Ausdruck, daß man von Luther kein Wort über Hans Sachs gefunden habe. Versemeyer war am 11. 1. 1802 in den Orden aufgenommen worden.


Ein Pegnese, der sich mit der Geschichte des Ordens befaßt, gibt sich in dieser Zeit nicht mehr einfach mit dem ,Amarantes', der Festschrift von 1744, zufrieden, sondern betrachtet das Archiv als eine Quelle wie andere historische Quellen und sucht daraus zu schöpfen. Bemerkenswert ist daran nur, wie wenig das beim jeweiligen Schriftführer befindliche Archiv den Mitgliedern bekannt war. So muß Kiefhaber am 4. Mai 1801 eine förmliche Anfrage an den Schriftführer richten, in einer Angelegenheit, die eigentlich erst heute dank der Arbeit der Literaturforscher und Editoren Dietrich Jöns und Hartmut Laufhütte geklärt ist: „In des Amarantes Historischer Nachricht vom Blumenorden heißt es: S. 108. ,Man wird nicht unterlaßen aus dem häufigen Briefwechsel, den unser seliger Herr Sigmund von Birken mit vielen hohen Standes-Personen, auch stattlichen und gelehrten Männern seiner Zeit geführet, einen Auszug zu machen, zumahlen, da verschiedenes darinnen enthalten, was zur Historie der deutschen Sprache, zu den bürgerlichen Kirchen- und Gelehrten-Geschichten einigen Beytrag geben könnte.' Ist nun der Briefwechsel des Sigmund von Birken im Ordens-Archiv noch vorhanden? Ist jemahls irgend einiger Auszug aus demselben gemacht worden?”


Unterdessen hatte Johann Wolf wiederum den naturwissenschaftlichen Beitrag eines Pegnesen weitergebracht. „Nachdem er den rückständigen Theil der Beschreibung der, in Meyers populärer Zoologie etc. Nürnb. b. Frauenholz 1802, abgebildeten Thiere vollendet hatte, erhielt er von dem Verleger den Auftrag, auf gleiche Weise die Vögel Deutschlands zu bearbeiten. Mit allem Eifer widmete er sich nun dem Studium der Ornithologie, in welchem Zweige der Naturgeschichte er, nach dem Urtheile fachkundiger Männer, seine größte Stärke hatte, so daß er sich nicht nur unter den Ornithologen Deutschlands, sondern auch des Auslands, einen ehrenvollen Namen erworben und für immer gesichert hat.” Seine Veröffentlichungen zu diesem Gebiet beliefen sich nach und nach auf 29 Hefte, von denen er regelmäßig je ein Exemplar, wie früher Panzer seine Studien zur Typographie, dem Blumenorden schenkte. Er hielt selber Vögel und beobachtete sie, stopfte sie nach ihrem Tod aus und leitete die Verfertigung genauer Abbildungen an.


Unter den Ordensmitgliedern machte sich eine Lust zu sammeln bemerkbar, die nicht auf Bücher und Wappen und Urkunden beschränkt blieb, sondern ihre Gegenstände aus dem Bedauern über manches Unwiederbringliche ableitete. Es war, im Sinne Schillers, eine sentimentalische Einstellung. Johann Ferdinand Roth nahm sich gewisser Zeugnisse der Vergangenheit an „[…] in einer Stadt, sage ich, wo auch in mancher verborgenen Sammlung die köstlichsten Werke lagen, von denen leider nur zu viele mit Recht und Unrecht weggeschafft, oft spurlos geraubt und verstreut oder auch wohl im Drang der Zeiten veräußert worden sind, während so manches andre Kunstwerk, das der Zeit nicht wich, dem Meißel und der Erneuerungssucht weichen mußte, die das zertrat, was sie nicht zur Hälfte so kunstreich herzustellen im Stande ist. So gab unstreitig das Intereße, das dem Verstorbenen durch seine Amtswohnung eingeflößt wurde zu einer seiner Schriften Anlaß […]” Es handelt sich um seine Geschichte des Karthäuserklosters, aus dem später das Germanische Nationalmuseum werden sollte, als diese geschichtsverliebten Tendenzen zur Reife gekommen waren. Zu Roths Zeit waren Pfarrwitwen und auch seine Familie dort untergebracht. Und an Dürer erinnerte man die deutsche Öffentlichkeit auch immer wieder gern. Eine Lebensbeschreibung Albrecht Dürers hatte Roth als Anhang zum 43sten Bande der Leipziger Bibliothek der Wissenschaften ausgearbeitet.


In Kiefhabers Bewußtsein treten alle diese Tätigkeiten und Bestrebungen zu einem Plan zusammen, der wieder die ein Jahrhundert alten Vorstellungen aufgreift, bewußt anknüpfend oder nicht, daß der Orden eine nürnbergische Akademie der Künste und Wissenschaften werden solle. Ausgelöst wurde dieser Plan wohl dadurch, daß er in seiner Trauerrede auf Klopstock zur Abfassung einer Klopstock-Elegie aufgerufen hatte, darauf aber von seiten des Ordens nichts erfolgt war. „Endlich hat 8.) Herr Substitut Kiefhaber Empfindungen über den Tod Klopstocks vorgelesen, und eine Aufforderung an die Gesellschaft angefügt, daß eines der schäzbaren Mitglieder derselben, diesem erhabenen deutschen Dichter, ein Denkmal zu errichten sich gefallen lassen möge. […]” Wahrscheinlich empfanden die Anwesenden seine Bemühungen bereits als hinreichend: „Wie sollten wir uns heute versammelt haben, ohne, daß wir des großen Entschlafnen gedächten, den seit unserer letzten Zusammenkunft Teutschland verlor? — Sollten wir, die wir verbunden sind, die teutsche Sprache, Geschichte und Dichtkunst, zu forschen, zu vervollkommnen und zu veredeln, uns heute versammelt haben, ohne mit Verehrung und Dank auf den hinzublicken, welcher der Veredlung der teutschen Sprache und Dichtkunst ein halbes Jahrhundert hindurch seine Muse weihte? […]” Es folgen 6 Seiten Klopstock-Zitate aus verschiedenen Werken, mit bezug auf Tod, Auferstehung und Glückseligkeit, eine Beschreibung seiner Beerdigung in Ottensen, und, wie erwähnt, der abschließende Wunsch, einer der Pegnesen möchte eine Elegie auf Klopstocks Tod schreiben.



Kiefhabers Anschub


Am 6. Februar 1804 holte Kiefhaber ganz weit aus, um den Blumenorden, der seit der Aufbruchsstimmung von 1786 wieder in ein ziemlich gemächliches Fahrwasser geraten war, neu zu beleben:


"[…] Unsere Gesellschaft […] behauptet einen würdigen Rang unter den litterarischen Gesellschaften in Teutschland, theils durch ihre edle Bestimmung, da sie ursprünglich schon die Cultur der teutschen Sprache und Dichtkunst zu ihrem Endzweck hatte, und derselbe, seit ihrer neuen Organisierung auf Erläuterung der Litteratur und Geschichte, besonders des Vaterlandes, erweitert wurde; […] wer möchte aber auch läugnen, daß nicht noch mehr, durch sie hätte geschehen können und sollen. — Je vielseitiger die Ansichten des gelehrten Wissens sind, desto vortheilhafter ist es die Zahl der Gelehrten, die sich zu einerley gemeinnützigen [sic] Zweck verbinden, immer vermehrt zu sehen. — […]


Ich verkenne Ihre Verdienste H. H. für unseren Blumenorden nicht, ich weis wie Viele von Ihnen ihren litterarischen Fleiß uns schon gewidmet haben, wie manche schöne Vorlesung von Ihnen unser Ordens-Archiv in sich verschließt; wurde aber von diesem allen unseren Mitverbundenen im Auslande, je das Mindeste davon bekannt gemacht? — Haben wir denselben jemahls Veranlassung gegeben über irgendeinen bestimmten Gegenstand uns ihre Gedanken mitzutheilen? […]


Erlauben Sie daher, daß ich hier unumwunden behaupte, der Werth litterarischer Gesellschaften überhaupt; sowie der unbestrittene Werth unsers Blumenordens könne unläugbar dadurch erhöht werden,


1.) wenn von Zeit zu Zeit Themen über gewiße dem gesellschaftlichen Plan angemessene litterarische Gegenstände ausgewählt — und so wohl die einheimischen, als die auswärtigen Mitglieder zu deren Bearbeitung aufgerufen werden.


2.) wenn mittelst einer Correspondenz mit den auswärtigen Mitgliedern diese zur thätigen Theilnahme an den litterarischen Verhandlungen des Ordens erweckt werden.


3.) wenn die eingehenden Arbeiten mit Bescheidenheit geprüft und nach Verdienst gewürdigt werden.


4.) wenn von Zeit zu Zeit eine Sammlung der vorzüglichsten Arbeiten im Gesellschaftlichen Namen in Druck gegeben würde.


Wem von uns sollte es unbekannt seyn, wie viele ungünstige, obschon unverdiente Urtheile sowohl in Reisebeschreibungen, als selbst in Journalen und kritischen Zeitschriften unsere Gesellschaft über sich mußte ergehen lassen; vielleicht weil sie bisher zu viel Stillschweigen von ihrer Verfassung und ihrem Wirkungskreise beobachtet hatte. […]" Man beachte das Wort ,Verfassung' — es heißt ,Satzung'.


In einem behäbigen Verein werden solche Dinge zunächst an einen Ausschuß verwiesen. Dieser tagte am 27. Oktober 1804 und gab seine Stellungnahme auf der nächsten gewöhnlichen Versammlung des Ordens ab. Zu den einzelnen Punkten Kiefhabers heißt es:


"1) Erstlich dürfe von den hiesigen Mitgliedern nicht zu vieles gefordert und erwartet werden, weil die Situation der mehresten, in Hinsicht mannichfaltiger Berufsgeschäfte sie zu oft am gelehrten Privatfleiße hindert [...]


2) Zweytens der Ausschuß [könne...] nicht wohl beistimmen, indem aufgegebene Materien viel mehr äußerlichen Ruhegenuß, und viel mehr Muster erfordern, als sie die meisten Mitglieder unserer Gesellschaft haben; dagegen möchte wohl vielmehr die Wahl des Gegenstandes jedem arbeitenden Mitglied selbst zu überlaßen seyn, doch so, daß zur Beschäftigung der gelehrten Muse gewiße Claßen des gelehrten und praktischen Wißens festgesezt würden, wie bey anderen litterarischen Gesellschaften gebräuchlich ist, Claßen, die zu dem Plan unserer Gesellschaft gehören, oder doch damit vereinbar sind, und in denen Einer oder Mehrerer sich die Mitglieder, die sich zu Ausarbeitungen entschließen wollen, einzeichnen können. Es könnten demnach 4. solcher Claßen gewählt werden; [...] diese Mitglieder treffen unter sich die Einrichtung, daß eines von ihnen bey jeder vierteljährlichen Versammlung eine Vorlesung giebt [...]


a) Deutsche Sprache und Dichtkunst; Ästhetik;


b) Geschichte; deutsche und vaterländische Geschichte besonders;


c) Philosophie; und


d) Naturgeschichte und Oekonomie. Was


3) drittens die auswärtigen Mitglieder betrifft, so wären, nach unserem Dafürhalten, dieselben schriftlich zu ersuchen, über Materien aus diesen Claßen, wenn es ihre Lage und der Umfang ihrer Geschäfte erlaubt, uns bisweilen eine Vorlesung einzusenden [...] so würde wohl nöthig seyn, nach dem Beyspiele der löbl. Industrie-Gesellschaft [der Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie], einen eigenen Correspondenz-Sekretair zu erwählen [...]


4) Vierdtens: Über den Druck der eingegangenen Arbeiten selbst, kan erst in der Zukunft entschieden werden [...]


Ob nicht künftig außer Abhandlungen und Gedichten, auch bisweilen eine gründliche Recension irgend einer wichtigen in unsre Claßen einschlagenden Schrift, und litterarische Notizen und Aufklärungen, wie Z.B. ehemals im litt. Anzeigergeschehen, und in den litt. Blättern noch geschieht, in das zu druckende Bändchen aufgenommen werden könnten, so auch jede Veränderung bey unserer Gesellschaft selbst, stellet der Ausschuß […] weiterer Überlegung anheim; und ob übrigens zu der von dem Herrn Registr. Kiefhaber vorgeschlagenen Abhandlung über Klopstocks und Herders Verdienste um die deutsche Sprache ein Mitglied unserer Gesellschaft sich […] entschließen werde, müssen Unterzeichnete […] gleichfalls von der Zeit erwarten. […]"


Zu beachten ist hier in erster Linie, daß nicht nur vorsichtig abgebremst wird, wie es bei erstem Lesen den Anschein hat; der eigenständige Einfall des Ausschusses, den Blumenorden in Klassen zu organisieren wie andere gelehrte Gesellschaften es vorgeführt haben, und darüberhinaus eine Art Jahrbuch herauszugeben, ist zukunftsweisend. Kiefhaber hat diese Seite der Reaktion gesehen:


"Mit verbindlichstem Dank erkenne ich, daß von Seiten der hochverehrlichen Gesellschaft, die — von mir gemachten Vorschläge […] einer so geneigten Aufnahme gewürdigt wurden […] Ganz einverstanden mit den von ihnen so sachgemäßen Modificationen hätte ich mir gewünscht, daß es den hochgeschätzten Herren Gesellschaftern gefällig gewesen wäre, sich in ihren votis bestimmter zu erklären, in wie weit es bey den vorgeschlagenen Modificationen das Verbleiben haben soll, als, welches, wenn ich es recht fasse, der letzte gesellschaftliche Schluß eigentlich mitbeabsichtigte."


Kiefhaber beschwichtigt, er habe in Bezug auf "Themen aufgeben" keinerlei Zwang beabsichtigt, weder terminlich noch bei der Bearbeitung selbst. "Ich beabsichtigte bloß auf gewisse Materien aufmerksam zu machen und dachte, dass dabey bisweilen eine wünschenswerthe Concurrenz Statt haben könnte; […]" Statt der vier ,Classen' möchte er lieber fünf eingerichtet sehen:


"a.) teutsche Sprache und Litteratur.


b.) Aesthetik überhaupt und Dichtkunst insonderheit


c.) Teutsche Geschichte überhaupt und vaterländische besonders.


d.) Philosophie und


e.) Naturgeschichte und Ökonomie."


Wenn eine endgültige Übereinstimmung dazu unter den Mitgliedern erreicht sei, solle die Nachricht davon gedruckt und den auswärtigen Mitgliedern zugänglich gemacht werden.


Man muß sagen, daß diese Vorschläge von Anfang an sehr bereitwillig aufgegriffen wurden. Das Ausschußprotokoll war noch nicht einmal geschrieben, da eröffnete Colmar bereits eine Liste, auf der sich die Mitglieder zu ihren möglichen Beiträgen erklären sollten. Das Herumgeben zog sich allerdings vom Oktober 1804 bis in den Februar 1806 hin.


Colmar, 12. 10.1804: Vorträge über nürnbergische Geschichte.


Zahn, 12. 12.: "vaterländische Gegenstände zum Vortrag in unseren OrdensVersammlungen".


Johann Georg Bezzel, 13. 12.: seine 71 Lebensjahre entschuldigen ihn.


Diakon Bezzel,19. 12.: hofft auf künftig geringere Arbeitsbelastung.


Büchner (der Leiter der Knaben-Industrieschule), 23. 12.: will Beiträge zu allen 4 Klassen liefern.


Dietelmair, 23.12.: kann zur Zeit nicht, will aber nicht untätig bleiben.


Diacon Drechsler, 26. 12.: Literatur und vaterländische Geschichte.


Dr. Eichhorn: jährlich eine gemeinnützige Abhandlung.


Diacon Frank, 6. 1. 1805: 1. und 2.Klasse.


Kiefhaber selbst, 7. 1.: verweist auf eine Beilage.


OMedKommissär Krämer, 17. 1.: deutsche und vaterländische Geschichte oder gemeinnützige Gegenstände.


Dr. Lindner, 20. 1.: wird Aufsätze liefern.


Dr. Lorsch (damals noch Ratsconsulent), 21. 1.: 1. und 2. Klasse.


Merkel (es kann sich eigentlich nur um Georg Nikolaus Merkel handeln, Rektor in Hersbruck, aufgenommen 1786): jährlich mindestens ein Aufsatz über Literatur oder vaterländische Geschichte.


von Neu, 27.1.: er möchte staatswissenschaftliche und staatswirtschaftliche und überhaupt gemeinnützige Gegenstände unter einer eigenen Klasse eingeführt sehen. "[…] Da der Orden grössestentheils aus Geschäfts-Männern u. nicht aus blossen Gelehrten besteht; so würde sich wahrscheinlich in diesem Fache, manches Mitglied leichter einer Arbeit unterziehen […]" Er selber möchte zur 1. Klasse und zur Ökonomie einige Aufsätze liefern.


Reichel, 3. 2.:unbestimmte Zusage, beizutragen, soweit es seine äußerst beschränkte Zeit erlaubt.


Diaconus Schöner, 4. 2.: 1. und 2. Klasse, sobald er imstande sein wird.


Diaconus Wiszmüller: 2. und 3. Klasse, sobald er nicht mehr unterrichten muß.


Ebenso Diaconus Seyfried


Diacon Riederer, 7. Mai: Er will sich nicht ausschließen, aber völlige Freiheit in der Wahl des Gegenstandes haben.


Schwarz: Eigentlich kann er überhaupt nicht, aber um seinen guten Willen zu erweisen, übernimmt er das fünfte Fach, soweit es ihm möglich ist.


Dr. Osterhausen (der Arzt): keine Zeit.


Dr. Veillodter, 2. 2. 1806: wird mitzuwirken trachten


Leuchs [Johann Georg, der Advokat], 3. 2.: "Unerachtet ich selbst Mitglied des Ausschusses zur Prüfung des Kiefhaberschen Antrags war, so muß ich doch gestehen, daß mir die Classification welche nachher Herr Registrator Kiefhaber in seinem voto vom 6. Jan. 1805 machte, besser gefällt als die unsrige. […] Ich werde dieses Jahr meine Kaiserkarakteristik endigen, die ohnehin einen Gegenstand der Kiefhaberischen dritten Classe ausmacht, und dann immer etwas dem ähnliches, jährlich für die BlumenordensGesellschaft liefern. — Noch fällt mir die nicht ungegründete Erinnerung des H. Dr. und Rath v. Neu bei. Er wünscht mit Recht, daß Rücksicht auf die Neigung und Verhältnise aller Mitglieder genommen werden mögte. Wenn man nun noch eine sechste Classe hinzu thun wollte, unter der Rubrik: Gemeinnützige Gegenstände überhaupt und Staatswirtschaft und Policei insbesondere, so würde auch diesem Wunsche Genüge geleistet werden können. Ich würde dann auch neben der dritten mit dieser sechsten Classe mich beschäftigen."


von Loeffelholz, 16. 2.: 1. und 2. Klasse.


Diacon Seidel: "[…] Die erste reifere Frucht, die mir auf ästhetischem Boden gedeihet, soll dem Orden gewidmet seyn."



Erster Anlauf zur Neuorganisation


Was hat es gefruchtet? Zweierlei ist aus der Ausschussarbeit hervorgegangen: eine thematische Ausweitung der Vortragstätigkeit — davon später — und eine fortgesetzte Erörterung des Zustandes der Gesellschaft.


Die unter Panzer neu aufgenommenen Mitglieder waren von dem Fortbestehen des Brauches, Hirtennamen und Blumen zu wählen, nicht durchweg erbaut. Von dem späteren Schriftführer Christian Gottlieb Müller erfährt man aus seinem Nachruf: „Als er dazu trat [1790], waren noch die Schäfernamen der Mitglieder in Gebrauch; er nannte sich Theophilus III. und genügte damit einigermassen wenigstens der hergebrachten Sitte, ob er gleich das Unpassende der alten Bezeichnungen fühlte und daher nur seinen Taufnamen umwandelte.” Der Name der Gesellschaft selbst war, wie erwähnt wurde, im bequemen Austausch zwischen Mitgliedern schon zu ,Deutsche Gesellschaft' abgeändert worden. Dies allerdings wurde nun in einem Zuge mit einer Organisationsdebatte diskutiert, auch zuerst im Ausschuß. Am 27. Oktober 1807 tagte dieser in der Rathausvogtei. "In Gemäsheit des gesellschaftlichen Schlußes vom 10. Aug. d. J. haben hierbemerkte Mitglieder des Auschußes des Pegnes. Blumenordens sich heute hierselbst eingefunden, um über die ihnen übertragene Prüfung der beyden Gegenstände: I.) ob der Namen dieser litterarischen Verbindung abgeändert werden solle u. II.) wie eine neue Organisierung der innern Verhältniße näher zu constituiren seyn möchte, sich zu berathen, wobey der Proponent Kiefhaber den Vortrag macht und nachher darüber abstimmen läßt.”


Die „hierbemerkten” Mitglieder waren Diakon Jacob Bezzel, Senator Friedrich von Löffelholz, Diakon Seidel, Diakon Wizmüller und, als Gast, Kiefhaber.


„ad I.) vereinigte man sich einstimmig daß der Namen Nürnb. pegnes. [diese beiden Wörter über der Zeile eingefügt] Blumenorden ferner beybehalten werden soll und zwar aus folgenden Gründen:


1.) weil der Namen an sich zum höheren oder minderen Werth der Gesellschaft nichts beyträgt, wenn das Edle des Zweckes erreicht wird.


2.) weil diese gesellschaftliche Verbindung schon 164 Jahre besteht und nach Entfernung aller spielenden Ziererey zum Andenken seines hohen Alters unbedenklich stattfinden kann.


3.) weil schon bey der i. J. 1786. erfolgten Organisation aus diesen Gründen die Beybehaltung beliebt und zum gesellschaftl. Schluß erhoben wurde.


4.) weil auch das Siegel abgeändert werden müßte, und durch Abänderung des Namens u. Siegels, die Hauptcharactere, welche den Blumenorden, als die älteste teutsche Gesellschaft bezeichnen, verlohren gingen, damit Nürnberg auch den Ruhm dieses Alterthumes verliehre.


5.) weil selbst zu Toulouse die Akademie der Blumenspiele, welche in ihrem Archiv noch das Gedicht verwahrt, das am 3. May 1324. gekrönt wurde und bekanntlich eine Versammlung der Poeten daselbst ist, wo derjenige so das beste Gedicht machte, einen silbernen Blumenstrauß erhielte, neuerlich, mit Beybehaltung ihrer vorigen Benennung Academie des jeux Floraux wieder errichtet worden ist, wie im Freymüthigen 1800. N. 136. bemerkt wurde.


6.) weil es entschieden seyn möchte, daß die mehrsten auswärtigen Ehrenmitglieder [von anderer Hand eingefügt: „sowie verschiedene unserer Mitbürger„] dem Orden bloß deswegen beytraten, weil sie ihn, als sicher für die älteste teutsche litterarische Gesellschaft erkannten, was aber wegfallen würde, so bald ihr Namen und das Siegel geändert werden wollten. Um seines hohen Alters willen, habe unstreitig, ihm Wieland, so gerne und freudig die Ehre erwiesen, auch jetzt noch beyzutretten. [Dies war eine aktuelle Sensation; wie es dazu kam, wird weiter unten noch ausgeführt.]


7.) weil um die Bestättigung unserer litterar. Verbindung unter jenem Namen bey der Kön. Majestät nachgesucht wurde. [Auch dieser Vorgang verdient noch eine gesonderte Darstellung.]


8.) weil die Annahme eines neuen Namens den Schein der Neuerungssucht haben dürfte, welchen eine so alte litterarische Gesellschaft sich nicht zum Vorwurf machen laßen müßte; u. endlich


9.) weil man durch neuen Namen selbst neue Erwartungen erregen könnte, die in der Folge doch nicht erfüllt werden dürften. Übrigens kenne man auch keine Veranlassung, welche so wichtig sey, daß überwiegende Gegengründe für eine zuerwünschende Abänderung stattfinden könnten. Man unterstelle indeßen die vorgetragenen Gründe für die Beybehaltung der Benennung Nürnbergisch pegnesischer Blumenorden, der näheren Prüfung des verehrlichen Vorstandes und könne sich auch damit vereinigen, wenn beliebt werden sollte, künftig nur Nürnbergischer Blumenorden, statt pegnesischer Blumenorden zu schreiben, da die Hauptidee im Wort Blumenorden liegt, die Benennung litterarischer Gesellschaften nach Flüßen obsolet ist und so gar eine Hauptstadt den Namen Pegnitz führt, wo der pegnesische oder pegnitzische Blumenorden, wie ihn Wieland einigemahl nannte, leicht daselbst gesucht werden könnte.” — Genau dies ist zu unseren Zeiten eingetreten, da es in Pegnitz eine Vereinigung gibt, die sich ,Pegnitzschäfer' nennt. Der Blumenorden allerdings ist einzig und kann diesen Namensbestandteil auch schützen.


„ad II.) glaubt man, wenn die innere Organisation des Ordens noch näher bestimmt werden solle, so müßte jetzt vorzüglich berücksichtigt werden, daß die neue Königliche Akademie der Wissenschaften zu München, der Centralpunkt aller litterarischen Anstalten im ganzen Land sey — daß künftig ohne Zweifel der Orden unter deren Aufsicht kommen werde, wenn die Kön. Bestättigung erfolgt seyn wird; da aber 7. u. 8. der Constitutionsurkunde ausdrücklich besagt, „die Akademie setzt sich nicht nur mit den Akademien und gelehrten Instituten des Auslandes, sondern auch mit den vorhandenen gelehrten Anstalten in Unseren Erbstaaten in eine umfassende litterarische Verbindung." […] Dieses zu bewirken, sey um so mehr darauf Bedacht zu nehmen, der Thätigkeit der Mitglieder eine festere Richtung zu geben, dahin gehe auch die von dem dermahlen so eben hier anwesenden Mitglied Herrn Dr. u. Prof. Siebenkees in Altdorf sich erbettene Abstimmung, welche in der Anlage mitfolgt, so daß der dermahlige Ausschuß dahin übereingekommen ist, bey dem verehrlichen Vorstand den Antrag dahin zu machen, bey der nächsten Sitzung darüber abstimmen zu laßen, daß zum Gesetz erhoben werde:


1.) daß die Mitglieder künftig sich zu bestreben haben, über Gegenstände aus einer oder der anderen folgender Claßen, Vorlesungen zu halten:


a.) aus dem Gebiete der teutschen Sprache und Litteratur


b.) der Ästhetik überhaupt und der Dichtkunst insonderheit,


c.) der teutschen Geschichte überhaupt und der vaterländischen insonderheit;


d.) aus dem Gebiete der Staatswissenschaft und Staatswirthschaft, sowie über jede andere Art von gemeinnützigen Kenntnissen;


ohne jedoch damit irgendeinen Zwang damit zu verbinden; als, daß man eine Sitzung zuvor anzeigt, ob und aus welcher Claße man in der nächsten vorlesen wolle.


2.) daß jedes Mitglied verbunden sey, das, was es bey seiner Lektüre von einem Quartal zum anderen als vorzüglich neu, oder dunkel oder wichtig gefunden habe, zu bemerken und aus dem Journal, gelehrten Zeitung, oder wissenschaftlichem Buche, wo es solches aufgefunden hat, auszugsweise mittheilen und dadurch eine gesellschaftl. litterarische Unterredung zu veranlassen, durch welche die Gesellschaft ungleich mehr Intereße bekommen würde, als bisher dabey erzielt wurde, da dadurch ein Austausch der Ideen erzeugt und die nützlichste Wechselwirkung rege gemacht werden würde.”


Irgend jemand aus dieser Versammlung — Kiefhaber wäre es zuzutrauen — hatte wohl das anonyme Blatt aus dem Ordensarchiv gelesen (und möglicherweise falsch wieder eingeordnet), das schon ins 17. Jahrhundert zurückzudatieren, aber keinem Vorgang aus dem Orden mehr mit Gewissheit zuzuordnen ist:


Weilen aber diese gesellschafft ohne jemandes Beschwehrniß und mit höchster Freyheit geschehen solle, auch nicht allezeit dergleichen neue observationes sich ereignen mögten, oder solche doch die völlige Zeit der 1 oder 2 Stund nicht ausmachen, als stündte dahin, ob nicht […] ein Stück von einem gewissen alten oder Neuen gedruckten authoren, oder einem curiosen manuscripto, so ursach zu guten Diskursen geben mögte, und worumb sich die compagnie zu vergleichen hätte, mögte abgelesen werden, nach dessen vollendung, von derselben discurirt und was absonderlich remarquable befunden würde ad protocollum könnte gebracht werden. — Der obige Punkt 2.) scheint tatsächlich nichts weiter als eine Modernisierung des Ausdrucks zu sein, inhaltlich knüpft er sehr eng daran.


3.) daß mit der ersten Quartalsitzung 1808. die neue Organisation in Wirksamkeit zu tretten habe.


4.) daß dieselben in einem [gestrichen: „Circulare"] Schreiben, das gedruckt werden müßte, den sämtlichen auswärtigen und Ehrenmitgliedern bekannt zu machen wäre, mit dem Wunsche, daß auch sie öfters Vorlesungen, aus den beschriebenen Fächern, einschicken möchten.


5.) daß ein Comité aus drey Mitgliedern bestehend niedergesetzt werden solle, welche alle im Archiv niedergelegten Vorlesungen revidiere, nach Durchgehung der Protokolle die noch abgängigen einfordere, solche streng prüfe und dem Orden nach einiger Zeit unpartheyisch berichte, ob sie des Druckes würdige Aufsätze darunter gefunden habe u. welche. Wenn der Vorstand mit dem Comité über den Werth des Drucks einverstanden seyn werde, dann habe derselbe zuvor noch bey den Verfaßern anzufragen, ob sie es zufrieden sind, wenn dieser oder jener Aufsatz von ihnen gedruckt wird [Einschub von anderer Hand: „wobey ihnen das Recht zuvor noch die Feile an selbigen anzulegen ehe er zum Druck befördert wird, immer unbenommen bliebe."] Eben dieses Comité, hätte künftig auch alle neu eingehende Vorlesungen zu prüfen und zu bestimmen, ob sie des Druckes würdig zu achten wären oder nicht.


6.) daß künftig kein ordentliches Mitglied mehr ein Denkmal erhalten soll, wenn es nicht wenigstens eine Vorlesung gehalten haben wird, so lange es im Blumenorden war.


7.) daß künftig jede Sitzung spätstens um 5 1/2 Uhr ihren Anfang nehmen soll und bey mehrerer litterarischer Unterhaltung, dem früheren Erscheinen der Mitglieder, um so mehr zuversichtlich entgegen sehen zu dürfen gewärtige; als diese Gesellschaft im ganzen Jahre nicht öfter als viermahl Statt habe, folglich billig sich zu schmeicheln habe, daß sie nicht andern, bloß der Zerstreuung gewidmeten Gesellschaften, gleich gehalten werden wolle.


Womit diese Conferenz beschlossen und [von anderer Hand eingefügt: „das darüber abgehaltene Protocol"] von sämtlichen Mitgliedern eigenhändig unterschrieben wurde.”


Die Abstimmung über den bewährten Gesellschaftsnamen in der regulären Ordensversammlung war nur mehr eine Formsache. 18 Mitglieder waren am 2. November 1807 erschienen und votierten einstimmig zugunsten einer Beibehaltung des Namens in der Form ,Nürnbergisch-Pegnesischer Blumen-Orden'.


Nicht ganz so glatt ging es in der folgenden Sitzung vom 8. Februar 1808 zu, als die Vorschläge zur Arbeit des Ordens zur Abstimmung gebracht wurden. „1.) […] e.) […] Bey diesem Vorschlag fande die Gesellschaft die Gegenstände der Vorlesungen zu ausgedehnt und zuviel umfassend, und beschloß daher, daß StaatsWissenschaft u. StaatsWirtschaft davon ausgeschlossen bleiben sollen. Übrigens blieb es blos Wunsch, daß iedes Mitglied es sich selbst zum Gesez machen möge, Ausarbeitungen zu liefern, und daß derienige, welcher eine Vorlesung in der nächsten Versamlung halten wolle, es zuvor anzeigen u. zugleich den Gegenstand derselben angeben möge.


d.) […] die Maiorität der GesellschaftsMitglieder aber bemerkte, daß viele von den vorhandenen Vorlesungen nachher bereits im Druck erschienen seyen, und dass unter den übrigen vielleicht nur wenige, schon deswegen, weil sie dem neuesten Geschmack nicht mehr ganz anpassen, sich zum Druck eignen möchten. Es wurde daher, da man nur mit großer Behutsamkeit sich in das schriftstellerische Publikum wagen dürfe, für gerathener gehalten, wenn ie der Orden, welches aber nicht gerade erwartet werden würde, unter seiner Firma etwas im Druck erscheinen lassen wollte, neuen Vorlesungen entgegen zu sehen, und alsdann erst, rücksichtlich der Recension, etwas vestzusetzen; iedoch habe immer die ganze Gesellschaft über den Druck, der in ihrem Namen veranstaltet werden soll, zu bestimmen. […]”


Kiefhabers Enthusismus war damit wieder ziemlich abgebremst. Und seltsamerweise war nach all diesen konstitutionellen Erörterungen von einer Satzungs-Neufassung nicht die Rede. Man hatte allerdings drängendere Sorgen. Die äußeren Lebensbedingungen waren auch für Angehörige der bürgerlichen Schichten nicht günstig.

Politische Verstrickungen



Noch ins Jahr 1796 gehen die Aufzeichnungen zurück, an denen sich zeigen läßt, wie der Orden in einzelnen seiner Mitglieder, aber auch als ganzer von den politischen Turbulenzen erfaßt wurde. Von Johann Jacob Reichel erfahren wir:


"Als im Iahr 1796 Nürnberg von den Franzosen heimgesucht wurde, traf auch ihn das traurige Loos, in der Nacht des 16ten Augusts als Geisel ausgehoben, und am Morgen des 17ten Augusts, zu einer beinahe iährigen Gefangenschaft, nach Frankreich, in die Vestung Charlesmont abgeführt zu werden, aus der er am 29sten Julius 1797 wieder zurük kam. […]"


Der übliche Ablauf der Ordensversammlungen war nicht aufrechtzuerhalten: "Die im August-Monat gegenwärtigen Jahres hiesige Stadt und Landschaft betroffene leidige französische Invasion, wodurch damals die gewöhnliche Ordens-Zusammenkunft behindert wurde, gab


1.) des Herren Präses Hochwürden Anlaß, auf diese fatale Periode mit Betrübnis zurückzublicken, sich jedoch zugleich zu erfreuen, daß, nach nunmehr überstandener Gefahr, die heutige Versammlung wieder richtig frequentiert werden können […]"


Zwar ging auch dies vorbei — "Bey Eröfnung der heutigen GesellschaftsSession erfreuten sich


1.) des Herrn Präses HochEhrwürden nicht nur über die frequente Einfindung der dabey erschienenen Mitglieder, sondern auch besonders darüber, einen sehr schätzbaren vorigen Jahres durch die französischen Kriegsvölker, zum Leidwesen der ganzen Bürgerschaft als Geisel nach Givet gefänglich abgeführten Herrn Mitgesellschafter, P.T. Herrn MarktsVorsteher Reichel, nach, Gottlob! glücklich erfolgter Zurückkunft, bey gutem Wolstande wieder in ihrer Mitte zu sehen." —


doch mußte sich der damalige Schriftführer, Benedict Wilhelm Zahn, eine zeitlang um ganz andere Dinge von erheblicherem Belang kümmern als um den Orden: "Seine Amtslaufbahn fiel in die Perioden der sich noch haltenden und endlich zusammensinkenden Nürnbergischen Staatsverfassung. Mit hohem Patriotismus nahm er an dem, was die Vaterstadt dabei zu ertragen hatte, den innigsten thätigsten Antheil, und wo es Hülfe galt, opferte er Zeit und Kräfte freudig auf. Als in dem Conflikt zwischen Bürgerschaft und Rath die Noth es erheischte, daß tüchtige Männer zum Gemeindewohl zusammenwürkten, ward er zur Führung des Protokolls bei der Aerialdeputation auf Verlangen des Raths und des Genannten-Collegiums erwählt. Er erhielt darauf einen Theil der hiesigen Stadt- und Aemter-Rechnungen zur Revision, ein schwerer aber das Zutrauen auf seine Rechtlichkeit und umfassende Kenntniß bewährender Auftrag, dessen er sich ehrenvoll entledigte. Bei der Organisirung des Genannten-Collegiums ward er zum Syndikus von dem gelehrten Stande in den engern Ausschuß und zugleich als erster Proponent und Inspektor bei dem Genannten-Collegium ernannt, eine Stelle, die er 3 Jahre lang mit der schönsten Treue bekleidete. — Die Beeinträchtigungen, welche die Stadt von aussen erleiden mußte, zwangen den Rath am kaiserlichen Hofe Hülfe zu suchen; unser Freund war dazu bestimmt, den würdigen Herrn Senator von Stromer nach Wien zu begleiten, um diesen Zweck mit erreichen zu helfen und befand sich dadurch gerade in der drangvollen Periode fern von Nürnberg, wo es durch Jourdans Heer 1796 soviel zu leiden hatte."


Wie Hohn nimmt es sich aus, wenn die Pegnesen von einem Auswärtigen folgende Zusendung bekamen, zu der sie wohl oder übel ein freundliches Gesicht machen mußten, um sich nicht verdächtig zu machen: In der Sitzung vom 5. November 1804 wurden "5.) zwey Geschenke für die Ordens-Bibliothek vorgelegt, nämlich:


a, Vom Herrn Pfarrer Meyer in Speyer, eine zur Verehrung Napoleons, des ersten Kaysers der Franzosen, am 9ten Sonntag nach Trinitatis dieses Jahres gehaltene Predigt, […]" Nun gut, Speyer mochte noch näher am Schuß sein. 1806 jedoch sah sich auch Nürnberg wieder von französischen Truppen besetzt. Eine reguläre Ordenssitzung mußte ausfallen: "Da die Einquartierung französischer Kriegsvölker in hiesiger Stadt, und die damit verknüpften Unruhen, eine Zusammenkunft am vorigen Walburgischen Ziel verhindert hatten, so wurde das, vom 3. Februar des Jahres abgehaltene Protocoll […verlesen, etc.…]" Ob die Pegnesen dieses Ausfallen als Unglück sahen, steht dahin; einige Tage später jedoch traf Nürnberg und — wahrscheinlich speziell den Orden! — wie ein Donnerschlag die Nachricht, daß der Buchhändler Palm in Braunau am Inn standrechtlich erschossen worden war. Bekanntlich hatte er eine anonyme Schrift mit dem Titel ,Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung' herausgegeben, die Napoleon sehr unangenehm aufgefallen war. Sie war auch danach. Palm nannte den Verfasser nicht; es hätte ihm auch nicht geholfen, weil selbst auf die Verbreitung die Todesstrafe stand.




Die Affäre Palm


 

Dr. Rudolph von Holzschuher war ein kenntnisreicher und geschickter Jurist (im Blumenorden Mitglied Nr. 321), aber auch er konnte für Palm nichts tun. „Auf seine unerschrockene und kenntnisreiche Vertretung richtete etwas später auch der unglückliche Buchhändler Palm seinen Blick, der unkluger Weise, obwohl von den Franzosen verfolgt, nach Nürnberg zurückgekehrt, hier aber verrathen und verhaftet worden war. H. begleitete ihn nach Ansbach ins französische Hauptquartier, erkannte aber bald, daß fremde Gewalt das Urtheil Palm's schon im voraus diktirt hatte.” Was den Orden vermutlich schreckensstarr werden ließ, war die enge Bekanntschaft und Zusammenarbeit, die der Buchhändler mit Gelehrten Nürnbergs haben mußte und in einem Falle nachweisbar in besonderem Maße gepflegt hat. Die Rede ist von Dr. Johann Georg Leuchs-Rosalvo, einem der reformwilligen Studenten, die 1786 aufgenommen worden waren. Seine republikanischen Jugendträume entsprachen nicht der Wirklichkeit des Empire. Es gibt über Palm und Leuchs einen Zeitungsartikel von 1941 und einen Beitrag in einer Glanzpapierbroschüre wohl aus der gleichen Zeit, die im Ordensarchiv aufbewahrt werden und ansonsten vergessen sind. Der Verfasser Dr. Hans Wecker unternimmt es darin zu beweisen, daß es sich bei dem Verfasser der inkriminierten Schrift um niemand andern als Leuchs gehandelt haben könne. Diese These ist aus dem Standpunkt des Blumenordens interessant genug, um hier noch einmal referiert zuwerden.

Nachdem der Verfasser die Autorschaft Philipp Christian Gottlieb Yelins anhand biographischer Urkunden über dessen Aufenthalte und Machenschaften widerlegt hat, kommt er auf eine bis dato unbekannte Seite des Advokaten Leuchs zu sprechen: „Die zeitgenössische Bibliographie enthält vom Jahre 1795 an verschiedene Werke, die Geist vom Geiste der Palmschrift verraten. Eines von diesen ist betitelt: 'Versuch einer auf Thatsachen gegründeten und freimüthigen Charakteristik der Kaiser und Könige Deutschlands', von Dr. Johann Georg Leuchs, erschienen in fünf Teilen 1796 bis 1807 in der Buchhandlung Stage zu Augsburg. Mit diesem Verlag arbeitete Palm nach Ausweis seines Geschäftbuches schon seit 1796. […] Aufrichtig dankbar begrüßte ich Wills ausdrückliche Erwähnung, daß Leuchs Verfasser verschiedener anonymer Schriften und Mitarbeiter an der Erlanger Zeitung für das Fach der Geschichte und des deutschen Staatsrechts war. In der Familienchronik der Leuchs (die mir der Nürnberger Berufssippenforscher Johannes Bischoff verriet) fand ich seine Selbstbiographie mit Angabe der gesamten literarischen Tätigkeit mit und ohne Angabe seines Namens bzw. Decknamens 'Der Zelant'. Es glückte mir die Entdeckung, daß Dr. Leuchs in der napoleonischen Zeit für drei Zeitungen den politischen Teil bearbeitet hat. […] Das Studium der von Dr. Leuchs bearbeiteten Zeitungen verriet mir, daß der Verfasser der Palmschrift den Stoff zum Palmbuch aus seinen Zeitungsartikeln und sonstigen schriftstellerischen Arbeiten geschöpft hat.” — „Mein Forschungsergebnis in den Leuchsischen Zeitungen ist kurz gesagt dieses: alle richtigen und schiefen Ansichten des Verfassers der Palmschrift über die einzelnen Länder, Städte, Kaiser und Kurfürsten finden sich bereits hier vor, gar oftmals sogar nahezu wortwörtlich. Ja selbst alle Kraftausdrücke der Palmschrift, die man sonst bei keinem zeitgenössischen Schriftsteller antrifft, sind in Leuchsens Zeitungen und sonstigen literarischen Arbeiten enthalten. Der Mensch kann eben nicht aus der Haut fahren, am allerwenigsten dann, wenn ihm eine Sache ganz besonders am Herzen liegt. Ich möchte nur auf folgende Ausdrücke hinweisen: 'Napoleon, der Alexander unserer Zeit ... Altäre des Bacchus … Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen … bei Bier und Wein angeschwollene Tapferkeit … Tempel der Cypria … noch dampft der Fraß aus dem gespannten Wanste … Gaskonnaden (=Windbeuteleien) … in Hiobs trauriger Lage …Die Schwermut einiger Milzsüchtigen … unstichhaltige Spinnengewebe'." Es leuchtet nicht ganz ein, wieso die ersten dieser Ausdrücke ,Kraftausdrücke' sein sollen, wenn man nicht annimmt, daß sie sich — 1941 — auch auf Hitler beziehen lassen, der im ersten Abschnitt routinemäßig als „geliebter Führer" apostrophiert wird. „[…] Nach dem Fürther Chronisten Fronmüller dachte man zuerst an den aus Erlangen stammenden Theologiekandidaten Adam Rümelein in Fürth. Wieder andere sahen den Urheber der fraglichen Schrift in dem Grafen Julius von Soden, oder im Rektor der Altdorfer Stadtschule, Johann Christian August Adler, auch im Nürnberger Advokaten Dr. Christoph Preu, im Ansbacher Gymnasialprofessor und nachmaligen Oberfinanzrat Julius Konrad von Yelin oder in Goethes Freund Johann Jakob von Willemer, vereinzelt sogar in Palms Faktor Paulus Pech.[…]"


„Ein Palmforscher machte mir folgenden Einwand: Wenn doch Justizrat Leuchs als Mann der Presse Tageszeitungen für seinen Notschrei zur Verfügung standen, warum wählte er dann die Buchform? Wohl hauptsächlich deswegen, weil auf Anordnung des Kaisers der Franzosen jedes Druckerzeugnis, vorab die Zeitung, im Fegefeuer der napoleonischen Zensur erst gereinigt werden mußte. […] Bei dieser kennt man den verantwortlichen Mann, beim anonymen Buch aber nicht ohne weiteres.


Schon seit 1803 ist ein enges Zusammenarbeiten des Justizrats mit dem Buchhändler Palm nachweisbar. Leuchs übernahm des öfteren Arbeiten für Palm und stellte ihm einmal in einer Streitsache seine Berufskenntnisse zur Verfügung.


In der Palmschrift erwähnt der Verfasser einen lehrreichen Aufenthalt in Wien. Ein noch vorhandenes Archivale enthält die Genehmigung eines Urlaubsgesuches von Dr. Leuchs zu einer Reise nach Wien.


[…] 1782 bestand er das juristische Staatsexamen; ein Jahr darauf promovierte er in Altdorf. Danach bekam er das Bürgerrecht in Nürnberg und die Advokatur. Dieser Beruf war ihm deswegen so lieb, weil man 'nirgends freimütiger reden, schreiben und selbständiger' sein kann. Das Politisieren lag ihm sozusagen im Blut. Seine Ahnen hielten im 18. Jahrhundert schon Zeitungen. Diese lasen sie abends den Stammgästen im Gasthaus Leuchs zu Lichtenau vor und kommentierten sie in ihrer Art. […]” Einen weiteren Reiz besaß für Leuchs die „[…] Advokatur. In dieser Stellung führte er mit besonderer Vorliebe jene Prozesse, die sich seine Berufskameraden nicht zu übernehmen getrauten, so z.B. die heikle Verteidigung des Mörders des Nürnberger Ratskonsulenten Faulwetter. […] Leider hat die Gattin schon ein Jahr nach Palms Tod infolge Schlaganfalls das Zeitliche gesegnet. […]" Und Hans Wecker spekuliert: „Ob nicht doch ein Geständnis des Gatten den frühzeitigen Tod der Frau herbeigeführt hat? Im Februar 1813 ging er als Advokat an das kleine Landgericht Leutershausen bei Ansbach. War ihm der Nürnberger Boden doch zu heiß geworden? Ein paar Jahre darauf ließ er sich in Herrieden nieder, 1819 endlich in Wassertrüdingen. Hier ist er am 27. August 1836 im Alter von 75 Jahren gestorben.” Im Blumenorden, wo man wohl mehr ahnte als wußte, wie sich die Dinge verhielten, scheint er sich nicht mehr gezeigt zu haben. Sein Name fehlt auf den Protokollen und Rundschreiben nach 1806.




Drohendes Verbot


Wilhelm Schmidt berichtet im Typoskript seiner unveröffentlichten Festschrift  zum 300jährigen Bestehen des Blumenordens: „Bei der Einverleibung Nürnbergs in das Königreich Bayern drohte dem Orden die Aufhebung. Doch wies der Landesdirektionsrat und Stadtkommissar Freiherr von Lochner, der hernach selbst Mitglied wurde, in einem ausführlichen Gutachten die Harmlosigkeit des Ordens nach, worauf dieser landesherrlich bestätigt wurde. Das Ordensarchiv enthält aus dieser Zeit nichts von der drohenden Gefahr. Aber am 23. 11.1906 berichtete Kreisarchivar Dr. Gg. Schrötter (Mitgl. 1006) davon, offenbar nach Akten des Kreisarchivs. Ferner teilte am 8. 4. 1921 Archivdirektor Dr. Reicke (M. 966) mit, daß das auswärtige Mitglied 268 Freiherr von Nostiz durch den bayrischen Minister von Türheim die Einstellung der Untersuchung bewirkte. Die Regierung hatte an der Benennung ,Orden' Anstoß genommen und geheime politische Umtriebe vermutet.” Die Regierung hatte offenbar noch genug vom Illuminatenorden. Auch das kann ein Motiv gewesen sein, im nächsten Jahr darüber zu beratschlagen, ob man nicht den Namen ändern solle. Doch bis dahin stand man schon anders da. Man hatte einen wunderschönen Brief geschrieben:


„Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr,


Euere Königl. Maiestät legen Endes-allerdevotest-Unterzeichnete bei allerhöchstdero erfreulichem Regierungsantritt über Nürnberg und dessen Bezirk einen stillen Wunsch ehrerbietigst zu Füßen, dessen allergnädigste Gewährung sie von ihrem jezigen an hohem Sinn für Wissenschaften und gelehrte Verbindungen sich so glänzend auszeichnenden erhabensten Vater des Vaterlandes zu ahnen und und zu erwarten berechtiget sind.


Der Nürnbergische oder Pegnesische Blumenorden — kein Orden im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern eine auf gewisse Geseze und Ordnungen unter sich verbundene literarische Gesellschaft — die ursprünglich zur Beförderung der Reinigkeit der deutschen Sprache, und zur Übung der deutschen Dichtkunst gestiftet wurde, in den neueren Zeiten aber auch zur Forschung der deutschen Geschichte überhaubt, vornehmlich aber der vaterländischen Geschichte ihre Mitglieder verbindet, und welche die Freude genießt, sich, schon im Jahr 1644. errichtet, wohl für die älteste literarische Gesellschaft in Deutschland halten zu dürfen, wagt es, Eure königliche Maiestät hierdurch um allergnädigste Bestätigung zu bitten, und Sich allerunterthänigst königlichen Schuz zu erflehen.


In dieser Absicht legen wir sowohl das Verzeichniß der dermaligen Mitglieder, als auch die bestehenden Geseze mit an, um Eure königl. Maiestät von der Unschuld und Gemeinnüzigkeit dieser Verbindung pflichtschuldigst zu überzeugen. Unter dem Scepter des weisesten und mildesten OberHerrns, dem uns die ewige Vorsehung übergab, und Allerhöchstwelchem schon im voraus unsere Herzen mit der freudigsten Unterwerfung huldigen, ehe wir noch förmlich dazu aufgerufen sind, werden in Nürnberg Wissenschaften und Künste immer mehr aufblühen, und auch unser Blumenorden eine höchstgünstige Epoche beginnen.


Indem wir nun unsre allerdevoteste Bitte um landesväterliche gnädigste Bestättigung dieser unserer Verfassung und Rechte nochmals zu wiederholen uns unterstehen, so genießen wir zugleich die höchste Gnade, uns [unterthänigst


Eurer königl. Maiestät


[allergetreueste


J.A. Colmar, Präses,


B.W. Zahn, Consulent,


J.F. Frank, Consulent,


E.G. Müller, Secretär.


Den 10. September 1806


Überreicht bey dem K. Landes-Commissariat, durch Herrn Präses und mich, den Secretär, den 22. September 1806.”


Man erstickt schier am Schleim, aber die Sache tat Wirkung. Am 3. November konnte sich der Präses vorsichtig Hoffnung machen:


„[…] Hierauf machte


3.) Herr Präses bemerklich, daß die heutige Versammlung des, unter Reichsstädtischer Verfassung aufgeblühten Ordens, die erste seye, welche unter einer nunmehr geänderten Regierung gehalten würde, wobey aber der Orden [nachträglich eingefügt] bei der bekanten Vorliebe des Königs in Baiern Majestät für die Wissenschaften und deren Kultur [Ende Einschub] gewiß nichts verliere; und daß es allerdings Pflicht gewesen seie, von dem neuen allergnädigsten Landesherrn huldvolle Protection dieser litterarischen Anstalt zu erbitten. In dieser Absicht habe der Herr Präses in Begleitung des Secretärs, am 22. September eine, vom Herrn Ordens-Consulent Frank verfaßte Bittschrift, welche iezt vorgelesen wurde, bey dem Königlichen General-Landes-Commissariat übergeben, und es wäre unzweifentlich nach den Äuserungen und Gesinnungen des Herrn General-Landes-Commissars, Herrn Grafen von Thürheim sowol, als dessen Stell-Vertreters, Herrn Baron von Lochners, viele Begünstigung des Ordens zu hoffen. Herr Präses schloß diesen Vortrag mit den ehrerbietigsten und besten Wünschen für den neuen Beherrscher Nürnbergs, und mit dem Ausruff: Es lebe der König! In welchen die Gesellschaft einstimmte. […]


6.) Selbiger [Präses] machte sich hierauf die Mühe, aus einem Blat des Kameral-Correspondentens, eine, den Blumen-Orden betreffende Stelle, vorzulesen, bei welcher Gelegenheit derselbe auch


7.) zur Erinnerung, wie früh in Nürnberg gute PolizeiAnstalten herrschten, die minder bekannten […] dergleichen Anordnungen aus dem XV., u. dem ersten Drittel des XVI. Jahrhunderts vorlegte.” So frech guckten die Herren immerhin unterm Tisch hervor, daß sie für sich selbst und ad protocollum festhielten, man habe ja schon früher eine gute Staatsordnung gehabt.




Unbotmäßige Unterströmung

Unterdessen konnte man freilich von dem einen oder anderen, auch auswärtigen Mitglied Töne vernehmen, die auf die Freiheitskriege hindrängten. Einer, der mit demselben Recht oder Unrecht wie Palm hingerichtet hätte werden können, war der ehemalige Altdorfer Student und Freund Kiefhabers aus Württemberg, Johann Gottfried Pahl. „Euer Hochwohlgebohren haben die Güte gehabt, mir durch meinen […?] Freund, den Herrn Registrator Kiefhaber, das Diplom zustellen zu lassen, welches meine Aufnahme unter die Zahl der Ehrenmitglieder […] ausdrückt. […]

Je mehr die politischen Ereignisse der Zeit die teutsche Nationalität bedrohen, u. die einzelnen Zweige eines grossen u. ruhmvollen Stammes trennen; desto herzlicher wird der patriotische Mann sich jedem Bunde anschliessen, der darauf berechnet ist, die Nationalgüter zu erhalten, welche, da sie im inneren Heiligthume des Menschen nieder gelegt sind, äussere Stürme so leicht nicht berühren, nämlich teutsche Wissenschaft und Kunst u. teutsche Sitte. […] daß ich die in der Geschichte des teutschen Geistes so ausgezeichnete Stadt Nürnberg von jeher mit einer Empfindung von Vorliebe zu betrachten gewohnt war, — daß ich mich meines ehemaligen Aufenthaltes in Altdorf nie anders, als mit Dank und Freude erinnere […]

Neubronn, Kreis Ellwangen, am 26. Dezember 1807”

Anläßlich des Todes jenes später Generalsuperintendent und ,von Pahl' gewordenen Herrn erfreute der ,Schwäbische Merkur' am 3. und am 4. Juni 1839 seine Leser mit biographischen Enthüllungen über dessen bewegte politische Vergangenheit (im Vormärz auch nicht ohne Pikanterie). „[…] Er bezog nunmehr im Jahr 1784 als Jüngling von 16 Jahren unmittelbar von der lateinischen Schule aus die kleine Nürnbergische Universität Altorf, die er aber aus Dürftigkeit, nach kaum zweijährigem Aufenthalte, wieder zu verlassen genöthigt war […] 1790 wurde er zum Pfarrer in Neubronn ernannt, wo er 18 Jahre als solcher wirkte […] Mächtig anregend wirkte auf ihn der Ausbruch der, in ihren Wirkungen noch fortdauernden Französischen StaatsUmwälzung, u. trug hauptsächlich dazu bei, ihn von den philosophischen und theologischen Wissenschaften, denen er emsig oblag, auf das Studium der Geschichte und Staatswissenschaften hinzulenken […]” — „Im Jahre 1797 nämlich ertheilte ihm sein Gutsherr, der K. K. FeldmarschallLieutenant Frhr. V. Werneck, der mit einem Corps von 25,000 Mann gegen die fast dreifach überlegene Französische Sambre- und MaasArmee unter dem General Hoche den Niederrhein von Neuwied bis Mainz zu decken hatte, aber ohne seine Schuld in Folge erhaltener fehlerhafter Instruktionen nach Frankfurt zurückgedrängt worden war […] den Auftrag, ihm seine Vertheidigungsschrift zu fertigen […] mußte, von den Franzosen unter dem Prinzen Murat umzingelt, mit den Resten seines Corps bei Nördlingen die Waffen strecken. Auch in dieser Noth war es sein Freund und Rathgeber Pahl, der […] nicht nur die schriftlichen Verhandlungen mit den Französischen MilitärBehörden […] leitete, sondern auch […] die Rechtfertigung des Generals an den K. K. Hofkriegsrath in Wien verfaßte […] Im Jahr 1806 wurde er fälschlich als Verfasser der durch den unglücklichen Palm in Nürnberg berühmt gewordenen Schrift: Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung, bei den in Schwaben liegenden Franzosen denunzirt und befand sich in der augenscheinlichsten persönlichen Gefahr. Die Vorbereitungen zu seiner Festnehmung waren bereits getroffen, als mehrere Freunde, die er unter den meist piemontesischen Offizieren eines in und um Neubronn kantonnierenden Französischen Infanterieregimentes zählte, zeitig genug warnten […Er erhielt…] 1808 die Pfarrstelle in Affalterbach […] Verbittert wurde sein dortiger Aufenthalt dadurch, daß der Einfluß der über dem Vaterlande lastenden Tyrannei des Französischen Kaiserthums die Unterdrückung seiner politischen Zeitschrift: Nationalchronik der Deutschen, unter den unzartesten Formen herbeiführte. […] 1814 wurde ihm die Pfarrei Vichberg übertragen, wozu später noch das Dekanat der Diözese Gaildorf kam […] Sobald aber das konstitutionelle Interesse des Vaterlandes nach der Julius revolution wieder lebhafter erwachte, wurde er von dem Oberamtsbezirke Göppingen […] zum Abgeordneten gewählt, bald darauf aber durch seine Ernennung zum Prälaten und Generalsuperintendenten von Hall von Amts wegen in die Kammer berufen.”

Was der Blumenorden ganz unmittelbar zu spüren bekam, als die neue Herrschaft sich einrichtete, war der Verlust seines bisherigen Versammlungslokals. Die Rathausvogtei, schon zum Jubiläum von 1794 als Bankettsaal gewählt, war nach dem Fremdenführer von Nopitsch „im Hintergebäude des Rathhauses, und hat deren Inhaber nebst dem Aufwarter vor der Rathsstube die Aufsicht über die Zimmer des Rathhauses. Ersterer, der den Titel Rathhaus- auch schlechthin Hausvogt heist [sic], hat das Recht zu traktiren und Wein zu schenken. Es sind auch Zimmer für Konferenzen und für Staatsgefangene allda.” Das wurde abgewickelt, eingespart, fiel einer Straffung zum Opfer, oder wie man sagen will: „Vordersamst wurde von Herrn Präses bemerkt: Die erfolgte neue Staatseinrichtung habe die Rathhausvogtey aufgelößt u. deren Wirthschaft habe bereits aufgehört, dieß habe die Wahl des gegenwärtigen Versammlungsort [sic] veranlaßt, über dessen fernere Beybehaltung am Ende der heutigen Sitzung sich näher zu berathen seyn möchte.[…]” Von da an traf man sich im ,Goldenen Radbrunnen'.

Dies war politische Wirkung aus der Froschperspektive. Die idealistische Sicht gab es im Orden aber ebenfalls: „[…] Kühn darfst du dich anreihen an jene großen Worte: Gott und Unsterblichkeit, Ewigkeit, Wahrheit und Freiheit; denn verwandt bist du mit ihnen in mehr als einer Beziehung! […] so wird denn dies dunkle  Ahnen des angehörens — örtlich — und die magnetisch anziehende Kraft homogener, die abstoßende heterogener Zusammensezungen, beides in weiterem, Länder umfaßenden Sinne genommen, ist bei Millionen was wir, Liebe zum Vaterland nennen. […] Und heimisch fühlt er sich auf dem Boden, der seiner ersten Freuden und Leiden wenn gleich stummer und gefühlloser Zeuge war. Ihm scheinen alle Umgebungen anzugehören; indem ihr Bild in seiner Seele sich abdrückt, glaubt er ein EigenthumsRecht auf sie zu bekommen, das sich jedoch einzig nur in der wohlthätigen Empfindung ihrer Nähe äußert.

[…] Was du bist, dankst du dem Vaterland — dein Selbst fordert das Vaterland zum Lohn dafür. […]

[…] Soll ich fragen, wem dienen nun diese Kräfte? Wem bringt nun die arme Menschheit ihr Leben zum Opfer? Was wird ihr nun zum Lohne dafür?

[…] wenn auch die Würde des Menschen ferner so verkandt werden sollte, daß man sie Futter für Pulver nennt, daß man sie zält, wie eine Heerde, daß man sie verschenkt, verkauft, vertauscht wie die gemeinste Waare, mit einem Wort, daß man mit ihnen das empörendste, das gräslichste Spiel treibt, und dennoch von ihnen Treue und Anhänglichkeit, ja sogar Liebe fordert, während man alle Verträge mit denselben bricht […] — nichts soll die heilige Liebe zum Vaterland auslöschen! Es sind vorübergehende Quälereien! Unser Eigenthum, unser Selbst — vermag uns keine Macht zu rauben; kein Wechsel der Herrscher kein Aufdringen fremdartiger Formen, selbst keine politische Vernichtung kann uns — uns selbst untreu machen. […]

Ein tugendhaftes, ein rastlos thätiges, ein freudig dem Interesse des Ganzen seine Kräfte opferndes, ein nüchternes, mäßiges, treues Volk — kann — wird — muß es nicht sich die Achtung seines Beherrschers erzwingen? […]” — Glaub's nur, Harless.

1814 wird die Stimmung allmählich fiebrig. Ob es dem bayrischen König von Napoleons Gnaden paßt oder nicht — seine Kehrtwendung zum Banner der Alliierten vollführt er ja in aller Öffentlichkeit und stößt damit bestimmt Teile seines Staatsvolks vor den Kopf — wird jetzt in vielen Schriften der fallende Fels noch gestoßen, und der Blumenorden ist auch dabei. Am 31. Oktober bittet Mainberger in einem Brief den neuen Präses Seidel, daß von den „für den bewußten Zweck„ eingesandten Almanachen und Schriften in der nächsten Sitzung eine Auswahl von Gedichten eines gewissen Feuerlein vorgelesen werde, und zwar u.a. ,Palm — als Eingang zur Schilderung der Thaten des grossen Teufels — Moskau — als Wendepunkt seines Glücks'.



Man findet sich mit Bayern ab



Im Sitzungsprotokoll vom 12. Februar 1816 steht, überraschend für uns, lange vorherzusehen von den damaligen Beteiligten: „[…] 2.) Wir haben heute das erstemal das Vergnügen Herrn Policeidirektor Wurm als ordentliches Mitglied des Blumenordens in unserer Mitte zu sehen. […]”


Rainer Mertens bringt die Stellung dieses Mannes auf den Punkt: „Oberstes Organ der staatlichen Gewalt war nun [ab 1806] die Polizeidirektion. Deren Leiter Christian Wurm war der eigentliche ,starke Mann' in Nürnberg und verwaltete die Stadt in den nächsten zwölf Jahren mit einer von der Seite der Gemeinde praktisch uneingeschränkten Machtfülle.” 1809 geschah ihm bei einem Volksaufstand anläßlich des Vorrückens österreichischer Truppen ein vorübergehendes Mißgeschick: „[…] der ,Pöbel' überließ den Österreichern bei ihrem Abzug neben Thürheim [der gegenüber der zusammengelaufenen Rotte ungeschickte Worte gebraucht hatte] und Wurm vier Großkaufleute als Geiseln […]” 1816 war seine Stellung längst gefestigt und seine Beziehungen zu den nürnberger Honoratioren schon ziemlich gut. Er hatte 1811 sogar einer Ausweitung der Befugnisse des ,Munizipalrates', des damaligen Stadtrates, das Wort geredet.


Beflissen wie stets, wenn es um günstig erscheinende Beziehungen des Blumenordens zu den jeweiligen Machthabern ging, ließ sich Präses Seidel anläßlich eines Besuchs des Grafen Drechsel am 25. August 1817 vernehmen:


„Hochgeborner Herr Reichsgraf, Hochgebietender Herr RegierungsPräsident!


Ihre Gegenwart, mit der Sie uns beehren, macht die heutige Zusammenkunft der Mitglieder des alten schon 173 Jahre bestehenden Blumenordens zu einem ausgezeichneten Feste. […] Der Blumenorden, nicht wie sich das Konversationslexikon ausdrückt zu einer Privatgesellschaft, wie es schiene, allmählig rückwärtsschreitend, trägt vielmehr den Charakter einer solchen Gesellschaft seit seiner Entstehung an sich […] Der Genius der Zeit, der schaffende, kann einst aus diesem Vereine wieder etwas Wirksameres bilden, und wenn selbst — lassen wir die Gesellschaft nur nicht erlöschen — einst unter günstigen Umständen, Männer eine ähnliche neu begründen wollten, sie würden sich freuen, schon eine Firma vorzufinden, deren Alter an und für sich ehrwürdig ist. […] Euer Exzellenz haben es wohlwollend gestattet, daß HochIhnen das Diplom eines Ehrenmitgliedes unterthänig überreicht werde, und die Annahme der Urkunde darüber krönt den heutigen Tag mit einem unverwelklichen Kranze. […]” Die Hinweise auf den Blumenorden klingen seltsam verzagt. Ob dies damit zusammenhängt, daß gleichzeitig auch eine neue Satzung zur Debatte stand, wird später abzuhandeln sein.


Irgendetwas scheint bei der Überreichung der Urkunde dazwischengekommen zu sein, oder  — was immer denkbar ist — bei der Datierung der Rede außerhalb des Protokollzusammenhangs ist ein Versehen unterlaufen, denn Drechsel wird erst seit der Sitzung vom 23. Oktober 1817 als Mitglied geführt: „Da der pegnesische Blumen-Orden sich mit der erfreulichen Hoffnung schmeicheln darf, daß Seine Excellenz der Herr Präsident Graf von Drexel geneigt seyen, eine Versammlung desselben mit Höchstihrer Gegenwart zu beehren; so siehet sich der Vorstand desselben hiedurch veranlasset, auf künftigen Donnerstag den 23sten d.M. die erst im kommenden Monat November zu haltende Ordens-Versammlung zu veranstalten, weil Höchstgedachter Herr Präsident, zuverläßigen Nachrichten zufolge, an gedachtem Tage allhier eintreffen und sich bey dem hiesigen Künstler-Verein zu feierndem Jubelfeste einzufinden geruhen wollen. […] Es sollte zwar bey dieser Versammlung über die Aufnahme folgender Personen ballotirt werden, nemlich:


1) des Königlichen Herrn Oberpostmeisters von Axthelm, welcher zugleich mit des Herrn Grafen von Drexel Excellenz dieser Sitzung beyzuwohnen und als Mitglied des Ordens aufgenommen zu werden wünscht; […]


da aber durch diese Ballotage die Zeit zur Vorlage wissenschaftlicher Gegenstände beschränkt werden dürfte; so werden sämmtliche Mitglieder ersucht, für diesesmal ausnahmsweise über die Aufnahme bemeldter Personen auf folgende Weise abzustimmen, daß sie auf dem ihnen vorgelegt werdenden Verzeichniß der Aspiranten ihre Abstimmungen neben den Namen derselben nur mit Ja oder Nein beysetzen und diese Zettel sodann in die Büchse stossen, wobey es sich von selbst versteht, daß die Herren Votanten, um die Wahlfreyheit uneingeschränkt auszuüben, ihre Namen nicht beyzufügen brauchen. […]”


Graf Drechsel kommt ja in den Memoiren des Ritters von Lang so übel weg, daß sich neuere Forscher wohl aus Mitleid zu seiner Verteidigung aufgeschwungen haben. Die Schilderung seiner Persönlichkeit durch Lang ist aber so köstlich und kontrastiert so wohltuend den Schmeicheleien des damaligen Ordenspräses, daß sie zum Ausgleich hier auszugsweise zitiert sei: „Herr von D. war übrigens ein schaukelndes, hüpfendes, mageres Männlein, mit unmäßiger Eitelkeit und der Sucht, überall seine Glorie zu repräsentieren, gefeiert, besungen, angeblasen, beleuchtet, bedonnert, bekracht zu werden, verschwenderisch aus dummer Eitelkeit und in seinen gemeinen Lüsten, und in andern Stücken nicht minder schmutzig und geizig, ebenfalls aus Dummheit. Ueberall und in allen Stunden und Orten jagte oder peitschte ihn eine gewisse Befangenheit und Unruhe, die nicht von einem faden, leichtfertigen Gemüth, sondern von irgend einer geheimen Aengstlichkeit und einer tiefern Verletzung des innern Friedens hervorzugehen schienen.”


Man machte seinen Frieden mit Leuten, die selbst denkbar ungeeignet schienen, den Frieden nach den napoleonischen Kriegen mit sinnvoller Tätigkeit für das Allgemeinwohl zu erfüllen, und bejubelte 1818 eine bayerische Konstitution, die ein Betrug an den Freiheitskämpfern und ihren Idealen war:


„[…] Die zweite Ursache der Vertagung unserer Zusammenkunft war ein für Nürnbergs Bürger fröhliches, einziges Fest. Unser erhabener König, die Winke des Zeitgeistes achtend gab Seinem Volke, nach [unleserlich], die landständische und Städtische GemeindeVerfassung. Was durch Geist des Schreckens, der über Europa hinzog vernichtete [sic], ward in der Art neu geschaffen, wie es den jetzigen Verhältnißen passend erscheint. Der schneidende Gegensatz, zu welchem sich unter französischem Einfluß die Regierungen den Völkern entgegensetzen u. einen Zustand der Unnatur, die sich zuletzt selbst zerstört, hervorbringen mußten, ward aufgehoben; die Gemeinden dürfen wieder für sich selbst sorgen, das Volk wieder freien Zutritt zu dem Thron, die Stummen haben wieder eine Sprache, und ehrerbietig bittende Worte nicht durch fremde Zungen aussprechen zu dürfen. So hat auch unsere gute, schöne, heißgeliebte Vaterstadt sich nun solchen Glückes zu erfreuen, und der Blumenorden, welcher unter die Gegenstände seiner Aufmerksamkeit besonders die Nürnbergische Geschichte stellt, nimmt [Ende des einzeln eingelegten Blattes; Fortsetzung fehlt.]”


Damit war der Blumenorden in politischer Hinsicht im Biedermeier angekommen.




Die Aufnahme Wielands



Daß es in jenen Jahren auch einen Lichtblick gab, verdankt der Orden weniger seiner eigenen Initiative, sondern einem zunächst hochnäsig übergangenen Individuum. Wie erinnerlich, hatte 1806 außer Graf von Thürheim auch ein Freiherr von Nostiz daran mitgewirkt, daß der Orden nicht rundweg von der bayerischen Regierung verboten wurde. Nachzutragen ist, wie Nostiz überhaupt zum Orden kam.


In der Sitzung vom 3. Februar 1806 berichtete der Präses über „9.) eine Zuschrift […] an den Ordens-Sekretär, vom Herrn Ludwig von Nostiz, Fähnrich in Chursächsischen Diensten zu Chemniz. Da aber von des leztern Person oder litterarischen Verbindungen nichts bekannt ist; so trugen Herr Präses [Colmar] darauf an, daß, zu Ersparung einer mündlichen Abstimmung darüber ballotirt werden möchte; ob derselbe als EhrenMitglied in Vorschlag gebracht und das nächstemal über dessen Aufnahme ballotiert werden solle. Dies geschah, und die Mehrheit der schwarzen Kugeln entschied dafür, daß selbiger gar nicht vorzuschlagen seye; wovon ihm also von dem Ordens-Secretär Nachricht ertheilt werden wird.”


Nostiz, den man wohl einen geschickten Karrieristen nennen kann, hatte aber seine Sache von verschiedenen Seiten betrieben. Im Archiv befindet sich ein Begleitschreiben zu zwei Nostiz-Briefen in der Angelegenheit der Mitgliedschaft, das von dem letzten Rektor der Altdorfer Universität und Ordensmitglied Johann Andreas Sixt-Sophron am „23. Maii 1806” an den Orden, wahrscheinlich an den Präses, gerichtet ist. Sixt weist darauf hin, daß es Nostiz gelungen sei, eine Empfehlung des Herrn Dr. Johann Georg Rosenmüller zu erlangen. Dieser, Professor in Leipzig, war 1775 unter dem Ordensnamen Aletophilus aufgenommen und 1806 Ehrenmitglied geworden. Nun sah die Sache schon anders aus. In der Sitzung vom 11. August 1806 „4.) […] kam doch, auf ein indessen von dem Herrn Superintendent Rosenmüller in Leipzig, an Herrn D. Sixt zu Altdorf erlassenes Empfehlungs-Schreiben für ermeldeten Herrn von Nostiz, anheute zur Anfrage, ob selbiger nicht doch aufzunehmen seye, und es wurde sogleich darüber ballotirt, auch durch die Mehrheit der Stimmen dessen Aufnahme beschlossen.”


In welchem hohen Maße sich Nostiz erkenntlich zeigte, wird aus einem Schreiben deutlich, das Thürheim selbst an ihn richtete. Eine Abschrift ging an den Ordensschriftführer Müller und ist deswegen im Archiv erhalten:


 „Hochwolgebohrner Freyherr!

Seiner K. Maiestät haben mir durch allerhöchstes Rescript vom 24. d. M. den Auftrag ertheilt, Eurer Hochwolgeb. auf ein, an das Ministerium zu München gestelltes Anschreiben zu eröfnen, daß Allerhöchstdieselbe dem Pegnesischen Blumen Orden in Nürnberg, den landesherrl. Schuz, und die desiderirte Bestättigung gerne gewähre. Mit dieser Erledigung meines Auftrags verbinde ich zugleich die Versicherung des besonderen Interesse, welches ich meines Orts an dem belobten Orden nehme, so wie diejenigen hochachtungsvollen Gesinnungen, mit welchen ich zu beharren die Ehre habe,


Ew.Hochwolgeb. gehorsamster Diener

Gr.v.Thürheim


Ansbach, den 30. September 1806

Concordatcum originali, id quod testatur

Müller, Secret.”


Nostiz hatte bei alledem ein weiteres Eisen im Feuer, und es ist nicht auszuschließen, daß die Mitgliedschaft im Blumenorden dazu nur ein Zwischenschritt war. Zwei weitere Kopien eines Briefwechsels, aufbewahrt im Ordensarchiv, werfen ein wenig Licht auf seinen Ehrgeiz:


„Der Großherzoglich Hessische Kammerjunker, Ludwig Freiherr von Nostiz Drzwiecky aus Chemnitz in Kursachsen hat bei des Königs Majestät um die Erhebung in den Grafenstand und um Verleihung eines Ordens gebetten, und Allerhöchstdieselben haben dem Königlichen Generallandkommissariat den Auftrag gegeben, über die persönlichen  und familiärenVerhältnisse dieses Freiherrn von Nostiz nähere Erkundigung einzuziehen. Da derselbe Mitglied des Pegnesischen Blumenordens ist, so erhält der Königliche StadtMagistrat den Auftrag, durch den Vorstand dieses Ordens über die zwei obenbemerkten Punkte genauere Erkundigung einzuziehen und ein Resultat binnen 3 Tagen unfehlbar zu berichten.


Nürnberga m 3. Januar 1807”


„Nürnberg den 6. Januar 1807


Bericht des Pegnesischen Blumen Ordens den Freiherrn von Nostiz betreffend


Dem ehrerbietig unterzeichneten Orden ist von den persönlichen u. familiären Verhältnissen des Herrn von Nostiz gar nichts bekannt.

Dieser meldete sich vor Jahr und Tagen, ohne einen anderen Karakter anzugeben, als den, eines Kursächs. Fähnrichs, um die Aufnahme.

Er war in jeder — u. also auch in literarischer Hinsicht den Mitgliedern ganz unbekant; […]

Indessen fand seine Vorliebe Gelegenheit, sich durch ein Ehrenmitglied, den würdigen Herrn Dr. Rosenmüller zu Leipzig, ob ihn dieser auch gleich nicht kante, vorzustellen und solches durch ein anderes Mitglied, Herrn Dr. Sixt zu Altdorf unterstützend vortragen zu lassen.

Da nun die Bemerkung beigefügt wurde, daß, eingezogener Erkundigung nach, Hr. v. Nostiz von Seite seines moralischen Karakters der Empfehlung würdig ist, u. daß er sich durch Liebe zu den Wissenschaften vor vielen seines Standes auszeichnet: so hat auch der Orden in allen diesen Rücksichten, seine nicht unedlen Wünsche erfüllt […]

Dem Orden war zwar der gräfliche Stand einer Linie der von Nostiz, welche wegen Rinerk [?] Siz und Stimme unter den fränkischen Reichsgraven erhalten hatten nicht unbekant; auch hatte das Wappen auf seinen Briefen einige Aehnlichkeit mit dem grävlich Nostizischen: von welcher Linie aber der genannte ist, hierüber hatte der Orden keine Nachfrage gehalten […]”


Dies klingt nicht nur kleinlich und überheblich, sondern im Grunde ängstlich und undankbar. Nostiz hingegen ließ sich nicht lumpen. Er hatte eine völlig unbefangene Art, Beziehungen zu knüpfen, die im Blumenorden bis heute selten ist. Heutzutage wäre er Public Relations Manager in einer großen Firma bzw. Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei einer Partei.


„Abschrift

An den Freyherrn von Nostiz.


Hochwolgebohrner Freyherr!


Ew. Hochwolgebohren verzeihen gütigst, wenn ich mich in Beantwortung Dero verehrl. Zuschrift vom 16. Pass. aus Mangel an Muße so kurz als möglich fasse.

Ich ehre alle löbl. alte Institute, und besonders alles, was dieser Art in der ehrwürdigsten aller ehemals-deutschen Reichsstädte, die seit mehr als vier Jahrhunderten so viele Verdienste um Kunst, Wissenschaften und Litteratur in Deutschland hat, in Nürnberg entstanden ist. Ob ich nun gleich nach äusserl. Ehrenzeichen nie getrachtet habe, und ohne mein Zuthun bereits die Ehre habe, Mitglied der, von dem großen Friederich erneuerten K. Preuß.-Akademie der Wissenschaften in Berlin, von dem Institut National de France, und von mehreren andren gelehrten Gesellschaften zu seyn; so würde ich mirs doch zur Ehre schäzen, auch dem, in mancherley Rücksicht Ehr und Achtungwürdigen Pegnesischen Blumen-Orden anzugehören, insofern es unter der zweyfachen  Voraussezung Statt fände, daß mir diese Ehre von dem Orden aus eigener Bewegung ertheilt, und ich dadurch zu keinerley Art von litterarischen Beyträgen verbindl. gemacht würde, als wovon ich sowol meines hohen Alters, als einer Arbeit wegen, für welche der Rest meines Lebens bestimmt ist, billig zu dispensiren bin. Übrigens bitte ich Ew.-p. für alle in Dero Zuschrift mir bezeugten äußerst verbindl. Gesinnungen meinen besten Dank und die Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung anzunehmen, womit ich u seyn die Ehre habe,


Ew.-p.

ganz-gehorsamster Diener


Wieland.

Weimar den 5. März 1807.


Sämtl. Communicata folgen hierbey angeschlossen zurück.”


Dies war, als es den Orden erreichte, eine Sensation. Man hatte sich an manche Politiker von unterschiedlicher Tüchtigkeit und Reichweite herangewagt, um dem Orden als einer Institution das Fortleben zu sichern, doch vor den Weimaraner Großen der Dichtung, die man ja eigentlich verehrte, hatte man zurückgeschreckt, obwohl eine Kontaktaufnahme den inhaltlichen Zielen des Ordens entsprochen hätte, nur aus der Ängstlichkeit heraus, sich eine in der Öffentlichkeit bemerkte Absage zu holen. Daran mitbeteiligt mag Schillers unbedachtes Xenion gewesen sein. Nun war, was Wieland betraf, diese Sorge unnötig. Am 10. August 1807 „[…] trug Herr Präses vor, daß nach einer, von dem Ehren-Mitglied Freyherrn von Nostiz an den Ordens-Secretär erlassenen Nachricht, der berühmte und allgemein geschäzte Dichter, Wieland, wie dessen beygelegtes AntwortSchreiben an Herrn von Nostiz zu erkennen gäbe, nicht ungeneigt seye, dem Blumen-Orden, als Ehren-Mitglied, beyzutretten, und daß, um sich dessen gewiß zu versichern, der Vorstand bey Herrn Hofrath Wieland dieserwegen schriftlich angefragt, auch ein, in sehr wolwollenden Äuserungen abgefaßtes Antwort-Schreiben erhalten habe, welches sogleich abgelesen wurde. Die Freude über diesen, dem Orden wahre Ehre bringenden Beytritt, war allgemein, und die Aufnahme des Herrn Hofraths Wieland stellte sich bey dem Ballotement als einstimmig dar. Auch wurde die Anhänglichkeit und Verwendung des Herrn Lieutenant von Nostiz mit Dank erkannt, und dies ihm zu erkennen zu geben, der Ordens-Secretär beauftragt.”


Wielands abermaliges Antwortschreiben aber sieht so aus:


„Hoch-und wohlgeborne, Hochverehrte Herren, Indem ich das Vergnügen habe, Ew. Hoch-und Wohlgeb. den richtigen Empfang des verehrlichen Schreibens vom 15. August d. J. anzuzeigen, womit Sie das Diplom meiner Aufnahme unter die Ehrenmitglieder des Preiswürdigen Pegnesischen Blumenordens, und dessen Beylagen, zu begleiten die Güte gehabt haben, erneuere ich den gefühlvollen Dank, welchen ich Ihnen in meiner vorigen Zuschrift für die mir damahls zugedachte Ehre bezeugte, nunmehr für die wirklich erhaltene, mit allen Gesinnungen, welche die natürliche Folge der hohen Verehrung sind, die ich für die Stadt Nürnberg hege, für diese ehrwürdige Mutter und Pflegerin so vieler großer und vortrefflicher Männer, die im 15.,16., 17. Jahrhundert dem deutschen Nahmen in allen Fächern der Wissenschaften und Künste Ehre gemacht, -- die Stadt, deren uralte glänzende Verdienste und Vorzüge sie auf ewig zu dem, was sie vor 300 Jahren wirklich war, zu Deutschlands Hauptstadt hätten machen, und auf eine ganz andere Art als geschehe nist, hätten anerkannt und belohnt werden sollen. In dieser Rücksicht vornehmlich lege ich, dem sonst dergleichen Auszeichnungen sehr gleichgültig sind, keinen geringen Werth darauf, meinen Nahmen einem Gelehrten-Orden einverleibt zu sehen, dessen Wiege die Stadt Nürnberg war; um so mehr, da er nicht bloß mit den Blumen- und Eichenkränzen der Vorfahren prunkt, sondern noch izt so manche würdige Männer in seiner Mitte hat, mit welchen, durch die Aufnahme in denselben in näherem Verhältniß zu stehen, mir besonders angenehm und ehrenvoll ist. Nur möchte ich, wenn das Unmögliche zu wünschen nicht Thorheit wäre, mich um 30 oder 40 Jahre verjüngen können, um diese meine Gesinnungen, durch wirkliche Bemühungen zur Aufnahme, zum Glanz und zum Nutzen des Ordens mitzuwirken, auf eine reelle Art bethätigen zu können. Indessen werde ich mirs zur Pflicht machen, sobald ich von meinem dermahligen Landaufenthalt in die Stadt zurückgekommen seyn werde, durch ein und andere Beyträge zur Bibliothek des Ordens, demselben wenigstens meinen guten Willen darzuthun. Übrigens, Meine Hochverehrten Herren, bitte ich Sie, mir Dero schätzbares Wohlwollen noch ferner zu erhalten, und der ausgezeichneten Hochachtung versichert zu bleiben, womit ich lebenslänglich die Ehre habe zu beharren, Dero gehorsamster und ergebenster Diener, Wieland. Belvedere bey Weimar den 11. Septemb. 1807. N.S. Ich würde diesen Brief für Sie abschreiben lassen, wenn ich nicht glaubte, daß Ihnen meine eigene 75jährige Hand, trotz der lituren [Ausbesserungen], lieber wäre als die zierlichste Abschrift."

Soweit der eigenhändige Brief. Christoph Martin Wieland gilt seit dem 10. August 1807 als Ehrenmitglied.


Mit dem Einfädeln dieser höchst ehrenhaften Beziehung war die Mitarbeit des Mitgliedes Nostiz nicht zuende. Es erwies sich, daß seine Anteilnahme am Orden durchaus bis zur Mitarbeit gedieh. Am 3. Februar 1812 „5.) legte Hr. Präses das Geschenk des Großherzogl. Hessischen Kammerjunkers Ludwig Fhn. v. Nostiz Drzwieky vor, das derselbe unter dem 25. Oct. v. J. aus Zeitz überschickte. […] „Vermischte Aufsätze aus den Papieren eines Deutschen". Der Hr. Vf. hat sie der Kön. Sächs. Landwirtschafts-Gesellschaft in Thüringen, dem pegnesischen Blumenorden u. der allgemeinen Kameralistischen ökonomischen Societät in Erlangen dedicirt. […]” — wie immer gleich ein Netzwerk aufbauend.


Von weiterer Mitarbeit Wielands verlautete nichts mehr. Er war einfach zu betagt. Als er verstorben war, wollten die Pegnesen jedoch seine Mitgliedschaft nicht in Vergessenheit fallen lassen und beschlossen, ihm ein Denkmal im Irrhain zu errichten. Daß es dabei wieder ein wenig kleinkariert zuging, ist aus den beklemmenden Zeitverhältnissen zu verstehen. „6.) Referirte Herr Präses, daß zu Folge des, bey der lezten Versamlung gemachten Antrags, bald darauf, nämlich am 15. Febr. der Vorstand und Ausschuß zusammen getreten seye, um zu berathschlagen, was von Seiten des Ordens, zum Andenken seines Ehren-Mitglieds, des unsterblichen Dichters, Wieland, unternommen werden könne. Es wäre dabey in Vorschlag gekommen, im Irrhain ein Monument von Stein, als ein bleibendes Denkmal errichten zu lassen, und vor der Hand habe hiezu Herr Bau-Inspektor Keim, auf Ersuchen, eine Zeichnung, welche zugleich vorgelegt wurde, gefertigt, deren Ausführung aber über 100. fl. kosten würde.

Da dieser Aufwand zu groß schien, so zeigte Herr Präses eine, von ihm selbst gemachte Zeichnung, in Form eines Obelisk, welche nicht nur des weit geringeren Aufwands, sondern auch der Simplicität wegen, besser gefiel; […]” Es war also auch eine Frage des Stils, nicht nur der Finanzen, und die Einfachheit des Wieland-Obelisken verträgt sich sehr gut mit dem Übergang vom barocken Irrgarten zum biedermeierlichen Spazierpark, verträgt sich sogar sehr gut mit der heutigen gemischten Auffassung des Irrhains als Kultur- und Naturdenkmal.


Noch biedermeierlicher, wie Schutzdeckchen auf Polsterstühlen, erscheint der Vorschlag des Dr. Lorsch vom 8. November 1813, „das in dem Irrhain errichtete Monument des unsterblichen Dichters Wieland mit einem hölzernen Gehäuse zu versehen, um solches gegen den nachtheiligen Einfluß der Witterung während der rauhen Wintermonate zu schützen”, und, wie man sieht, hat es längst ungeschützt überdauert. Es war 1989 durch einen umstürzenden Baum beschädigt, dann aber wiederhergestellt worden, und es trägt auf der von neuem angebrachten Tafel die alte Inschrift mit dem (falschen) Datum der Aufnahme Wielands:„ MDCCCVIII”.

Pflege des Irrhains



Zur allmählichen Umgestaltung des Irrhains in besagten Spazierpark gibt es in den überlieferten Archivalien manche Hinweise. Das Wort ,spazieren' selbst erscheint wohl zuerst im Zusammenhang mit dem Irrhain, als noch Präses Panzer ein Einladungsschreiben zu dem keineswegs terminlich feststehenden Sommerbesuch herumschicken läßt:


„Der bey leztmaliger Versammlung des L. Pegnesischen Blumen-Ordens genommenen Abrede gemäß haben sich des Herrn Präses Hochwürden entschloßen, in soferne es die Witterung zulassen wird, nächstkünftigen Donnerstag, den 16. dieses Nachmittags, nach bißher gewöhnlicher Einrichtung, in Gesellschaft der beeden Hochverehrlichen Herren Ordens-Konsulenten, des Sekretärs und sämtlicher Hochschäzbaren Mitglieder des Ausschußes eine Spazierfahrt in den Irrhayn zu veranstalten, und über den neuerlich in Anzeige gebrachten schadhaften Zustand dessen Gänge pp. Einen Lokalaugenschein vorzunehmen. Da aber Wolbesagter Herr Präses zugleich den Wunsch geäußert, daß sämtliche Hochgeschäzte Herren OrdensGesellschafter nebst deren Frauen Gemahlinnen pp. an dieser Spazierfahrt gefälligen Antheil nehmen, und und jene, wegen der vorzunehmenden Reparatur, Ihre beyräthige Gedanken zu eröfnen, belieben mögten; so entlediget sich, mittelst vorliegender allgemeiner Einladung, seines Auftrags, mit ergebenster Bitte, Ihren Entschluß alhier unterschriftlich zu bemerken, und sich dero allerseitigen Gewogenheit fernerhin bestens empfohlen seyn zu lassen.


Den 11. Junii 1796     Dr. Benedikt Wilhelm Zahn, Synd. als dermaliger Ordenssekretär.” — Von 21 Unterzeichnern des Rundschreibens sagen neun ab.


Ähnlich sieht es mit Einladungstext und Beteiligung in den nächsten Jahren aus, und immer wieder wird Klage geführt über den Zustand der Anlage. So schreibt am 9. Juni 1802 der neue Sekretär Müller beinahe gleichlautend, und es geht auch wieder einmal darum, „das Bußwürdige an Lattwerken der Gänge p. zu beaugenscheinigen und über deren Reparatur räthlich zu werden". Ein wenig neuzeitlicher erscheint die Einladung vom 19. Juni 1804, weil zum erstenmal davon die Rede ist, daß man das Barometer zu Rate gezogen hat: „Bey der lezten Versammlung wurde die Woche vor Johanni zu einer Spazierfahrt in den Irrhain vorgeschlagen. So ungünstig bisher die Witterung war; so scheint sie sich jezt doch zu ändern, und die Wettergläser verkündigen schöne Tage. Daher wird der übermorgende Donnerstag zu diesem Besuch des Irrhains in Vorschlag gebracht […]”


Zur Jubelfeier von 1794 war anscheinend geplant gewesen, einen Obelisken zum Andenken an die Ordensgründer zu errichten. Daraus ist aber offensichtlich nichts geworden. Doch hat man das Bildprogramm, von Heideloff erneut entworfen, auf der 1820 errichteten und zunächst unbeschrifteten Stele Cramers realisiert, wenn auch erst 1894.


Man machte sich auch daran, die Fläche des Irrhains genauer zu erfassen:

Erläuterung über den, im Jahr 1733 gefertigten, und im Ordens-Gesellschafts-Buch befindl. Geometr. Grundriß des Irrhains […]


Da dem, bereits im Jahr 1733, verfertigten […] Grundriß vom Irrhain […] nirgends angegeben ist, wieviel der Irrhain an der Morgenzal betrage: so nahm ich mir vor, den Inhalt dieses Stück Landes nach einem Maasstab zu berechnen. […] Resultat, daß der Irrhain nicht mehr, als 1 1/6 Morgen, 4. Ruthen, und 172. Schuhe halten [durch Wasserfleck unleserlich gewordene Textpassagen] Und doch stehet auf dem Blat, welches mehr Malerey als Zeichnung ist, geometrischer Grundriß, so wie auch der beigesezte Maasstab zu erkennen giebt, daß es nicht bloßer Ocular-Riß seyn soll. […]


Um nun hinter die Sache zu kommen, so entschloß ich mich, den Irrhain selbst geometrisch aufzunehmen. Ich vollzog diese Arbeit mit dem Zollmänischen [?] Scheiben-Instrument, am 22. August heurigen Jahres, und fand den Inhalt des Irrhains 2 15/16. Morgen, 3. Ruthe, und 3 3/4 Schuhe, oder ungefähr 3. Morgen groß.


[…] Endlich geriet ich auf den Einfall, wie, wenn bey dem Grundriß von 1733. Decimalmaas zu verstehen wäre; nämlich, wenn sich der Geometra einer Kette zum Messen bedient hätte, bei welcher die Länge von 16. Nürnbergischen Schuhen, in 10. Glieder eingetheilt gewesen wäre. Sogleich reducirte ich Ruthen und Schuhe nach diesem Gehalt, und fand nunmehr den Inhalt [leider wieder Wasserfleck!] Indessen war nun der ganze Umstand auf einmal gehoben, und ich fand mit Vergnügen, daß die Differenz zwischen der damaligen Messung, und der meinigen, in der That unbedeutend seye, da sie nur beynahe 1/16 Morgen beträgt, welcher geringe Unterschied entweder zum Theil daher rühren kann, daß die Gränzlinien bey dem ältern Grundriß, weil sie durch Malerey gedeckt sind, nicht scharf genug gezogen werden konnten; oder theils daher, daß der Irrhain in einem Zeitraum von 64. Jahren, durch das Hineintreiben […] Hecken von Seiten der Anstösser, an seinen […] würkl. Etwas verloren habe. […]

G.Chr.Müller, den 6. Novemb. 1797.


Offenbar meint Schriftführer Müller, daß die Grundstücksgrenzen durch das Hineintreiben von Vieh durch Lücken des Zaunes und das Aufkommen von Hecken an den Grenzen zu den Anliegern unklar geworden seien.


Von 1798 datiert ein Stück aus den „Palingenesien” des Jean Paul, in dem dieser einen wahrscheinlich nicht selbst erlebten Spaziergang in den Irrhain schildert:


In einigen der nächsten Reise-Anzeiger werden der Welt die Ursachen vorgezählt, warum ich mich gerade den ersten Tag in Nürnberg kaum auf den Beinen halten konnte; und eben diese an die Erweichung grenzende Ermattung trieb mich in den Hain: das Schwellen des Herzens wie das der Adern kommt nicht immer von Vollblütigkeit, sondern oft von Schwäche der Gefäße her. Ich wußte, daß der Irrgarten im Jahr 1644 für den sogenannten Harsdörferschen Hirten- und Blumenorden an der Pegnitz gesäet und gepflanzet wurde); und als Kind hatt' ich oft in einem Quartanten voll Kupferstiche, den der Orden geliefert, herumgeblättert: das zog mich an. […] Je länger ich vor den grünenden Seitenlogen des Irrhains, dessen Front- und Mutterloge ein belaubtes Labyrinth war, auf- und abstrich und mich bald in jene, bald in diese Hütte setzte und daran dachte: hier saß 1644 Harsdorf, Klai und ihre Chorsänger — und je länger ich in den bedeckten Gängen, gleichsam in den Katakomben der vorigen Pegnitzschäfer ging und wieder heraus zu den wachsenden Blumen kam, die öfter aufgelegt wurden als die gedruckten des Blumenordens: desto mehr fing vor mir der Blumengarten an zu phosphoreszieren, und endlich lag er als ein himmlischer Hesperiden-Garten da, und das lichte Gewölk, durch das er oben aus der ätherischen Vergangenheit in die dicke Gegenwart hereingesunken war, hing noch merklich in leuchtenden Flocken an seinen Gipfeln. — —


Es sieht Jean Paul zwar nicht ähnlich, doch er wußte offensichtlich nicht, daß zu der Zeit der Einrichtung des Eichenlöhleins als Irrhain die Ordensgründer Harsdörfer und Klaj schon längst verstorben waren.


Ein entscheidender Schritt in Richtung auf die heutige Gestalt des Irrhains geschieht 1806, und der bedeutende Architekt von Haller, dem die Stadt unter anderem die klassizistischen Holzarkaden auf dem Hauptmarkt verdankte, war auch beteiligt: „[…] Hierauf referirte 6.) Herr Präses [Colmar] denen, bey der unlängst im Irrhain gehabten Gesellschaft nicht zugegengewesenen schäzbaren Mitgliedern, daß aufs neue die Errichtung einer großen Gesellschafts-Hütte zur Sprache gekommen wäre, und daß der anwesend-gewesene Herr Professor Gatterer in Heidelberg, und der hiesige Herr Architekt von Haller dazu sowol, als zu einigen verschönernden Anlagen, nach Wegschaffung der unnüzen Bogengänge zwischen den Hütten, vorläufig Vorschläge gemacht hätten, welche iedoch noch näher zu determiniren wären. Es wurde daher der Ordens-Secretär aufgefordert, sich mit ernanntem Herrn von Haller diesen Herbst in den Irrhain zu verfügen, und nach dem, von dem ersteren gefertigten Grundriß, denjenigen Plaz zu bestimmen, und anzugeben, auf welchem eine Gesellschafts-Hütte am schicklichsten und mit den wenigsten Kosten errichtet werden könnte, auch die Vorschläge zu anderweiten Verbesserungen näher zu detailliren.”


Jedoch war ein wesentliches neues Hindernis dazugekommen: Der Sebalder Reichswald war unter die bayerische Forstverwaltung geraten, und diese schien anfangs mit dem „ewigen Lehen” des Irrhains an den Blumenorden nichts anfangen zu können oder zu wollen. Colmar mußte vorsichtig auftreten (eine Gangart, die ihm persönlich lag): „5.) referirt Herr Präses, daß die gesellschaftliche u. Secretärs-Hütte im Irrhain höchstnöthige Reparaturen bedürfen, daß aber ausser den nothwendigsten Verbesserungen zur Zeit auf nichts angetragen werden könne, weil man die Zeitverhältnisse abwarten müsse u. wurde besonders Kiefhaber aufgefordert, rücksichtlich der Waldverhältnisse den gelegensten Zeitpunkt bey der Königlichen Forstcommission abzumerken, um eine günstige Resolution zur erwünschten Benutzung dieses Waldtheils erwirken zu können, wozu derselbe sich bereitwilligst erklärte und bemerkte, daß er bereits mit Herrn Oberförster Guth gesprochen und gute Versicherungen erhalten habe, nur möchte um so mehr noch etwas zu temporisiren seyn, als die unangenehmen äusseren Verhältnisse auf der Bayreuther Seite noch keine ganz freye Disponirung gestatteten.” Schneller als gedacht klärten sich diese Verhältnisse in gewünschter Weise; am 10. August 1807 konnte man schon einen Behördenvertreter für sich gewinnen:


„5.) […]  Doch hätte der, bey der lezten Versammlung im Irrhain, zugegen gewesene Herr Forst-Controlleur Wyß dazu Hofnung gemacht, daß die Absicht, an diesem Ort Verschönerungen anzubringen, von Seiten der Forst-Direction gewiß unterstüzt werden würde.


Da auch


6.) Herr Wyß den Wunsch als Ehren-Mitglied aufgenommen zu werden, zu erkennen gab: so wurde angefragt, ob nicht in diesem Fall, mit Abweichung von der angenommenen Regel, sogleich heute über dessen Aufnahme ballotirt werden wollte. Dies wurde vollzogen, und selbiger einstimmig aufgenommen.”


Herr Wyß scheint bei den Maßnahmen im Irrhain vor lauter  Dienstwilligkeit auf eine Weise vorgeprescht zu sein, die den Orden in ernsthafte Kalamitäten brachte. Ohne vom Orden offiziell dazu ermächtigt worden zu sein, vergab er einen Auftrag: „5.) Trug Herr Präses nur vorläufig kurz vor, daß im Irrhain einige Veränderungen, besonders mit Errichtung eines Pavillon, vorgegangen seyen; daß zwar vorher über die nothwendigen Veränderungen ein Augenschein eingenommen -- auch ein Anschlag auf 66 fl. eingereicht worden wäre; daß aber bey diesem vom Herrn ForstControlleur Wyß dirigirten Unternehmen einMißverständniß statt gehabt habe, und daher einige Differenzen entstandenseyen, welche noch auszugleichen wären; daher, sofern es den Orden interessire, erst bey der nächsten Versamlung das weitere darüber vorgetragen werden würde.” Zwei Jahre später, laut Protokoll vom 19. November 1810, hatte sich die Angelegenheit, da der Orden anscheinend etwas nicht bezahlen wollte, was er nicht selber in Auftrag gegeben hatte, und Herr Wyß nicht in Regreß zu nehmen war, zu einem häßlichen Rechtshandel ausgewachsen:„ Auf Veranlassung der, bey dem Königlichen Stadtgericht, von dem Zimmermeister Ruff, gegen den Vorstand des BlumenOrdens, wegen Bezalung dessen Conto, für die Errichtung eines Pavillon im Irrhain, angebrachten Klage, nachdem derselbe schon vorher dieserwegen den Herrn Forst-controlleur Wyß bey dem hiesigen K.Landgericht belangt hatte, und mit Vorbehalt der Kosten für die veränderte Stiege, mit seiner Klage abgewiesen wurde; und auf erfolgte Communication dieser Klageschrift zur Exceptions-Handlung, veranstaltete Herr Präses den heutigen Zusammentritt, und machte vordersamst die Herren Repräsentanten mit dem, was bisher in dieser unangenehmen Angelegenheit verhandelt worden ist, durch orlesung der Aktenstücke bekannt; mit dem Antrag, daß zu Entwerfung der Exceptions-Schrift, einer der Herren Advocaten unter den Mitgliedern des Ordens, zu ersuchen seye. Da man nun kaum wagen dürfe, den anwesenden Herrn Assessor Dr. Lorsch, wegen bekannter, demselben schon obliegender vieler Geschäfte, um diese Bemühung zu bitten; so kam Herr Dr. Veillodter dazu in Vorschlag, und würde diesen Auftrag erhalten haben, wenn nicht Herr Dr. Lorsch das freywillige und gefällige Erbieten gemacht hätte, das Patrocinium in dieser Sache zu übernehmen, welches dann mit allgemeinem Dank erkannt, und beschlossen wurde, demselben, sogleich morgenden Tags die Acten zuzuschicken.”


Nun mahlten die Mühlen des Gesetzes weitere zwei Jahre, und gelinkt wurde erwartungsgemäß der Handwerker, nach dem Motto: Wie kann der Flegel, wenn er nicht gescheit aufgepaßt hat, dann noch die Frechheit haben, ein Gericht anzurufen? „2.) Brachte Herr Präses zur Wissenschaft der Versammlung, daß in der, mit dem Zimmermeister Ruff zu Gründlach,  wegen Bezalung der Baukosten für den Pavillon, anhängigen Rechtssache, das Königliche Stadtgericht einen Vorbescheid dahin erlassen habe, daß Kläger den Beweis eines ihm, von Seiten des Ordens gemachten Auftrags, führen solle.” Doch auch der Blumenorden kam nicht ungeschoren davon. „5) Wurde den anwesenden Ordensmitgliedern [16 Personen] das in Sachen des Zimmermeisters Ruff zu Reutles bey Gründlach wider den Blumen-Orden unterm 7br. d. J. ergangene Urthel des hiesigen Königl. Stadtgerichts, welches für den beklagten Orden obsieglich verlautete, bekannt gemacht, und weil nach diesem Urthel die gerichtlichen Kosten kompensirt werden sollen, beschlossen, daß der den Ordenan denselben treffende Antheil, aus der Casse berichtiget, auch dem diesseitigen Sachwalter Herrn Dr. Lorsch die von ihm specificirten [Kosten] u. Expensen mit 26 fl. 40 1/2 Kr. bezahlt werden sollen.” Dies nahm, unter Punkt 10 im vorliegenden Protokoll vom 2. November 1812 festgehalten, Colmar zum Anlaß, seinen Rücktritt vom Amt des Präses zu erklären. Die Anwesenden reagierten bestürzt.





Der Fall Colmar, oder: Colmars Fall



Um zu verstehen, wie es zu der Seltenheit eines Präses-Rücktritts im Blumenorden, und zwar diesmal eines völlig freiwilligen,  kommen konnte, muß man den Charakter Colmars noch genauer betrachten. Er war ein Melancholiker aus dem Musterbuch. Daß er bis zur Tüfteligkeit genau und gewissenhaft war, zeigten bereits seine Beiträge zur ,Deutschen Privatgesellschaft' der Altdorfer Studenten. In der Stadtverwaltung übernahm er ausgerechnet das Amt des ermordeten Faulwetter. Sein Nachruf aus der Feder seines Nachfolgers Seidel erwähnt häufige Anfälle von Trübsinn und einen beruflichen Aufgabenbereich, der bei solcher Veranlagung auch nicht gerade aufbauend wirken kann: "Als Nürnberg an die Krone Bayern übergieng, blieb Colmar Assessor am Königlichen Stadtgerichte und wurde späterhin Kreis- und Stadtgerichtsrath. In diesem hochansehnlichen Collegium war Ihm besonders die Behandlung der Verlassenschaften anvertraut" Der Hinterlassenschaften, würde man heute sagen. Es ist wie in Herman Melvilles Kurzgeschichte ,Bartleby the Scrivener', in der ein Mensch über der Aufgabe, unzustellbare Briefe zu orten, wegen der dahinterstehenden traurigen Schicksale in Weltflucht gerät. Wilhelm Schmidt urteilt nach seiner Kenntnis der Akten: "Im Gegensatz zum liebenswürdigen Panzer war Colmar bei aller Herzensgüte ein zur Feierlichkeit neigender, etwas steifer und zugeknöpfter Mann und regte nicht so wie jener zur Mitarbeit an. Die erschwerten Verhältnisse taten dazu das übrige. Colmar fühlte sich am wohlsten in ganz engem Freundeskreis und gewöhnte sich schwer an neue Personen, wie auch seine Freunde sich zuerst an ihn und seine Art gewöhnt haben mußten. So kam es, daß schließlich sein Kreis sich immer mehr lichtete und er vor jedem Ersatz zurückschreckte. Und über diese Starrheit kam er wohl auch als Ordensleiter nicht wohl hinweg und fühlte es selbst." Seinen Rücktritt begründete er in einem gesonderten Brief an Zahn und Müller  wie folgt:


"Nürnberg den 22. Nov. 1812


Wolgeborne Herren,


Mit den 2ten dieses Monats, habe ich meine Stelle, als Ordens Präses, im tiefen Gefühle niedergelegt, daß meine äuseren Verhältnisse, als Rath bei dem königlichen Stadtgericht, sowie ungemüthliche Stimmungen, mich zur rühmlichen Leitung dieser blühen sollenden Gesellschaft nicht geschickt lassen.


Ich übergebe demnach, meiner Pflicht gemäß, Ihnen, theuerster Herr Ordens Konsulent Zahn, hiebei, das in meiner Verwahrung gewesene grösere Siegel, nebst der Cautions Urkunde des Herrn Sekretär mit der Bitte, die nächstkünftige Versammlung zu veranstalten, und  die Wahl des neuen Präses zu leiten, welcher dann sofort die dermal schon erledigte 2te Konsulenten Stelle besorgen lassen wird.


Daß ich mir die Einladung zu dieser nächsten Versammlung devot verbitte; und daß ich, wenn die Wahl zum Präses kein Mitglied des Vorstandes treffen würde, Sie, verehrungswürdiger Herr Sekretär Müller, als Ordens Konsulent zu begrüßen wünsche, brauche ich hier wohl kaum zu sagen; so wenig, als daß ich in den künftigen Versammlungen, als ordentliches Mitglied, nie aber in anderer Eigenschaft erscheinen werde; und daher billig hoffe, daß mich iedes Mitglied, so lange ich noch lebe, in dem mir gewünschten Ruhestand werde lassen wollen.


Meine erste Pflicht als Genosse dieses ehrwürdigen Ordens suche ich, durch ein Zeichen meiner Anhänglichkeit und Ergebenheit zu bethätigen, indem ich zum Wieder-Eintritt in die Reihe der ordentlichen Mitglieder, und zur Bestreitung der Kosten des Prozesses, in welchen der Orden, durch ein so höchst ärgerliches Zusammentreffen seltsamer Ereignisse und aufdringlicher Vorschläge, verwickelt worden ist, beiliegende Funfzig Gulden, stat einem aus der v. Murrischen Bibliothek zu wählenden Buche, für die Ordens Kasse bestimme.


Übrigens wird Ihre beiderseitige fortgesezte Gewogenheit mir zur Beruhigung − und in unseren mancherlei gesellschaftlichen Zirkeln mir zur Erquickung gereichen, denen ich − nur mit dem Ende meines Daseins das Lebewol zu sagen begehre.


Eurer Wolgebornen warmer Freund und [unleserlich]


Colmar"

Veränderungsvorschläge zum Irrhain



Auch der Irrhain geriet wieder in den Blick. Nicht nur erforderte der Verfall der im eigentlichen Sinne barocken Teile der Anlage immer wieder Reparatur, es trat auch ein Wandel des Stilempfindens ein, der immerhin den Blick nach vorne zu einer Neugestaltung lenkte.


Ein Zitat aus einem Protokoll vom 7. Juli 1817 zeigt, daß erheblicher Reparaturbedarf bestand:


3.) wurde, da das hohe Portal durch die Länge der Zeit in einen solchen buswürdigen Zustand kam daß es gestützt werden mußte, der zu einer Veränderung gemachte Vorschlag geprüft. Dieser Vorschlag besteht nun darinnen, daß, statt des Portals, zwey steinerne — oben mit Kugeln versehene — weis anzutünchende Säulen errichtet und an solche ein zierlicher — einem eisernen ähnlicher Gattern, welcher schwarz anzustreichen wäre, angehängt werden könnte.

Der größere Theil des Portals aber, welcher noch gut und nicht verfault ist, könnte dazu benützt werden, daß man davon an den Eingang in den sogenannten Kirchhof, statt des alldort sich befindlichen Gatterns, ein kleineres Portal errichtet und die marmorne Tafel mit der Inschrift:

Dem Andenken unserer Freunde gewiedmet;

auf der Seite des Eintritts oben in das Portal und die Urne darauf setzte. Dieser Vorschlag wurde vorläufig genehmiget und der Herr Garten-Inspector ersucht, von dem Maurer Götz zu Allmoshof und dem Zimmermeister Ruff zu Reutles, Überschläge fertigen und solche vorlegen zu lassen.


Die Kostenvoranschläge fielen dann allerdings befremdlich hoch aus, und das Projekt wurde auf Eis gelegt. Das heißt, daß man das alte Portal bis 1887  nur notdürftig reparierte und völlig verrotten ließ.


Es fällt bereits auf, wenn in einer Einladung zum Irrhainbesuch aus dem Jahr 1815 auf einmal nicht nur vom schönen Wetter oder der günstigen Tageslänge gesprochen wird: „Die wieder eingetretenen schönen Tage, und die vom Mond erhellten Abende veranlassen eine Einladung zum Besuch des Irrhains.” Die Feier von 1794 hatte auch bis in die Nacht hinein gedauert, aber eine derart mondlichtschwärmerische Stimmung war damals Privatsache und kaum Thema in der offiziellen Einladung. Man wird immer naturverbundener mit einer ländlich-idyllischen Ausrichtung, und so verwundert es nicht, einen jungen Patrizier Partei ergreifen zu sehen für etwas, was man gut und gern eine Verbäuerlichung des Irrhains nennen kann, eine Absage an die Kultivierung des alten bedeutsamen Wegeschemas und der Hüttensymbolik.


8. Mai 1820: „2.) Herr Baron von Kreß las unter dem Titel: „einige Blumen auf das Grab des Pfarrers Limburger zu Kraftshof, Stifters des Irrhains„ eine kurze Geschichte dieses gesellschaftlichen Versammlungs-Ortes nebst einigen Vorschlägen zur Verschönerung desselben.”


Eigentlich hieß der Vortrag „Ein Blümchen auf Limburgers Grab”. Er findet sich im Schuber 65, Bündel e des Archivs und lautet auszugsweise:


„[…S.3…] So entstand in Limburger der Gedanke zur Anlegung des Irrhains, den er, mit Genehmigung des Waldamtes, in den Jahren 1676 bis 1678, unterstützt durch Geldbeyträge großmüthiger Ordensglieder, und mit Hülfe des Gärtners Schwarz zu Kraftshof, glücklich ausführte.

[…S.5…] Nur schade, daß Limburgers erster einfacher Plan, einen Hain oder Park anzulegen, in der Folge zuweilen unbeachtet blieb, und durch die Idee eines Gartens, — wozu der freylich schon Ao. 1681. gebrauchte Name: Irrgarten, — Anlaß gegeben haben mag — verdrängt wurde.

Daher das sonderbare Gemisch, das dem Auge nicht wohlthätig ist, — daher die Spaliere von gehobelten und mit Oelfarbe bunt bemalten Latten, welche an die Stelle von Limburgers grünen Hecken traten, die durch den Schatten der allmählig größer gewordenen Bäume erstickt wurden, — daher die nicht viel passenderen Hütten mit farbigen Bretterdächern, die Limburgers grüne Lauben verdrängten. […]

Die einsichtsvollen Behörden unserer Zeit, deren hochverehrte Chef's wir unter die Mitglieder dieser literarischen Gesellschaft zu zählen das Glück haben, sind die gefeyerten Beschützer der Dryaden dieses Haines. [Er nennt Graf Drechsel, Oberförster Zimment, Dr. Puchta]

Unser dermaliger Vorstand, vom reinen Geschmack und Kunstsinn beseelt, […] hat sich von den gerügten Sünden gegen den guten Geschmack schon längst überzeugt, und hat die rühmliche Absicht, nach und nach die ungeeigneten Gatterwerke ganz zu vertilgen  […] Einen von daher erhaltenen Wink, benützte der Königliche Revierförster Hr. Kiskalt sehr glücklich durch die Aufrichtung einiger Geländer von Birkenstämmen […] Wenn nun vollends die Besitzer schadhafter Hütten sich entschließen sollten, in diesem Sinne wieder aufzubauen, — wenn die Kräfte der Gesellschafts-Casse es gestatten werden, den ehemaligen, nun spurlos verschwundenen Gesellschafts-Saal, im ähnlichen Geschmacke wieder herzustellen, […] dann könnte vielleicht der Irrhain das wieder werden, was er ursprünglich seyn sollte […]

Zur Erläuterung der gemachten Vorschläge liegen 3. Zeichnungen an […]


Geschrieben Nürnberg am 7. Maii 1820. Christoph Wilhelm Carl Freyherr Kreß von Kressenstein.”

„Tab. II liefert die Idee zu einem Gesellschafts-Saale”

„Tab. III zeigt, auf welche Art den sogenannten Hütten, eine passendere Form gegeben werden könnte. Das Gerippe ist das nemliche, wie bisher, nur von etwas stärkerem Holze. Das Bretterdach wird erspart, und seine Stelle vertritt ein dauerhafteres, und besser schützendes Strohdach.”


Kress spricht sich also nicht gegen den ursprünglich gemeinten Irrhain aus, verwendet in übertrieben differenzierender Weise aber das Wort ,Garten', das für ihn noch mit Gartenkunst zusammenhängt, um die ab 1778 versuchten Rettungen des alten Plans abzuwerten, die freilich kurios genug ausgesehen haben müssen. Er schwankt noch zwischen Hallerschem Klassizismus bei der Gemeinschaftshütte und einem derb rustikalen, aber nicht mehr schäferhaft-provisorischen Stil bei den Hütten der Mitglieder. Diese Rustikalität wäre die einzelnen Mitglieder teuer zu stehen gekommen. Das hatte der junge Herr Baron nicht bedacht, als er mit viel Liebe seine Liebhaber-Aquarelle anfertigte. Es war abzusehen, daß zwar die Gänge aufzugeben leicht war, die Gesellschaftshütte auch auf die Dauer ein durchführbares Projekt — aber was sollte man mit kostspieligen Einzelhütten im Zuge des geselligen Biedermeier anfangen? Wer ging noch allein in den Irrhain, um zu meditieren? Und wenn allein — reichte nicht das Naturerlebnis hin? Wollte man sich noch daran erinnern lassen, daß man auf Erden keine bleibende Wohnstatt, sondern nur eine Herberge suchen solle, wie es in der ,Betrübten Pegnesis' von 1684  heißt?

Manchmal ist es aber auch von Vorteil, wenn eine Gesellschaft einen vor Umsicht vorsichtigen Vorsitzenden hat, und Colmar hatte in einem undatierten Schreiben an die Ordensversammlung, das nicht lange vor seinem Rücktritt geschrieben worden sein kann, den Orden vor den Auswüchsen einer zu unspezifischen Mitgliederpolitik gewarnt und war insofern der richtige Mann zur richtigen Zeit:


"Propositio Praesidis: Ehren Mitglieder btrffd.


Es ist seit einiger Zeit Sitte geworden, daß in unseren Orden viele Ehren-Mitglieder, unverlangt, ernannt worden sind.

Ich erlaube mir meine Ansichten hierüber den Herren Gesellschaftern zur näheren Prüfung vorzulegen, indem ich auf Abstellung dieses Gebrauchs antrage.

Ich gehe von dem Grundsaz aus: Daß eine gelehrte Gesellschaft, unaufgefodert, nur deshalb Ehrenmitglieder aufnehme, um ihnen eine öffentliche Ehre und Würdigung ihrer Verdienste zu erzeigen.

Eine solche Gesellschaft mus aber selbst so viel Auktorität haben, und in der Gelehrten Republik auf einer so hohen Stufe stehen, daß ihre Äußerung über die Verdienste anderer, allenthalben für giltig anerkannt werden kan.

Ist eines der Fall nicht, so dürfte es einer Art von Eigendünkel gleichsehen, Personen, mit denen man in gar keiner Verbindung stand, u. mit denen man in sonst keine zu kommen weis, eine Belohnung ihrer Verdienste ertheilen − oder ihrer Ehre, durch eine Aufnahme in den Orden, einen Zuwachs geben zu wollen.

Unser Institut aber ist von einem so hohen Standpunkt nicht zu betrachten: und darum können wir auch solche Ehren-Bezeugungen gar nicht beurkunden. Wir können es izt am allerwenigsten, da in dem Königreiche eine Akademie der Wissenschaften, und eine der bildenden Künste organisiert ist, denen gegenüber, unser nur als Privat-Gesellschaft prädizierter, Orden, sich nicht stellen − und ohne anmaslich zu erscheinen, keine solche EhrenMitglieder ernennen darf.


[Panzer habe als "großer Literator" diejenigen Auswärtigen, zu denen er persönliche Beziehung gehabt habe, vorschlagen können, aber nicht jedes andere Mitglied könne sich das erlauben.]


[Wenn man von eitlen "Titelmännern" angegangen werde, die dem Orden mit der Bitte um Aufnahme schmeicheln, sei es für den Orden selbst nicht mehr ehrenhaft, sondern "kompromittierend".]


Unsere Geseze, die alten wie die neuen, wissen von Ehrenmitgliedern nichts: und nach unserer Verfassung und Verhältnißen, in denen wir einen so eingeschränkten Wirkungsbereich haben, wo es an Unterstützung u. Ermunterung fehlt; da wir uns nur wenige Stunden im Jahr einem Lieblings- oder Nebengeschäfte widmen können; und da − wie notorisch ist, von uns, außer den traurigen Memorien nichts zu Tage gefördert wird, u. − wie die Revision der GesellschaftsArbeiten gezeigt hat, zur Zeit nichts ins Publikum gebracht werden kan; mithin nur gesellschaftliche Erholung u. vertrauliche Mittheilung einiger wissenschaftlicher Ideen u. Erfahrungen gesucht u. gefunden wird: da solte es auch, wie ich denke, dabei bleiben; da solten wir uns nur hüten, durch dergleichen Aufnahmen, die Welt auf uns undankbar aufmerksam zu machen. […]


Dr. Colmar"


Wenn dies vor Wielands Aufnahme geschrieben wurde, muß er sich gerade vom Erfolg der Anbahnung durch Nostiz beschämt und geängstet gefühlt haben; wurde es aber nachher geschrieben, dann diente es dazu, die Zügel nicht vor lauter Stolz auf den Berühmten schießen zu lassen. Typen wie Drechsel konnten den scharfsehenden und rechtlich denkenden Colmar jedenfalls nicht vom Sinn der politischen Opportunität bei der Mitgliederberufung überzeugen.


Man wird noch sehen, ob er recht damit hatte, die Beiträge der Mitglieder zu den Sitzungen für so unbeträchtlich zu halten, und ob er die Beziehungen zur Königlichen Akademie der Wissenschaften in München nicht zu pessimistisch einschätzte.


Nachdem in der Sitzung vom 4. Januar 1813 alle Versuche gescheitert waren, Colmar wenigstens zur Verlängerung seiner Amtszeit zu bewegen, wurde die Frage aufgeworfen, ob man denjenigen Mitgliedern, die nur wenige Stunden von Nürnberg entfernt wohnen "und sich als ordentliche Mitglieder betrachten", von der bevorstehenden Wahl Mitteilung machen solle.


"Auf diese Anfrage wurde beschlossen, nur diejenigen zur Stimmen-Abgebung aufzufordern, welche bisher noch Antheil an der Gesellschaft genommen, und ihre jährl. Beyträge entrichtet haben […] Übrigens wurde noch bemerkt, daß nach erfolgter Wahl, auch den auswärtigen Ehren-Mitgliedern von der Veränderung des Präsidiums, etwa durch den hiesigen Correspondenten und eine noch zu wählende gelehrte Zeitung, Nachricht zu ertheilen seyn möchte." Es durfte wohl nicht zu viel Porto kosten. Dies bringt uns über den Irrhain zu einer Übersicht der finanziellen Lage.




Die finanzielle Lage des Ordens in der Übergangszeit



Kaum war Seidel gewählt, hatte er sich mit neuen Ungelegenheiten wegen des Irrhains zu beschäftigen: „7.) Meldete Herr Präses, daß vor einigen Wochen im Irrhain nicht nur die Schlösser und Bänder an den Thüren abgebrochen, sondern auch das Pumpwerk verdorben, und das, was daran von Messing war, gestohlen worden seye; daher man dieses nur hölzern machen, auch die Thüren in Zapfen einrichten lassen wolle, damit die Diebe so wenig als möglich an Werth vorfinden, und das Stehlen an diesem Ort in Zukunft unterlassen mögen.” Wieder etwas weniger barocke Gediegenheit. Man ermißt daran erst, was doch in den Irrhain alles an materiellen Werten eingebracht worden war, obwohl schon immer über Mangel an Geldmitteln geklagt worden war. Ging es denn dem Blumenorden um 1800 in finanzieller Hinsicht besonders schlecht?


Nach der unübersichtlichen Kassenführung Hartliebs und dem Kassensturz zu Amtsantritt Panzers konnte man nach weiteren Jahren, in denen man wohl regelmäßig Mitgliedsbeiträge eingezogen hatte, bereits daran denken, den ausgeplünderten Grundbestand, der aus dem Vermächtnis Birkens vomVerkauf seiner goldenen Ehrenkette stammte, wieder aufzufüllen. „4.) […] ob nicht, da damalen 109 fl.- sich in der Cassa befänden, davon 100 fl.- in dem Zwanzigerschen Geschäftshaus oder sonst einem sicheren Ort angelegt werden könnten. Hierauf äußerte der Sekretär, daß die verzinsliche Umlegung von 100fl.- besonders deswegen schon auch sein eigener Wunsch gewesen wäre, weil das dem Orden zugekommene Vermächtniß erstsprünglich in 400 fl.- bestanden wäre, wovon aber vor ungefähr 50 Jahren 100 fl.- zurück genommen und ausgegeben worden seyen, und daß er daher auf die Vervollständigung des Legats durch Umlegung von 100 fl.- sobald bedacht nehmen werde, als es die Beschaffenheit der Cassa erlaube.” Das war der Stand 1803. Und 1811, also kurz vor den Prozeßkosten, war dieser Bestand auf mehr als 116 Florins angewachsen. Dennoch gab es Schwierigkeiten, die aus der politischen Umstellung herrührten, und die Beiträge flossen auch nicht mehr in der vereinbarten Weise. Colmar und Müller legten sich mächtig ins Zeug (und das erklärt auch Colmars besonders tiefe Betroffenheit von den bald darauf anfallenden Gerichtskosten):


 „4.) […] das bey Georg Freihäuser zu Wolkersdorf angelegte Capital-Post von 100 fl. gehörigen Orts zu intabulieren seye: Es wäre ihm bekannt, daß von Seiten des nun aufgelöseten LandAllmosAmts dieses Capital, als eine consentirte Post, der betreffenden Stelle, nämlich dem K. Landgericht Heilsbrunn, angegeben worden wäre, und käme es darauf an, ob man nun auch einen Hypotheken-Schein darüber zu verlangen, für nöthig erachte. [— Offenbar hatte das Landalmosamt seine Buchführung über die Mittel des Ordens an das Landgericht in Heilsbronn abgegeben, und es lag dem Orden daran, daß nicht aus der größeren Entfernung eine Unstimmigkeit auftrete. —] Ferner wünschte Herr Präses, bey Wahrnehmung der sich vermehrenden Restanten-Liste, eine nähere Bestimmung über die Beytrags-Zalung der auswärtigen Mitglieder. [— Die Liste derjenigen, die mit dem Beitrag im Rückstand waren, wurde also immer länger. —] Nach dem § der Geseze sind zwar die fremden Mitglieder, das heißt solche, die auser dem Nürnbergischen Gebiet leben, und als Ehren-Mitglieder betrachtet werden, davon befreyet; die auswärtigen im Nürnbergischen sich aufhaltenden aber, haben die jährlichen und außerordentlichen Beyträge zu bezalen. [— Die Unterscheidung zwischen auswärtigen und Ehrenmitgliedern wurde damals also nur nach dem Grad der Entfernung getroffen! —]  Bey dem nun nicht mehr existirenden Nürnbergischen Gebiet, entstünde daher die Frage, welche Gränzlinie zu ziehen seye. Und da der nächste Zweck des Ordens in den Versamlungen liege, diejenigen aber, welche diesen, der Entfernung wegen, nur selten, oder gar nicht beywohnen können, der lebhaften Theilnahme entbehren: so gienge der Antrag auf folgende Bestimmungen:


a.) Alle, in dem Bezirk des hiesigen Königlichen Stadt-Commissariats befindlichen Mitglieder, müssen als einheimische angesehen, und

b.) Die, auser diesem Bezirk lebenden, als auswärtige, oder Ehren-Mitglieder.

c.) Wer davon jährliche und außerordentliche Beyträge leisten will, ist zugleich ein zalendes Mitglied.

d.) Für diese wäre künftig in den Rechnungen eine neue Rubric aufzustellen.

e.) Die bisher geführten Reste von Auswärtigen, fielen weg.


Hierüber wurde nun abgestimmt, und gienge die Mehrheit der Stimmen dahin, daß man, um die Absicht des fleißigen Besuchs der Versamlungen zu erleichtern, wol die Stadt mit ihren nächsten Umgebungen zur Gränzlinie für die einheimischen und ordentlichen Mitglieder machen müste, dabey aber den Wunsch nicht bergen könnte, daß sich die Beyträge nicht zu sehr vermindern möchten.


Endlich wurde, weil in der Rechnung ein Cassa-Bestand von 116 fl. 10 1/2 X ersichtlich war, darauf angetragen, einstweilen, und bis sich eine vortheilhaftere Gelegenheit finden wird, 100 fl. in die Königliche Bank zu legen, welcher Vorschlag auch genehmiget wurde.”


Man konnte also, indem man die Beitragsschulden der bisherigen Auswärtigen strich und den Geltungsbereich des Einheimischen den politischen Verhältnissen anpaßte,  die Sorge nicht verhehlen, daß künftig mit wesentlich weniger Einnahmen zu rechnen sei. Die Verzinsung bei der Königlichen Bank scheint auch nicht besonders gut gewesen zu sein. Es waren keine guten Zeiten, 1816 und 1817 waren sogar Hungerjahre, und den von unmittelbarer Not anscheinend weniger bedrohten Mitgliedern des Blumenordens wurde dann eine Verdopplung des Jahresbeitrags zugemutet:


„II.) Trug der Herr Präses den heute versammelten Ordens-Mitgliedern vor: Es sey bisher zur Bestreitung der Ausgaben des Blumen-Ordens von jedem ordentlichen Mitgliede desselben jährlich ein Beitrag von 1 fl. 12 Kr. zu der Kasse bezahlt worden. Bey dem so sehr gestiegenen Preiß aller Gegenstände und den hiedurch verursachten Ausgaben der Gesellschaft erlaube er sich aber den Vorschlag zu machen, daß dieser jährliche Beitrag auf einen Conventionsthaler erhöht werden möchte, und zwar um so mehr, da der Druck einiger Denkschriften zur Ehre verstorbener Ordens-Mitglieder, ferner die nöthigen Reparaturen in dem Irrhain und die Wiederherstellung des Portals daselbst, eine nicht unbedeutende Ausgabe veranlasseten.


Auf erfolgte Abstimmung der anwesenden Mitglieder wurde durch die Stimmen-Mehrheit dieser Vorschlag genehmiget, und beschlossen, daß der jährliche Beitrag zu der Ordenskasse von 1 fl. 12 Kr. auf 2 fl. 24 Kr. erhöht, auch nach diesem Maasstab schon zu Anfang des künftigen Jahres einkassirt werden solle.”


Es war also wieder der Irrhain, welcher das meiste an Ordensgeldern verschlang, und im Vergleich zu der zweiten Ursache des finanziellen Ausblutens im 18. Jahrhundert, den mit Kupferstichen gezierten Trauergedichten, waren die gedruckten prosaischen Nachrufe dieser Zeit zwar billiger, verhinderten aber durch ihre Kosten dennoch die Herausgabe des geplanten Jahrbuchs oder jeder anderen wissenschaftlichen oder journalistischen Veröffentlichung aus dem Kreis des Ordens.  Dabei kann einiges von dem, was in den Sitzungen zum Vortrag gelangte, durchaus allgemeineres Interesse erwecken und vergleicht sich nicht schlecht mit analogen Artikeln in heutigen Magazinen.




Die eigentliche Arbeit des Ordens



Kiefhaber, der später als Professor nach Landshut und dann nach München berufen wurde und ohnehin zu den eifrigsten und vorzeigbarsten Ordensmitgliedern zählte, kam auch für qualitätvolle Vorträge auf, die im engeren Sinne Aufgabe des Ordens waren. Zum Beispiel hielt er am 2. Mai 1808 einen aktuellen Nachruf auf die Malerin Angelika Kauffmann. Er erfüllte damit den von ihm aufgestellten Anspruch, „Aesthetik überhaupt” zum Gegenstand zu machen. Auszüge daraus mögen Aufschluß über das Niveau geben.


„[…] Das Genie gedeiht auf jedem Boden und erstrebt sich zu seiner Höhe, von welcher es Aufsehen erregt, unter allen Umständen, besonders wenn Weisheit und LebensKlugheit ihm schwesterlich die Hände reichen. Dies war der Fall bei Angelika Kaufmann. Von einem in der Schweiz und in Tyrol umherziehenden Maler, Joseph Kaufmann, der aus Bregenz am Bodensee gebürtig war, ward sie um das Jahr 1742. während seines Aufenthalts zu Coire in Graubünden erzeugt.

[…] Bisweilen hielt [sie] sich in Neapel auf, um die dortigen Schätze für ihr Studium zu benützen. Sie studierte daselbst nach den Antiken, besonders nach den Vasen des Hamiltons, daher verrieth sich auch dieser Geschmak in allen ihren Arbeiten. Das lieblich griechische Wesen, welches allen ihren Figuren eigen ist, schreibt sich einzig von diesem Studium her. Schon zu Winkelmanns Zeit war sie in Rom rühmlichst bekannt.”


Kiefhaber berichtet in der Folge von Stationen aus ihrem Leben, das im Hinblick auf Heiraten ziemlich unglücklich gewesen sein muß. Doch in beruflicher Hinsicht kam sie voran, ging nach London, durfte Georg III. malen und wurde in die Royal Academy aufgenommen. 1776 folgte ein Aufenthalt in Rußland, um Zarin Katharina zu malen, sie kehrte wegen des Klimas aber bald nach London zurück.


„Nach einem langen Aufenthalt alldort, ungefehr um 1780. kam Angelica, ,der gepriesene Liebling aller blos schauenden und geniesenden Kunstfreunde; auch von ernstlich prüfenden Kennern, doch mit billiger Mäßigung hochgeachtet,' wie von Göthe in der teutschen Schrift: ,Winkelmann und sein Jahrhundert', sich über sie ausdrückte (In Briefen und Aufsätzen herausgegeben von Göthe. Lüb.1805. S. 304.), nach Rom zurück. […]

Ihre zahlreichen Malereien, deren nähere Kenntnis wir dem Verzeichnis davon in den 2. Theilen des Künstler-Lexicons unseres schätzbaren Ehrenmitglieds, Herrn Hofrath und Profeßor Meusel in Erlangen, so wie dem Huber und Rostischen Handbuch (Bd. 2. S. 258.-265.) verdanken, zeichnen sich durch Anmuth und Grazie aus und haben ein eigenes Colorit. […] Theils Mangel an anatomischen Kenntißen, besonders aber das weibliche Zartgefühl, und die feine Empfindung für Reinheit in Sitten, zogen sie ab von Darstellungen des muskulösen Nakten. […] Angelika war edel in Absicht auf die Kunst, edel in Absicht auf ihre Gesinnungen und Sitten; sie war nicht bloß große Künstlerin, sie war auch herzliche Freundin und theilnehmende Wohlthäterin. […]”


Für sehr zeitgebunden wird man die große Verehrung, um nicht zu sagen: Lobhudelei des Gemäldes halten, das den Bayerischen Kronprinzen darstellt. Es folgt eine Würdigung ihrer Wohltätigkeit gegenüber aufstrebenden Künstlern und des Testaments, in dem sie mehrere Personen, aber auch Stiftungen zu Erben einsetzte. Mit einer Beschreibung der von Canova gestalteten Leichenfeier endet der Vortrag.


Eine weitere Abhandlung von dem schon sehr betagten Benedikt Wilhelm Zahn macht es sich 1810 zur Aufgabe, den Anteil Nürnbergs an der Entwicklung der neuhochdeutschen Schriftsprache zu erörtern:


Er geht von der Beobachtung aus, daß Schriften aus der Zeit um 1500 seinen Zeitgenossen unverständlich geworden sind. „Nicht nur der Periodenbau und der Zusammenhang derselben, sondern vorzüglich die Rechtschreibung und der Gebrauch der den eigentlichen Sinn ausdrückenden Wörter wird in den vorhandnen [...] Schriften u. Arbeiten der damaligen Gelehrten, so wie auch in öfentl. Urkunden fast durchgängig vermisst, fremder Wörter sich bedient, und dadurch eine Armuth an deutschen Wörtern und Sprachkenntniß an den Tag geleget.”


Daraufhin zitiert Zahn Morhofs Nachricht, daß Karl der Große dem Mönch Otfried von St. Gallen den Auftrag zum Verfassen einer deutschen Grammatik gegeben habe. Es ist aber nichts daraus geworden, sodaß alles vor Luthers Bibelübersetzung Unvollkommenheit aufweist, „von welcher andere fremde und früher kultivierte Sprachen größten theils befreyt sind. […] Von noch dürftigerer Beschaffenheit war in den mittleren Zeiten der Geschäfts- und Kanzley-Styl […]

Indessen wurde doch von unserer Vaterstadt gerühmet, daß in ganz Deutschland dessen Sprache nirgendwo reiner u. zierlicher gesprochen u. geschrieben werde, als daselbst, und der im Jahr 1526. verstorbene gelehrte Canonicus, Conradus Mutianus Rufus zu Gotha schreibet: „Urbis Norimbergae lingua inter nationes Germanicas elegantissima habetur."

[…] Ja schon im XIII. Jahrhundert soll Kaiser Rudolph der I.ste, auf einem A. 1274 zu Nürnberg gehaltenen Reichstag, beschlossen haben, daß hinfüro alle öfentliche Urkunden nicht mehr in Latein — sondern in der Deutschen Sprache ausgefertigt werden sollen, wovon unser vormaliges Ordensmitglied u. Mitstifter, Sigmund von Birken, in dem österreich. EhrenSpiegel, Seite 87, bemerkt, daß, ob es gleich, bey der damaligen Unform der Deutschen Sprache, etwas hart hergegangen, jedoch die Nürnberg. Kanzley in ziemlicher Deutschung des Lateinischen, alle die anderen übertroffen u. also den Preiß der Sprachkundigkeit davon getragen habe. […]”


Es folgt eine Würdigung der in Nürnberg entstandenen Literatur, von den Meistersingern ab (wozu Wagenseil zitiert wird), über Luther (dessen Bezug zu Nürnberg stillschweigend als bekannt vorausgesetzt wird) zu den Sprachgesellschaften, denen Nürnberger angehörten, und schließlich zum Blumenorden.


„Auch unserem gewesenen gleichfalls schäzbaren OrdensMitglied, oben-angeführtem Rechnungs-Syndicus Häßlein, gebührt der Ruhm, daß er durch unermüdete Forschung u. Kenntniß der deutschen Sprache vieles geleistet habe. [Zahn erwähnt sein Mundartwörterbuch mit Ableitungen] „aus den Überbleibseln Germanischer Urkunden und ihrer erlittenen Veränderungen […] Eine Probe davon steht im Deutschen Museum, 1781. XI. Stück S. 457 sqq.„


Abschließend gibt er eine sehr kurzgefaßte Geschichte des Blumenordens und einen Ausblick auf dessen künftige Bestrebungen.


Dieser und andere Beiträge zu den Sitzungen erhielten über persönliche Beziehungen Strahlkraft. Es war ja nicht so, daß man von auswärts nur Anfragen ,eitler Titelmänner' bekam; auch würdige Gelehrte, denen der Flor des Ordens zu Ohren gekommen war, meldeten Interesse an, so der „Ritter des goldenen SpornOrdens, Großherz. Frankf. Oberlandgerichtsrath, u. der Akademien und Gesellschaften zu Erfurt, Hessenkassel, Erlang., u. Nürnberg Mitglied”, Herr Dr.  F. von Scheppler, im Jahre 1812, noch während des Präsidiums Colmars:


Hochwohlgebohrener Herr Präsident,

Hochgeehrtester Herr Stadtgerichtsrath!


Euer Hochwohlgebohren habe ich die Ehre zu benachrichtigen, daß ich meinen Freund den verehrungswürdigsten Herrn Sekretär Kiefhaber ersucht habe, Ew. Hochwohlgebohren ein Exemplar meiner neuen Gallerie teutscher Staatsmänner und Gelehrten I Heft, nebst der Biographie des berühmten H. Direktor und Prof. Harl, in meinem Namen zuzustellen […] und würde es als eine ausgezeichnete, besondere Ehrung betrachten, als Ehrenmitglied der ältesten teutschen literarischen Gesellschaft […] ernannt zu werden. […]


Dagegen wird selbst Colmar nichts einzuwenden gehabt haben. Scheppler wurde Nr. 296. Umso bedenklicher mußte dem Präses jedoch der Schwund der Teilnehmer am Ordensleben vorkommen, gerade in dem Augenblick, als die auswärts wohl vorhandene Hochachtung vor dem Orden in eine ehrenvolle Aufgabenstellung mündete. Am 3. Februar 1812 ging diese Zwickmühle auf:


„[…] Bey Eröfnung der Sitzung, welche erst um 7 1/4 Uhr begann, weil bis dahin auf die ausgebliebenen Mitglieder gewartet wurde [7 waren schließlich anwesend], äußerte sich der Hr. Präses unzufrieden über die immer mindere Besuchung der Ordensversammlungen, ungeachtet dieselben im ganzen Jahr doch nur einmahl stattfänden. [Es war also wieder der Schlendrian der Hartlieb-Zeit eingerissen!] Die Lauigkeit in der Herkunft, wäre bey Manchen, die sich regelmäßig gar nicht sehen ließen, höchst auffallend. […]

9.) trug Hr. Präses vor: eben als er aus dem Hause habe abgehen wollen, sey Hr. Diakon Roth gekommen und habe ihm einen Extract eines Schreibens des General-Sekretärs der Kön. Akademie der Wissenschaften in München, Herrn Schlichtegroll überbracht. Noch vor Ablesung desselben bemerkte Hr. Senator v. Löffelholz, daß Hr. v. Schlichtegroll bey dessen letzter Anwesenheit in München geäussert habe, er möchte nur in der nächsten Ordensversammlung seine Achtung für diesen litterarischen Verein bezeugen und zugleich melden, daß er dieAbsicht habe, ihn mit der Kön. Akademie dermassen in Verbindung zu setzen, daß künftig dem pegnesischen Blumenorden die Aufsicht über alle Literatur- und Kunstschätze Nürnbergs übertragen werden würden und deshalb in einem regelmäßigen Schriftwechsel sich gesetzt werden solle.

Hierauf wurde das Schreiben selbst abgelesen […] ,Veranlassen Sie doch den Hr. Sekretär des Ordens, Namens der Gesellschaft an die Akademie zu schreiben und sich die 2 herausgekommenen Bände der neuen Denkschriften für die Bibliothek der Gesellschaft zu erbitten […]'

Hierauf äußerte Hr. Präses, die Sache selbst sey von zu großer Wichtigkeit als, daß heute schon, bey der geringen Anzahl von Mitgliedern, nähere Deliberationen gepflogen werden könnten. […] Da inzwischen Hr. Diakon Roth ein Mann ist, der als Literator sehr ausgebreiteten ehrenvollen Ruhm hat, der besonders um die vaterländische Geschichte vielseitige Verdienste sich erwarb […], so trage er darauf an, daß derselbe sogleich heute ohne alle Ballotage bloß durch Abstimmung, zum Mitglied aufgenommen und ihm das gewöhnliche Diplom darüber zugefertigt werde, womit sämtliche Anwesende vollkommen einverstanden waren. […]”


Nun erst wurde derjenige Roth im Schnellverfahren Mitglied, den man ja von der Industriegesellschaft schon seit 1792 gut kannte, weil man einen anderen Beschluß nicht fassen konnte, als sich durch ein neues Mitglied für die vorgeschlagene lockende, aber herkulische Aufgabe zu stärken. Psychologen nennen so etwas eine Übersprunghandlung. Der andere Roth, schon seit 1806 Mitglied, hakte ein gutes Jahr später wieder nach. In einem Brief vom 22. April 1813 äußert er seine Befriedigung darüber, daß der Blumenorden zwei Arbeitspläne angegangen sei, die er im vorigen Jahr vorgeschlagen habe: 1. Nürnbergs Verdienste um Wissenschaft und Kunst im 16. Jh. darzustellen:


„[…] Mir ist in der Regel das Urtheil eines wackeren Handwerksgesellen über Nürnberg mehr werth, als die Ansichten eines sogenannten Litterators oder Mannes von Bildung, der im Morgenblatte für gebildete Stände redet; jener sieht mit gesunden Augen das Ganze, während dieser durch die Brille seiner Eigenthümlichkeit, welche sehr oft Verschrobenheit ist, ein Paar höchst unbedeutende Einzelheiten […] beguckt. […] Möchte mir gegeben seyn, dereinst, wäre es auch erst in 10 Jahren, Denkwürdigkeiten der Stadt Nürnberg, gesammelt von dem P. Blumenorden, herauszugeben! Eine Geschichte der Stadt, wie sie erst nach vollendetem Sammeln geschrieben werden kann, würde den Anfang machen; sodann folgten alle historisch merkwürdige Actenstücke […] dann Nachrichten von allen Nürnbergern, die […] einen Namen erworben haben; Alles in zwei nicht sehr starken Bänden […]”


Es war zuviel verlangt, zu sammeln und dann noch auf zwei „nicht sehr starke Bände” zu verdichten. Das ist das Schwerste.


Zunächst kam die leidige Irrhainsache dazwischen, Colmar trat zurück, und Seidel redete seinen Ordensgenossen in seiner Antrittsrede vom 10. Mai 1813 noch einmal stark ins Gewissen:


„[…] Denn wer auch über uns herrsche, und wie wandelbar auch die statistischen Formen eines Volkes seyen; es bleibet ein Volk, so lange seine Sprache lebet, und seine Grenzen reichen so weit, als seine Zunge spricht. […] Kühner und freier ist der Ausdruck einer freien Nation; elegischer und klagender, der einer gedrückten, und eine Nation, die nicht frei mehr ihre Gedanken äußern darf im heiligen Laute der Sprache, stirbt ab, wie ein vermoderter Baum.

Es gab eine Zeit, ihr hochgeehrtesten Herren, wo unser Orden ruhig Feierabend machen konnte, denn große Geister […] vollendeten, was wir bezweckten. […] Aber, Theure Freunde, fast scheint es, als wiese uns der jetzige Geist der Zeit wieder in die Waffen. Es geht ein linguistischer Unhold in unserem Vaterlande umher, und streuet den falschen Waizen reichlich aus, aus welchem Disteln hervorgehen, die ein nachahmungssüchtiges Völklein begierig verschluckt und in abentheuerlichen Formen wiedergiebt. […]

Also immerhin hätten wir noch genug aufzuräumen, wenn wir uns größtentheils Geschäftsmänner, uns dieser Arbeit zu unterziehen Zeit oder überhaupt dazu einen Beruf fänden.

Aber was ist dann der Blumenorden? — Sollte er mit dem Aufhören seines ursprünglichen Zweckes nicht aufgelöst worden seyn? Haben die recht, welche uns belächeln, oder hämische Bemerkungen machen, wie jene, die wir ohnlängst im Correspondenten von einem Poetenorden lasen, der Alles aufnimmt, nur keine Dichter? Sollen wir unsern Fluß, an dem die Alten sangen, lieber austrocknen, denn er fließt ja nach dem Urtheil einer Xenie nur, weil es so herkömmlich ist? […]”


Bemerkenswerterweise sind dies Aussagen zum Kern der Ordenstätigkeit, Pflege von Sprache und Dichtung. Um sich für die übrigen Aufgaben geeignet zu machen, nahm man bald wieder eine Reihe neuer Mitglieder auf:


„Obzwar manchmal die Sizung des Blumen-Ordens am Ziel Lorenz in dem Falle unterblieb, wenn gerade zu der Zeit eine Zusammenkunft im Irrhain statt hatte: so wird doch dermalen, theils nach dem Wunsche einiger schäzbaren Mitglieder, theils wegender hernach benannten Personen, deren gesuchter Eintritt nicht bis auf künftiges Jahr zu verzögern seyn möchte, die gewöhnliche vierteljährliche Sizung [wenigstens das klappt wieder!] nicht zu umgehen seyn; wozu denn sämtliche verehrliche Mitglieder auf künftigen Montag, den 15. d. M., geziemend eingeladen werden.


Die als Mitglieder in Vorschlag gebrachten Personen sind:

1.) Herr Stadt-Syndicus Schmidt, ferner

2.) Herr KaßenAmts-Pfleger von Scheurl, und

3.) Herr Dr. Wolf [der Ornithologe], wozu noch nachkommen

4.) Herr Oberförster Zimment, und

5.) Herr Landrichter Puchta in Erlang;

6.) [nachträglich eingefügt] Herr Landrichter Müller in Herspruck,

7.) Herr Pfarrer Solger zu Gründlach;

8.) Herr Pfarrer Nopitsch zu Ezelwang

[nicht  der Verfasser des Reiseführers]


über deren Aufnahme ballotirt werden wird.


Nürnberg, den 9. August, 1814.

Ordens-Secretar:

Müller”


Zu dieser Sitzung muß auch ein Brief vom 5. August schon vorgelegen haben, in dem Oberfinanzrat Dr. Karl Johann Friedrich Roth aus München noch einmal die Möglichkeit einer Zuträgerschaft zur Akademie der Wissenschaften spezifizierte:


„[…] Der Blumenorden hat sich mehrmals über Beschäftigungen, die er sich wählen könnte, berathen. […] Es ist natürlich und löblich, daß man ein neues Ziel wählt, wenn das Alte verloren ist. […] Soviel ich mich erinnere, hat eine Berathschlagung des Blumenordens zu bestimmter Wahl nicht geführt; wenn ich nicht irre, darum, weil die Gegenstaende, die in Vorschlag kamen, nicht, wie es eyn muß, für die eigene Thätigkeit aller Mitglieder geeignet waren. Ich getraue mir ietzt […] einen Gegenstand vorzuschlagen […] Dies ist die Beschäftigung mit den nürnbergischen Alterthümern. […] Die Zeit ist nicht mehr; wo erforscht zu werden verdient, was die Stadt einst hatte: was sie war, ist jetzt allein denkwürdig. […] So erinnere ich mich eines Adelsdiploms Karls V. ür die Pfinzingische Familie, so rein und zierlich deutsch, wie aus derselben Zeit in englischem oder französischem Kanzleystyle wohl nichts vorhanden ist. Entdeckungen dieser Art zu machen, ist beynahe Jedermann möglich. […] Mitglieder, welche am meisten Muße und Vorkenntniß haben, würden sich mit Prüfung und Sichtung der schon gesammelten Materien beschäftigen, das wahrhaft merkwürdige herausholen und, durch eigenen Fleiß sowohl als Beiträge anderer, die Kenntniß desselben ergänzen, welche zuverläßig schon jetz vollstaendiger wäre, wenn nicht so mancher Sammler eine andere, wahrhaft leidige, Vollstaendigkeit bezweckt hätte, wie z. B. derjenige [Waldau!] welcher die „Lebensbeschreibung aller Geistlichen die in der Reichsstadt Nürnberg gedient haben" hat liefern wollen. […] Folgende Arbeiten würde ich zunächst in Vorschlag bringen:


1.) Eine kurze aber genaue Chronik Nürnbergs. Die Arbeit des Herrn Hofraths Siebenkees wäre dabey zu Grund zu legen.

2.) Eine kritische Prüfung und Vergleichung aller handschriftlichen Chroniken. Müllners Annalen würden dabey zu Grund gelegt und die Chroniken zu erst mit diesem Werke dann unter einander verglichen.

3.) Eine Sammlung von Nachrichten aus dem Leben merkwürdiger Nürnberger, hauptsächlich der berühmtesten: Martin Behaims, Wilibald Pirkheimers, Peter Vischers, Hanns Sachsens, Albrecht Dürers; dann aber auch anderer denkwürdiger Leute z. B. Wenzel Links, Veit Dietrichs, Hieronymus Baumgärtners, G. Richters, Jobst Kressens

4.) Nachtraege zu Roth's Handelsgeschichte, nur biß zum dreyßigjährigen Kriege

5.) Sammlung aller Zunftordungen aus dem 14ten und 15ten Jahrhundert

6.) Nachrichten von noch unbekannten oder doch unbeschriebenen Kunstdenkmaelern.


[…] In der lezten Zeit, wo Deutschland mitten in seiner Schmach sich selbst zu kennen und zu achten wieder anfing […] ward auch Nürnberg von den besten und Edelsten die Ehre wieder gegeben, die ihm das vorhergehende, leichtsinnige und flache, Geschlecht verweigert hatte. So spricht z.B. Ludwig Tieck in der Einleitung zum ersten Bande des Phantasus mit Liebe und Verehrung von der Stadt, welche ein Kotzebue acht Jahre früher nur zu schmähen gesucht hat. […]”


In die gleiche Kerbe schlug Johann Merkel (aus der bedeutenden Kaufmannsfamilie, später 2. Bürgermeister) anläßlich seiner Aufnahme am 7. November 1814:


„[…] Und nun sey es mir auch erlaubt, noch einige Bemerkungen zu dem Vorschlage zu machen, welche mein Schwager Roth in München in letzter Sitzung vorzutragen die Ehre hatte. […] so darf wohl seine [des Ordens] einzige Beschäftigung eine erhaltende und bewahrende genannt werden. […] Der Pegnesische Blumenorden […] soll sich mit einer Sammlung der nürnbergischen Alterthümer beschäftigen. Mit einer Sammlung mit Geschmack, Auswahl und Genauigkeit […] Freylich würde die Zusammenstellung und Vergleichung und überhaupt die eigentliche Bildung des großen Repertoriums aus den Zusammengetragenen Notizen immer das Geschäft einer oder weniger Personen seyn müssen, aber wenn nur der größte Theil der Mitglieder Interesse für die Sache hegt, wenn mehrere Fächer bestimmt werden, denen gewisse Personen vorstehen, […] so ist nicht zu zweifeln, daß das neue Geschäft bald in erwünschten Gang gebracht, und von Erfolg begleitet seyn wird. […]”


Hier wird das Kiefhabersche Bestreben nach einer akademieähnlichen inneren Organisation, lange vernachlässigt, wieder aufgegriffen und in Verbindung mit den Herausforderungen aus München gebracht.


Wieder ein Jahr später — man hätte in dieser Lage viel öfter tagen sollen! — schiebt auch Präses Seidel nach: „VI.) […] Schon vor einiger Zeit sey der pegnesische Blumen-Orden von dem Herrn Ober-Finanzrath Roth zu München aufgefordert worden, sich neben andern mit dem Zweck des Ordens in Verbindung stehenden Arbeiten auch mit Untersuchungen über die frühere Geschichte der Stadt Nürnberg und mit Sammlung der hiezu dienlichen Notizen zu beschäftigen. Es hätten sich auch einige Mitglieder des Ordens bereitwillig erklärt, nach ihren Kräften zur Erreichung dieser Absicht mitzuwirken. Er halte es daher für Pflicht, diesen Gegenstand wieder ins Gedächtniß zu bringen und den Vorschlag zu machen, daß die anzustellenden Untersuchungen sich vor der Hand (jedoch ohne andere historische Thatsachen auszuschließen) hauptsächlich auf Begebenheiten des fünfzehnden Jahrhunderts beschränken möchte. Besonders aber möchten diejenigen ausgezeichneten Verdienste, welche sich Nürnberg in dieser Zeitperiode um Künste und Wissenschaften erworben, in das gehörige Licht zu stellen seyn, wobey auch bisher wenig bekannte Notizen über die Lebensumstände berühmter Männer dieses Zeitalters, z.B. eines Pirckheimers, Dürers und anderer großer Zeitgenossen derselben sehr willkommen seyn würden. […]” Beschränkung auf ein enges Gebiet wäre schon recht, aber es wird die sattsam bekannte Dürerzeit, und von daher stammt letztlich die Unfähigkeit der Nürnberger, bis auf den heutigen Tag ihrer Geschichte auch in anderen Perioden eine allgemeine Aufmerksamkeit zu widmen.


Zahn-Evander möchte nicht zurückstehen, obwohl sein Augenlicht stark abnimmt; er schreibt am 1. Februar 1816 einen Brief an Seidel, in dem er seine „Sammlung von Lokal-Sprüchwörtern, Redens-Arten und Ausdrücken, welche lediglich in der Stadt Nürnberg gehört werden, u. auf selbige ihren Bezug haben„ ankündigt: „Sowol Euer Hochehrwürden mündlichen Aufmunterung, als auch unseres hochgeschäzten OrdensMitgliedes, des Königl. Baier. Herrn Oberfinanz Raths Dr. Roths zu München, am 5. Aug. 1814 schriftlich geäusertem Wunsch gemäß, habe ich es gewaget, zur Erläuterung der Geschichte unserer Vaterstadt, einige — vielleicht nicht ganz unbedeutende Beyträge zu liefern.”


Er habe nicht nur Roth, sondern auch Siebenkees (der damals „zu Landshut" lehrte) und mehreren Ordensmitgliedern einiges aus den über 100 Nummern mitgeteilt und Beifall sowie Aufforderung zur Fortführung erhalten und bietet an, fortlaufend in den Ordensversammlungen daraus vorzulesen, bescheidenerweise „als Lückenbüser". Er weiß selber nur zu gut, daß Mundartliches im Verhältnis zur gestellten Aufgabe ein Nischendasein führt, ist aber tapfer genug, wenigstens dies zu liefern — ein sehr beliebt gewordenes, immer wiederaufgelegtes Buch —, bevor gar nichts geschieht. Und es geschah ja sonst nichts. Ob die turbulenten Umstände des Sturzes Napoleons daran schuld sind, sei dahingestellt.


Auf der Suche nach Wegen zur Überwindung dieser blamablen Unfähigkeit besinnt man sich auf das Konzept zu einer Nürnberger Akademie und holt erst einmal aus, um auf der Grundlage der Kenntnis älterer Satzungen eine Neufassung zu diesem Zweck zu erarbeiten. Am 12. Februar 1816 „Wurde von dem Herrn Präses dem Secretariats-Vertreter Heiden der Auftrag ertheilt, die gedruckten Gesetze des Blumenordens abzulesen um solche den gesammten Ordens-Mitgliedern ins Gedächtniß zurückzurufen. Nach geschehener Vorlesung wurde allgemein der Wunsch geäußert, daß diese Gesetze durch den verehrlichen Vorstand des Ordens revidirt und da wo es die veränderten Zeitumstände erforderten, abgeändert, sonach aber dem Druck übergeben werden möchten. […]” Ein Jahr später ist man immer noch dabei, diesmal geht man zurück bis zum Anschlag: „[…] NB. Vorlesen der ältesten Gesetze aus dem Amarantes p. 54. […]”


Unterdessen wird Seidel die bloße Vereinsmeierei unter dem Gesichtspunkt des Niveauverlustes zu bunt: „IV.) Zur Sprache gebracht: Es meldeten sich seit einiger Zeit sehr viele zwar an sich schätzbare jedoch zu Mitgliedern eines literarischen Vereins nicht immer ganz geeignete Personen um die Aufnahme in den pegnesischen Blumenorden, so daß in die Länge zu befürchten stehe, dieser alte und ehrwürdige Orden […] möchte […] in eine gewöhnliche gemischte Conversations-Gesellschaft ausarten. […]”


Es hat in der Tat einiges für sich, äußerliche Mißhelligkeiten als Ursache für den Rückzug ins bloß noch Biedere zu sehen. Was man Tag für Tag zu sehen bekam, war zu traurig. Nun ging es an die Abwicklung der Altdorfer wissenschaftlichen Bestände. Kiefhaber suchte von München aus für Nürnberg, vielleicht für den Orden, zu retten, was zu retten war:


„München am 10. April 1818


Unter dem innigsten Wunsche, dass Euer Hochwürden [der Präses] im ununterbrochenen Wohlergehen sich befinden mögen, erlaube ich mir, da heute mein 43jähriger Freund Hr. Frauenholz, dessen Hierherkunft mich sehr angenehm überrascht, von hier nach Nürnberg zurückgeht, zu bemerken, daß er so eben daran ist, über die Verwendung der Bibliotheken zu Altdorf zu verfügen. So wie ich überhaupt wünschte, daß die allgemeine Bitte von der dortigen Commun gestellt werden wolle, daß man an die Stadtbibliothek in Nürnberg von den Bibl. zu Altdorf überlassen möchte, was der Kön. Centralbibliothek entbehrlich seyn würde u. vorzüglich, daß die bedeutende Sammlung der eigenen Stammbücher, welche derseel. Trew sich in einigen großen Bänden in Quer Quart, gehalten hatte, für dieselbe zu gewinnen seyn möchte, obschon dies wegen der vielen wichtigen Handschriften am schwersten halten wird: so habe ich doch schon vorläufig dafür einige Stimmen zu gewinnen gesucht, daß die Bibliothek der ehemaligen Deutschen Gesellschaft in Altdorf, an die Bibliothek des Nürnb. Pegnes. Blumenordens, als der ältesten teutschen Gesellschaft abgeliefert werden möchte. — Wenn daher Euer Hochwürden, als dermahliger hochverehrlicher Herr Vorsteher gefälligen wollten, ein kurzes Ersuchungsschreiben hierher gehen zu lassen und in demselben unzielsetzlich zu sagen: Da sicherem Vernehmen nach gegenwärtig die künftige Bestimmung der bisher noch versperrt gewesenen Altd. Bibliotheken, angesprochen werden soll u. unter solchen die ehemalige Bibl. der t. Ges. zu Altdorf sich befinde: so bäte der Blumenorden, als die dermahlige älteste litter. Ges. in Teutschland, daß man ihm dieselbe unzertrennt überlassen wolle, so würde ich dasselbe herzlich gerne insinuiren, aber noch besser, jenes Schreiben, das an das Kön. Staats-Minist. als Innere Bibliothekssache betr. instilo maiori gerichtet wird, aviso den Hn. OberIR Niethammer, als nunmehriges selbstiges Mitglied, mit einer Versikel zu begleiten u. demselben um seine Verwendung dafür eigens zu ersuchen. — Mich dünkt, es sey dies ein Gegenstand, der der näheren Beherzigung des Blumenordens gewiß würdig wäre, wenn nach so manchen Auflösungen, das Andenken an die vormahlige teutsche Gesellschaft in Altdorf, in dem Archiv des Pegnesischen Blumenordens so ehrend erhalten werden könnte! — Ich habe hier manchmal schon gedacht, ob nicht, da dermahlen 6 Mitgl. des Pegnesischen Blumenordens [in München] beyeinander sind, analogisch der Bezirks-Comitien des Landwirtschafts-Vereines, hier ein eigenes ComitéeŽ von jenem sich bilden ließe? — […] Ich bitte, mich dem ganzen verehrlichen Vorstand des Pegnes. Blumenordens gehorsamst zu empfehlen; empfehle mich Ihrer eigenen fortdauernden Gewogenheit und Freundschaft und verharre mit unvergrößerlicher Hochachtung


Euer Hochwürden

ganz gehorsamster Dn. U. Fr. Kiefhaber Dr. Professor.”


Eines ist in Erfüllung gegangen: Die Akten jener studentischen Gesellschaft, in der Kiefhaber und manch andere Pegnesen in ihrer Jugend das Ausarbeiten und Vortragen einübten, sind nun in den Beständen des Ordensarchivs. Die berühmte Treu'sche Bibliothek und das meiste andere, sofern es nicht verschollen ist, befindet sich nun in Erlangen und bildet den Grundstock der dortigen Universitätsbibliothek.



Die Satzung von 1820



Die Pegnesen, im leicht beschämenden Bewußtsein, dem wissenschaftlichen Betrieb hauptamtlicher, besoldeter Kräfte nichts beitragen zu können, was wirklich anerkennenswert wäre, treten einen bescheidenen Rückzug auf ihren Status als Privatgesellschaft an, möchten aber durchaus deren Niveau über das eines bloßen Gesprächszirkels heben, indem in einer neuen Satzung die früher vorgeschlagene Gliederung in akademieähnliche Teilbereiche festgeschrieben wird. Dazu tagt am 20. April 1818 der Ausschuß. Neun Personen sind anwesend.


"[…] Mit dem Anfange der zweiten Hälfte des achtzehnden Jahrhunderts sey aber durch die verdienstlichen Bemühungen der vorzüglichsten Schriftsteller unserer Nation die deutsche Sprache immer mehr von fremdartigen Auswüchsen gereiniget, mit Einsicht und Geschmack bearbeitet, aus ihrer eignen unerschöpflichen Fülle glücklich bereichert und hiedurch zu einer Stufe der Vollkommenheit erhoben worden, auf welcher sie jetzt einen vorzüglichen und ehrenvollen Rang unter den europäischen Sprachen behauptet. Hiedurch seyen aber die auf diesen Gegenstand gerichteten Bemühungen des Blumenordens, wo nicht gänzlich, doch zum grösten Theil entbehrlich geworden, und die Mitglieder desselben, welche solches selbst fühlten, hätten sich deswegen fast ausschließlich mit der Dichtkunst beschäftigt. [ab 1786 hätten die Neumitglieder auch alle schönen Wissenschaften als Aufgaben gesehen.] Diese ganz richtigen und in der Natur eines literarischen Vereins, wie der unserige, vollkommen gegründeten Ansichten seyen es nun, welche man bey Beurtheilung seiner jezigen Beschaffenheit und bey allenfallsigen Verbesserungs-Vorschlägen stets im Auge behalten müsse. […] Die  Mitglieder desselben seyen daher weit entfernt davon, den stolzen Gedanken zu hegen, sich unter die Kategorie der Akademien der Wissenschaften oder ähnlicher großer öffentlicher und unter der unmittelbaren Aufsicht der Regierungen stehender gelehrter Gesellschaften zu zählen. Inzwischen sey doch aber auch nicht zu mißkennen, daß selbst bey diesem anspruchlosen Bestreben, zur Beförderung des Guten und Schönen in ihrem Kreise nach Möglichkeit mitzuwirken, der Zweck ihrer Verbindung nicht erreicht werden könne, wenn, wie bisher nicht selten der Fall war, die zu den Ordens-Sizungen bestimmten Stunden lediglich mit Abstimmungen über die Aufnahme neuer Mitglieder, ökonomischen Angelegenheiten und andern ausserwesentlichen Formalitäten ausgefüllt würden […] ein Übelstand, der theils durch die schwache Frequenz bey den Ordens-Sizungen, theils durch die geringe Anzahl der wirklich aktiven Mitglieder und die hieraus entstandene Seltenheit der Vorlesungen oder anderer zweckmäßiger Beschäftigungen, entsprungen und zuweilen sehr auffallend geworden sey. [Hier folgt die Erwähnung der Satzungsrevision. Abweichend von den 1804/05 erörterten oder bereits eingerichteten Klassen werden folgende vorgeschlagen:]


I. Classe. Wissenschaftliche Gegenstände überhaupt, jedoch mit Ausschluß der sogenannten Facultäts-Wissenschaften.

II. Classe. Geschichtskunde, welche sowohl die allgemeine, als die Provinzial-Geschichte, nebst den damit verwandten Hülfs-Wissenschaften begreift.

III. Classe. Schöne Wissenschaften und Künste, nemlich:

    a) Dichtkunst,

    b) Beredsamkeit und deutsche Sprachforschung,

    c) Bildende Künste, sowohl in theoretischer als praktischer Hinsicht


3.) Jedes dermalige Mitglied des pegnesischen Blumen-Ordens wäre zu ersuchen, und jedem künftigen Mitglied wäre es zur unerläßlichen Bedingniß seiner Aufnahme zu machen, sich nach eigener Wahl für eine oder die andere dieser Classen zu erklären und an deren Arbeiten thätigen Antheil zu nehmen.


4.) Jede dieser Klassen [sic] erhielte einen aus den zu dieser Classe gehörigen Individuen zu erwählenden Director, welcher wegen Übernahme literarischer Arbeiten und Vorlesungen mit den Mitgliedern seiner Section Rücksprache zu halten und dem Herrn Präses von dem Erfolg derselben in Kenntniß zu setzen habe, damit dieser die Wahl der vorzulegenden Gegenstände bestimmen könne. […]


[Der Vorschlag, eine bestimmte Höchstzahl von Mitgliedern festzusetzen, wird fallengelassen, weil man ja keine besoldeten, sondern freiwillige Mitglieder habe und keine geschickten Kandidaten abweisen wolle.]


1) Daß diejenigen Personen, welche in den Blumen-Orden aufgenommen zu werden wünschen, durch ein Mitglied des Ordens vor allem dem Herrn Präses bekanntgemacht, hierauf aber von diesem allein, nicht aber durch einzelne Mitglieder, bey der nächsten Ordens-Versammlung zur Aufnahme in Vorschlag gebracht werden müssen […]


2) Daß die Aufnahme der  Mitglieder künftig […] eine Majoriät von vollen zwey Drittheilen bejahender Stimmen der anwesenden Mitglieder erforderlich seyn solle. […]"


Dazwischen versucht man dennoch, die Münchner nicht ganz zu enttäuschen und wird dabei unerwartet aktuell: "V.) […] Bey dieser Gelegenheit machte der Herr Präses den Vorschlag: Daß von denjenigen Ordens-Mitgliedern, welche Lust und Muße hiezu haben eine Zusammenstellung aller zu ihrer Kenntniß gekommenen für die Stadt Nürnberg merkwürdige Begebenheiten seit dem Anfang des 19den Jahrhunderts gefertigt, einem Mitglied der historischen Klasse zur Bearbeitung übergeben und hiedurch der Grund zu einer für die Mit- und Nachwelt interessanten Fortsetzung der Nürnbergischen Chroniken gelegt werden möchte. Mit diesem Vorschlag war man allgemein einverstanden."


Es ist eine Tabelle vorhanden, die als Rundschreiben umherging und in die sich die Mitglieder nach der gewünschten Zugehörigkeit in die verschiedenen Klassen eintrugen. Mehrfachnennungen scheinen erlaubt gewesen zu sein. Unterzeichnet hat der neue Schriftführer Heiden.


"Circulare


[…] Zur Erleichterung dieser Erklärungen ist diesem Circular ein nach den verschiedenen Klassen der literarischen Arbeiten geordnetes tabellarisches Schema beigefügt worden, in welches die Ordens-Mitglieder, nach eigener Wahl ihre Namen einzutragen belieben wollen […]


Nürnberg den 1sten Januar 1819.


Nikolaus Adam Heiden, Ordens-Secretär"



Wem es an Kreativität und Initiative fehlt, der macht wenigstens schöne Schemata. Auffallend ist die Bevorzugung des am unschärfsten umgrenzten Gebiets, der 1. Klasse.


Am 21. Oktober 1819 wird dem Ausschuß, von dem acht Personen anwesend sind, der Satzungsentwurf zur endgültigen Überarbeitung vorgelegt: "II.) […] legte der Sekretär [Heiden] den bey heutiger Conferenz anwesenden Mitgliedern des Vorstands und Ausschußes einen von ihm gefertigten Entwurf einer Revision dieser Gesetze vor, mit dem Ersuchen solchen einer genauen Prüfung zu unterstellen und zur Vorlegung bey der nächstbevorstehenden Ordens-Versammlung vorzubereiten. […]" Schon am 8. November wird darüber in der Hauptversammlung abgestimmt und es wird zu jeder der Klassen ein Diskussionsleiter gewählt:


"I) […] Hierauf wurde gedachter Entwurf der verbesserten und den jetzigen Verhältnissen des Ordens gemäs eingerichteten Gesetze durch den Ordens-Secretär laut vorgelesen, über jeden einzelnen Paragraphen abgestimmt, die mehresten dieser Abschnitte durch allgemeine Beystimmung, einige wenige aber durch eine überwiegende Stimmen-Mehrheit, genehmiget und hierauf beschlossen: Daß diese erneuerten Gesetze als allgemein verbindliche Norm für den gesammten Blumenorden anerkannt, ohne Verzug dem Druck übergeben und den jetzigen und künftigen Ordens-Mitgliedern zur Nachachtung mitgetheilt werden sollen. […]

III) […] Bey der I. Klasse, welche sich mit wissenschaftlichen Gegenständen überhaupt […] beschäftiget, wurden durch die Mehrheit der Stimmen Herr Graf von Soden und Herr Dr. Osterhausen zu Directoren erwählt. Bey der II. Klasse, welche die Geschichtskunde […] begreift, wurde Herr Diaconus Wilder zum Director erkoren. Bey der III. Klasse, welche die schönen Künste und Wissenschaften umfaßt, fiel die Wahl eines Vorstehers auf Herrn Grafen von Soden."


Inwieweit wichen die Punkte der gedruckten Satzung von 1820 von den bisher genannten Fassungen ab?

Der Punkt I ist inhaltlich dem entsprechenden Punkt von 1791 gleich, sprachlich aber modernisiert: "Der Vorstand des Nürnbergischen Blumenordens bestehet in einem Präses, zwei [statt ,zween'] Consulenten, und einem Secretär."


Punkt II, über die Aufgaben des Präses, ist bis auf den Wegfall des Halbsatzes "welcher [der ältere Consulent] aber die, dem Präses allein zustehende Entscheidung nicht geben kann." mit der Satzung von 1791 identisch, nur in der Rechtschreibung leicht verändert.


Punkt III, über die Consulenten, ist mit der Fassung von 1791 bis auf Einzelheiten der Rechtschreibung identisch.

Der Punkt IV, der den Secretär betrifft, erhält gegenüber 1791 keine Erwähnung der Irrhainschlüssel mehr. Auch ist nicht mehr davon die Rede, daß er jährlich für seine Bemühung sechs Gulden erhalte.


An den Bestimmungen zur Wahl des Präses in Punkt V hat sich nur geändert, daß nicht mehr die "Linien" den Bereich abgrenzen, innerhalb dessen die Wählbaren wohnen müssen, sondern "Burgfrieden" dazu gesagt wird.

Punkt VI, über den Ausschuß, ist bis auf Sprachliches identisch mit der Fassung von 1791.


Punkt VII ist ziemlich vereinfacht worden und lautet nun: "Diejenigen Personen, welche in den pegnesischen Blumen-Orden aufgenommen zu werden wünschen, müssen sich entweder persönlich um die Aufnahme melden, oder durch ein Mitglied des Ordens dem Präses bekannt gemacht, hierauf aber von diesem Letztern allein bei der nächsten Ordens-Versammlung in Vorschlag gebracht werden, worauf sodann erst in der nächstfolgenden Sitzung über die Aufzunehmenden ballotirt wird." Von einer Vierteljahresfrist ist unter diesem Punkt nichts mehr verzeichnet.


Von VIII an weicht die Zählung von derjenigen der vorigen Satzung ab, untergliedert Bestimmungen, die vorher unter VII eingeordnet waren, und bei der neuen VIII findet sich die vom Ausschuß vorgeschlagene Verschärfung der Abstimmungsbedingungen zur Neuaufnahme: "Die Aufnahme der Mitglieder wird nicht blos durch die Mehrheit der Stimmen entschieden, sondern es ist zu derselben eine Mehrheit von vollen zwei Drittheilen bejahender Stimmen der anwesenden Mitglieder erforderlich."


Punkt IX schafft die bisherige Freiwilligkeit des Eintrittsgeschenks ab: "Jedes Mitglied des Blumen-Ordens macht sich bei seiner Aufnahme verbindlich, ein Eintrittsgeld von wenigstens einem Dukaten an die Ordenskasse zu entrichten, ohne daß jedoch dem edlen Gemeinsinn und der Freigebigkeit bemittelter Mitglieder hiedurch Schranken gesetzt werden sollen."


Punkt X regelt den Austrittsmodus in derselben Weise wie 1791.


Gegenüber der alten Regelung, daß die Ordenssitzungen "nach fünf Uhr" beginnen, wird in XI auf "sechs Uhr" präzisiert. Über die abzulesenden Vorträge heißt es nurmehr, daß die "Geschichte" als Gegenstand nicht auszuschließen sei, nicht mehr die "vaterländische Geschichte".


Punkt XII ist inhaltlich völlig neu und nimmt die Ergebnisse der Debatte über innere Untergliederung auf: "Um den Präses in den Stand zu setzen, bei jeder Ordens-Versammlung schon vorläufig dafür Sorge zu tragen, daß es bei der nächsten Sitzung nicht an Gegenständen der literarischen Unterhaltungen fehlen möge, sind die Arbeiten der Ordens-Mitglieder in folgende Klassen eingetheilt worden." Es folgt wortwörtlich die Einteilung, die der Ausschuß vorgeschlagen hatte und über die abgestimmt worden war.


Die Verpflichtung der Mitglieder auf diese akademieähnliche Tätigkeit wird knapper gefaßt in Punkt XIII: "Jedes künftige Mitglied des Blumen-Ordens hat sich vor seiner Aufnahme für eine oder die andere dieser Klassen zu erklären und anderen Arbeiten thätigen Antheil zu nehmen."


Punkt XIV übernimmt fast wörtlich die Bestimmung über die ,Directoren' der einzelnen Klassen, nennt sie aber ,Vorsteher'.


Die erwähnte Verdopplung des jährlichen Mitgliedsbeitrags ist in Punkt XV niedergelegt.


Punkt XVI ist wieder eine beinahe wörtliche Abschrift des alten Punktes X. Dies ist aber deswegen bedeutsam, da sich die Praxis seit 1791 zeitweise gelockert hatte. Es heißt nun wieder: "Die auswärtigen ordentlichen Mitglieder bezahlen die nemlichen jährlichen und ausserordentlichen Beiträge, die sie an den Secretär einzusenden haben. Ihnen stehet der Zutritt zu den gewöhnlichen Ordensversammlungen ohne Ausnahme frei, so wie sie auch gelehrte Abhandlungen, gute Vorschläge, auch bei wichtigen Vorfällen ihre Stimmen, schriftlich einsenden können. Bei einer bevorstehenden Wahl eines neuen Präses wird ihnen jederzeit davon Nachricht gegeben, und sie zur Theilnehmung an der Wahl eingeladen." — Das räumt ihnen Rechte ein, welche sie wohl kaum wahrnehmen können, nur damit mehr Geld in die Kasse kommt. Von Ehrenmitgliedern, obwohl es zu dieser Zeit etliche gibt, ist ungeschickterweise nicht die Rede, und dies läßt der Auslegung Spielraum, daß diese auswärtige nicht-ordentliche Mitglieder und daher von Beiträgen befreit seien.


1791 hatte es nur einen kurzen Satz über die Druckkosten der Nachrufe gegeben: Sie gingen zu Lasten der Gesellschaft. Nun wird unter XVII dazu noch einmal ausdrücklich erklärt: "Das Andenken derjenigen Mitglieder des Ordens, welche sich auf irgend eine Art um diesen literarischen Verein [!] besonders verdient gemacht haben, soll nach ihrem Tod durch eine kurze Biographie und Charakteristik der Verewigten gefeiert und erhalten werden, zu deren Verfassung der Präses ein hiezu geeignetes Mitglied aufzufordern hat. Wem diese Auszeichnung zu Theil werden soll, bestimmt der Orden durch Ballotage."


Die alten Regelungen, daß von Veröffentlichungen der Mitglieder je ein Exemplar zum Archiv gegeben werde, und daß man bei der Aufnahme eine kurze Lebensbeschreibung von sich liefern solle, werden in Punkt XVIII und XIX mit dem einzigen Zusatz fortgeschrieben, daß die Lebensbeschreibungen in ein "hiezu bestimmtes Buch" eingeschrieben werden.


Neu ist in Punkt XX: "Jedes Mitglied, dessen Bildniß im Kupferstich herausgekommen, hat ein Exemplar hievon zu dem Ordens-Archiv abzugeben."


Die Punkte XXI (über die Erhaltung der Irrhainhütten), XXII (über Rettung des Archivs im Brandfall) und schließlich XXIII (über das Unterschreiben und die Verbindlichkeit der Satzung) sind wortwörtliche Übernahmen der Punkte XIV bis XVI der alten Satzung von 1791.


Bemerkenswerter Weise erfüllte Johannes Scharrer bei seinem Eintritt in den Orden die neuen Bestimmungen dahingehend, daß er nicht in die II. Klasse aufgenommen werden wollte, in die er gemäß Beruf und Interessen gehört hätte (Hilfwissenschaften: ,Ökonomie'), sondern in die dritte: