Graf Ehrenfried
Besitzhandlungen:
1. Graf Ehrenfried hat eine Grafschaft lehensrechtlich inne, mit einer „Wildbahn“ (d.h. es gibt dort Wälder mit jagbarem Wild), und hat das alleinige Jagdrecht vor seinen Untertanen.
2. Graf Ehrenfried, statt seine Leute zu besolden, „vertut“ sein Geld und muß oft Teile seiner Kleidung oder seines Hausrats versetzen. Er kann sie dann nicht wieder einlösen.
3. Die Geldgeber des Grafen bestehen auf Einhaltung der Leihfrist, da sie ja nur Pfänder haben und keinen Zins bekommen. Sie drohen ihm, die Pfänder zu vertrödeln.
4. Graf Ehrenfried erhält vom König manchmal Geld und Kleider zum Geschenk.
5. Der Kammerjunge des Grafen bestiehlt den gräflichen Hausrat.
6. Der Graf nimmt zwei Jäger in seine Dienste auf, verspricht ihnen Besoldung, aber nennt nicht die Summe; und die sind‘s zufrieden.
7. Die Bedienten des Grafen versuchen ihrerseits durch Verkauf ihrer letzten unbedeutenden Habseligkeiten zu Geld zu kommen.
8. Der Graf will selber eine Lotterie abhalten, um einmal auf der Gewinner-Seite zu sein.
9. Die Läufer des Grafen verlassen seinen Dienst, weil sie kein Kostgeld bekommen. Sie sind so abgerissen, daß sie wahrscheinlich keinen anderen Herrn finden werden; sie müssen es auf sich nehmen, von Bettelei zu leben, bis sie in ihre Heimat kommen.
10. Injurius ist verprügelt worden. Er will Schmerzensgeld.
11. Injurius hat einem Bauern 6 Gulden gegeben, damit er einen Meineid leistet.
12. Injurius hat wegen der in seinen Eingaben verwendeten Anzüglichkeiten schon mehrmals Geldstrafen auferlegt bekommen.
13. Der Graf hat kein Stadthaus, sondern wohnt zur Miete. Er kann aber die Miete nicht mehr zahlen und soll auf die Straße gesetzt werden. Bei Hof ist auch kein Gemach mehr frei.
14. Der König bewilligt einem von Ehrenfried verführten Mädchen eine Aussteuer, damit er sie heiratet.
Es ist zu beobachten, daß manche dieser Handlungen erst erzählt, dann szenisch vorgeführt werden.
Einteilung der Personen nach ihren Besitzverhältnissen:
Graf Ehrenfried — Angehöriger des mittleren Adels, mit Grundbesitz, aber verarmt, insolvent, ohne Hof- oder Kriegsamt.
Feuerfax, Fortunatus, Friedenschild, Hasenius, Mirax, Narruffsky, Pamphylius, Cursino, Culin, Marode, Sylvester, Damastor, Kilian, Mummelmärten, Grethe — Bediente des Grafen, finanziell und rechtlich von ihm abhängig. Die ersten drei sind Militärs, der vierte Sekretär; sie gehören also wahrscheinlich zu den besseren herrschaftlichen Dienern, die nicht mit Prügeln und Futter zur Raison gebracht werden, sondern mit denen der Herr eine gewisse Vertraulichkeit halten kann. Sie stehen dadurch zwar gesellschaftlich höher als mancher kleine Bürger; hier kommt jedoch der betrübliche Umstand hinzu, daß sie oft am Notwendigsten Mangel leiden.
Courage — Bedienter eines anderen Herrn. Vermutlich der Köchin Grete gleichgestellt, wie aus ihrer Liebeshandlung hervorgeht.
Servillo — königlicher Page. Wie aus Mummelmärtens Schlußmonolog in III, 8 hervorgeht, sind die Pagen geringer als die Kammerjungen, wie er einer ist; aber sie sind, jedenfalls am königlichen Hof, besser verpflegt.
Clare — Besitzerin des Hauses, in dem Graf Ehrenfried wohnt.
Leonore — Graf Ehrenfrieds Geliebte. Steht mit Courage auf Du und Du, ist aber wahrscheinlich keine Bediente, weil Courage von ihr als „Fräulein Lorgen“ spricht. Sie wird wohl ein armes Bürgermädchen sein. (vgl. III, 9. Zur Textausgabe: Christian Reuter, Graf Ehrenfried, Abdruck der Erstausgabe von 1700, hg. Wolfgang Hecht, Tübingen 1961, in der Reihe: Neudrucke deutscher Literaturwerke, Neue Folge 2.)
Leander und Jucundus — Studenten. Fakultät nicht genannt. Ganz offensichtlich vermögender als die Leute des Grafen.
Injurius — Winkeladvokat von der ungelehrtesten und verachtetsten Sorte. Bedient Klienten im Weinkeller, wo er beinah seinen Wohnsitz hat. Einkommen vermutlich kümmerlich.
Herr Johannes und seine Frau Walpe — Gastwirtsehepaar. Die einzigen wohlhabenden Leute im Stück. Haben viele Außenstände und sind das Anschreiben schon gewöhnt.
Klunte — eine alte Frau, die mit Pfandleihgeschäften zu tun hat.
Thomas — Nachtwächter in städtischen Diensten.
Was man hieraus ersehen kann, ist nicht das lückenlose Spektrum des wirtschaftlichen Lebens der Zeit, sondern ein Ausschnitt davon. Dieser aber scheint in den Einzelheiten der Wirklichkeit angepaßt zu sein. Wir lernen die Schwierigkeiten des neu zum Hofe gekommenen Adeligen kennen, der nicht mehr allein Landwirt sein will, sondern auf standesgemäßes Auftreten in der Residenz Prätensionen macht. Man bräuchte gar nicht zu wissen, daß Reuter einen tatsächlichen Grafen Georg Ehrenfried von Lüttichau unter dessen eigenem Namen zum Vorbild seiner Bühnengestalt genommen hat, um zu erkennen, daß hier das materiale Repertoire wenige oder gar keine konventionellen, sondern durchaus aktuelle Elemente in sich schließt. Was weiter daran zu erkennen ist: Die wirtschaftlichen und sozialen Zustände entsprechen dem ständischen Modell, innerhalb dessen sich parasitär einzelne frühkapitalistische Gewerbe ernähren. Wir sehen allerdings nur Dienstleistungsberufe, keine Produzenten, keine eigentlichen Händler, nur Pfandleiher, und die Gelehrten treten nicht als solche in Erscheinung. Wir können das Material dieses Stückes nicht mit unserem Terminus "bürgerlich" bezeichnen.
Welche Soziolekte könnten das Material für die Reden in der Komödie abgegeben haben? Reuter scheint einen Kompromiß angestrebt zu haben zwischen dem Grundsatz, man solle die Reden den Personen entsprechend nachahmen, und dem Bestreben nach einer einheitlichen dictio. Es ist allerdings nicht möglich, wie der Vergleich mit Talanders Briefsteller erweisen kann, in den Differenzierungen der Stillage eine soziale Distinktion zu sehen. Stilunterscheidende Merkmale sind meines Erachtens erst auf der ästhetischen Ebene zu beobachten und haben mit Charakterkomik zu tun. Im übrigen herrscht ein meist parataktisch gefügter niederer Stil: kurz, ohne Zierlichkeiten, gar nicht galant, stellenweise sogar recht grobianisch. Die Fremdwörter, die auch im Druck hervorgehoben sind, kann man an den Fingern abzählen. Vermutlich ist für diesen Stil noch eher die Praxis der Wanderbühne als die Weises vorbildlich gewesen; am ehesten aber der noch nicht sehr von galanten Idealen beeinflußte Soziolekt der Studenten, wie Reuter einer war.
Thema der Komödie:
Der Titel scheint darauf hinzuweisen, daß ein Pasquill gegen eine bestimmte reale Person beabsichtigt sei. Dies ist als vordergründiger Anlaß durchaus anzunehmen und wird wahrscheinlich gemacht durch die Verbindungen Reuters zu Dresdner Hofkreisen, in denen Graf Ehrenfried von Lüttichau ohnehin zum Gespött geworden war. Es wäre allerdings zu überlegen, ob nicht Reuter, ähnlich wie Weise, einen derartigen begrenzten Anlaß nicht vorsichtiger-und hintersinnigerweise zum Vorwand für allgemeinere Satire genommen haben könnte. (vgl. Joachim Wich, Studien zu den Dramen Christian Weises, Diss. Erlangen 1961, S.126 f.) Die Selektion des materialen Repertoire und dessen lediglich semantisch determinierte Bezeichnung läßt jedenfalls noch folgende Themata erkennen:
Anzahl der Dienerschaft, deren ein Herr zu seinem „Staate“ bedarf — Brauchbarkeit der Diener — Verhältnis adeligen Lebensstils zur Finanzdeckung — Liebe zwischen Bedienten; ihre Probleme bis zur Eheschließung — Herr und Untertan, ihre Rechte und Pflichten — wie steht der Graf zum Hofe, zum König? — Liebe und Ehe zwischen Personen ungleichen Standes — Standesehre der Juristen — Konversion zum Katholizismus. Das letzte kam zu aktueller Bedeutung durch die Konversion Augusts des Starken, der damit polnischer König werden konnte. Eine Anspielung auf das „polnische Abenteuer“ findet sich in einem parodierten Panegyrikus in II,7.
Typisierung der Personen:
Im Personenverzeichnis werden Leander und Jucundus als „lustige“ Studenten aufgeführt; auch Courage erscheint als „lustiger“ Diener. Man wird nicht fehlgehen, in Courage einen Abkömmling der „lustigen Person“, einen Hanswurst zu erblicken, da überdies in den Regieanweisungen zu seiner Rolle Lazzi angedeutet sind: „Hustet und macht närrische Praeparatoria“ (I, 5). Auch seinen reglementwidrigen Böllerschuß in III,18 wird man sich als Anlaß für eine niedrig-komische mimische Aktion denken müssen; etwa, indem alles kräftig erschrickt, er selbst inbegriffen. Ansonsten ist er ein relativ gesitteter Hanswurst. Seine Liebste, die Grete, ist schon noch ein wenig vorwitziger, was zum Beispiel sexuelle Anspielungen angeht. Die lustigen Studenten hingegen sind in höherem Maße Studenten als lustige Personen; ihre diesbezügliche Funktion erschöpft sich darin, Partner im komischen Dialog mit dem „lustigen Weinschencken“ Johannes zu sein. Dieser ist nun eigentlich die komische Figur, mit Stereotypien in der Rede und höchstwahrscheinlich auch in der Gestik, mit seiner Narrenfreiheit, mit allen auf Du und Du zu stehen, und mit einer weitgespannten Möglichkeit zu improvisiertem Spiel, wo es heißt: „Hier agiret Herr Johannes noch allerhand possierliche Schwäncke […]“ (II, 8). Vom Rollentyp her gesehen, ist er ein später Nachfahre des pappus, des stotternden oder polternden Dummkopfes der Atellane, allerdings ein schlauerer. Es mag uns genügen zu wissen, daß sein Typ in der Komödienliteratur immer wieder vorkommt, wenn auch mit Abwandlungen.
Hasenius, „des Grafens Secretair“, konnte wohl von dem Schauspieler gegeben werden, der sonst den Dottore oder einen ähnlichen Rollentyp des Theatre italien zu verkörpern hatte; Injurius, „ein versoffener Advocate“ — das ist eine Rolle nach dem Schema des Pantalone, jedenfalls, was das geschilderte Äußere der Figur angeht. Mummelmärten, „des Grafens ungetreuer Cammer-Junge“, ist wiederum mit manchen Funktionen der lustigen Person ausgestattet, besonders, wenn er sich ans Publikum wendet. Clare, „des Grafens Hauswirthin“, könnte ins Rollenfach der „komischen Alten“ schlagen. Klunte, „eine alte Trödel-Frau“, ins Fach der Kupplerin, der ruffiana.
Etwas zweifelhaft steht es um Fortunatus und Leonore. Der erstere mag eine Vertrautenrolle nach dem Vorbild des Molière'schen „Arist“ spielen; dagegen spricht allerdings die ironische Pointe, daß er nach Mitteilung der Interna aus dem Haushalt seines Herrn dem Publikum gegenüber sich brüstet, er sei verschwiegen (I, 3); es spricht außerdem dagegen, daß er das Petschaft des Grafen auf eigene Rechnung verkauft hat. Er ist jedenfalls noch nicht einer der späteren Herren „Wahrmund“. Leonore nun, die vom Namen her als Typ der jungen Liebenden aus der Commedia dell'arte erscheint, wird von Reuter im Personenverzeichnis als „Närrin“ geführt. Ich kann darin keine nachträgliche Bezeichnung ihrer komischen Funktion im Stück sehen; mir scheint manches Komische an ihrem Handeln erst deswegen aufgesetzt zu sein, weil sie als eine Frau, die ihre Ehre verloren hat, zur Satire herhalten muß. „Närrin“ würde also eine moralische Bewertung darstellen. Dazu kommt, daß sie die Partnerin des Grafen Ehrenfried wird, der ja fortschreitend als Narr dekuvriert wird.
Dieser Graf Ehrenfried selbst, die Hauptrolle, ist nun jedenfalls kein Charaktertyp — er müßte denn ein sehr differenzierter Charaktertyp sein; dagegen sprechen aber, wie wir sehen werden, die vorwiegend niedrigkomischen Darstellungsmittel, mit denen diese Rolle ausgestattet ist. In der Tat hat der reale Graf von Lüttichau, der wohl wie die meisten unglücklichen Menschen eine sehr komplexe Psyche hatte, hier zu einer Karikatur Modell gestanden, die sich auf niedere Komik statt auf leicht zu beobachtende Grundzüge des Charakters beschränkt und deshalb notwendigerweise in der Art einer Anekdotensammlung eine Einzelbeobachtung an die andere reiht, ohne eine Systematik zu versuchen.
Die übrigen, hier noch nicht erwähnten Personen — es sind immerhin noch neunzehn, Musikanten und Tänzer nicht gerechnet — sind überhaupt nicht typisiert, von ihren dienstlichen Funktionen einmal abgesehen, und dienen nur dazu, den Hofstaat des Grafen sichtbar zu machen oder als Stichwortgeber in der Handlung zu fungieren oder weitere Anekdoten und Witze loszuwerden.
Die Handlung ist mehrfach: Die Handlung von der fortschreitenden Zahlungsunfähigkeit des Grafen und seine Liebesaffäre mit Leonore wirken einander entgegen und überschneiden sich erst am Schluß.
Die zweite Liebeshandlung ist deutlicher ausgeführt, aber ohne direkten Handlungszusammenhang, auf der Ebene der Diener Grethe und Courage. Dazu kommt eine längere Episode in Herrn Johannsens Weinkeller.
Eine Fabel läßt sich allenfalls im Ablauf der finanziellen Verhältnisse des Grafen feststellen: Ihre Protasis besteht im Anwerben der zahlreichen Dienerschaft, im „Vertun“ der Einkünfte und im Versetzen von Gegenständen. Dies ist eine ökonomische Falle, in die sich Ehrenfried in der Epitasis nur immer weiter verrennt. Abhilfe versucht er mithilfe der Lotterie bei Hofe. Als das fehlschlägt, versucht er es mit einer eigenen Lotterie. Auch das schlägt fehl. Ein retardierendes Moment bildet die Szene, in der er sich durch Konversion sanieren will. Katastasis liegt vor, als seine Diener ihn nach und nach verlassen und die Hauswirtin ihm kündigt. Den Glückswechsel zum Besseren bringt die Heirat mit der reich gewordenen Leonore; daß sie reich geworden ist, scheint mir ein deus-ex-machina-Effekt: der König steckt dahinter. Man könnte also durchaus sagen, daß die Besitzhandlungen den Gang der Handlung, wenn auch locker, zusammenhalten. Die bühnentechnische Entsprechung dieses Handlungsgefüges ist von F.J.Schneider beschrieben worden: Reuter habe seine Komödien aus genauer Kenntnis der Leipziger Bühnenverhältnisse geschrieben und auf eine Aufführung durch eine gastierende Wandertruppe gerechnet. Im Unterschied zu Weise aber, der sich der Wanderbühnenpraxis weitgehender angeglichen habe, vollziehe sich bei Reuter der Wechsel der Spielfelder viel regelmäßiger und übersichtlicher und korrespondiere besser mit den Phasen des Handlungsablaufes. Dies ist kein Wunder, nachdem wir gesehen haben, wie die Entwicklung der Besitzverhältnisse der Handlung erst Durchgängigkeit verleiht. Reuter kann allerdings noch nicht so ökonomisch verfahren wie das von Gottsched später propagierte Ein-Ort-Drama, weil er die Personen nicht nur interagieren lassen, sondern auch ständisch kontrastieren will. (vgl. Ferdinand Josef Schneider, Christian Reuters Komödien und die Bühne, in: Zs.f.dt.Philologie, 62, Heft 4, Stuttgart 1937, S.73-77.)
Besitzhandlungen als Teil komischer Bühnen-Effekte:
I, 9: Parodie auf ein im Kanzleistil ausgefertigtes Mandat, welches das alleinige Jagdrecht des Grafen vor seinen Untertanen und deren Frondienste betrifft. — Komischer Kontrast: das Mandat braucht ein repräsentatives, „hochgräfliches“ Siegel. Es stellt sich heraus, daß das Petschaft versetzt ist. — Komische Steigerung: der Graf will mit einem Groschen siegeln lassen, hat selber keinen, fragt seine Leute der Reihe nach, aber keiner hat einen Groschen Geldes bei sich, außer dem „Hausdieb“ Mummelmärten. — Komischer Streit: im Angesicht seines Herrn rühmt sich Mummelmärten seines Stehlens und verteidigt sich mit frechen Reden gegen den Stallmeister Mirax, ohne daß der Herr einschreitet. — Unzulänglichkeitskomik: Graf Ehrenfried nimmt zwei Jäger in seine Dienste und versieht sie mit großartigen Prädikaten, verspricht auch, sie von seinen Handgeldern gut zu besolden; dabei ist in dieser Szene offenbar geworden, daß er oft kein Geld hat, und daß seine Bedienten folglich auch keines haben.
I, 11: Lazzo: Graf Ehrenfried zieht seinen Überrock aus, um ihn zu versetzen und leiht sich den seines Kapitänleutnants; dieser soll dafür den eines Kammerdieners entleihen; der will ihn aber nicht hergeben.
II, 9: Komischer Kontrast: Der Kapitänleutnant kommt von Hofe und möchte in der Weinschenke ein altes Schnupftuch um einen Taler verkaufen; er bekommt nur zwei Groschen dafür geboten und geht wieder zurück zur Lotterie am Hof.
II, 10: Komische Wiederholung: Feuerfax und Friedenschild kommen in den Weinkeller, entschuldigen sich, sie hätten bei Hofe zu viel Wein getrunken, und wollen nur ein (billiges) Glas Bier. Sie erzählen haarsträubende Geschichten von ihren Kriegstaten und verkaufen eine wundertätige Kugel weit unter ihrem ersten Angebot. Jeder kann sehen, daß sie arme Teufel sind, aber der Schein bleibt gewahrt. Ein hochkomischer Zug an dieser Szene scheint mir zu sein, daß Friedenschild Anstalten macht, auch noch seinen Stoßdegen zu verkaufen, auf den er sonst schwört, aber von Feuerfax daran auf feine Weise gehindert wird, indem dieser zum Aufbruch drängt.
II, 18: Komischer Dialog: Graf Ehrenfried fragt insistierend nach den Ursachen, warum die Kammerdiener ihm bei einem nächtlichen Überfall nicht zu Hilfe kamen, warum sie die Hosen flicken ließen, etc. Nach einiger Zeit stößt er unvermeidlich auf den letzten Grund: Geldmangel.
II, 22: Komischer Kontrast: Herr und Dienerschaft, sonst durch Etikette streng geschieden, liegen, weil das Bett versetzt ist, auf Stroh wie Kraut und Rüben durcheinander.
II, 2: Im komischen Monolog kommt der Satz vor: „weil andere Glücks-Töpffer von solcher Profession reich würden/ warumb solte er es/ als ein Graf/ nicht auch so weit bringen können.“
III, 3: Komischer Dialog: Man ist gar nicht begeistert von der Aussicht auf die Gewinne in Graf Ehrenfrieds Lotterie.
Pantomime nach III, 4: Die Gewinne sind auch nicht danach.
III, 6: Komischer Monolog: es wird berichtet, daß der Graf mehr an den Treffern verloren als an den Einsätzen gewonnen hat.
III, 7,8: Komische Dekuvrierung Mummelmärtens als Dieb und seine Retourkutsche.
III, 10: Komischer Kontrast: Das geistliche Habit und die weltlichen Probleme.
III, 12: Komischer Kontrast: Fortunatus erinnert die Hauswirtin daran, daß der Graf in seiner Grafschaft zehn Häuser habe; sie erscheint gegen ihn als arme Frau, aber sie kann mit Kündigung drohen, da sie nicht bezahlt wird.
III, 12: Komischer Kontrast: Zur Hochzeit des Grafen können nicht standesgemäß die Böller geschossen werden, weil kein Pulver da ist; die ganzen Begleiter haben, wie schon früher manchmal, „Puff“ zu schreien.
III, 19: Komische Steigerung als Nebeneffekt eines Auftritts der lustigen Person: zum guten Schluß kommt auch noch Herr Johannes zur Feiergesellschaft, um Außenstände einzufordern; läßt sich aber schnell vertrösten, als er die neue finanzielle Lage erkennt, woraus er in Zukunft noch Geschäfte schlagen kann.
Die Beispiele komischer Diskrepanzen unterliegen wohl noch der im Barock beliebten Schein-Sein-Thematik; nur ist diese hier nicht moralisch verstanden, sondern bezieht sich auf Titel und Würden einerseits sowie Armut andererseits. Von da aus gelangt man zu einem Ansatz der Satire, der über die Verspottung einer realen Person hinausführt. Wir werden davon nur diejenigen satirischen Aussagen betrachten, die für Besitzverhältnisse von Wichtigkeit sind.
Was nicht sein soll:
-Daß man mehr Geld ausgibt als man hat, denn dadurch ruiniert man sich oder wird wenigstens von Gläubigern abhängig.
-Daß man einen Zahlungstermin versäumt, denn sonst kann man, auch wenn man ein großer Herr ist, durch Mahnungen gestört oder durch Zwangsverkauf blamiert werden.
-Daß man Diebstahl nicht verfolgt, sonst ermutigt man dazu.
-Daß man seine Diener nicht ordentlich versorgt, denn sonst stehlen sie oder laufen davon, oder man legt keine Ehre mit ihnen ein.
-Daß man Geld in Glücksspielen einsetzt, wenn man am Notwendigsten Mangel hat, weil man sonst seine wirtschaftliche Existenz gefährdet. Es ist schon dumm genug, wie man an den Studenten sieht, wenn man überflüssiges Geld aufs Spiel setzt. (Andererseits kommt die Einladung zur Lotterie bei Hof für den Grafen einem Befehl gleich.)
-Daß man erst mit Gegenmaßnahmen wartet, bis man gänzlich mittellos ist, sonst sieht man sich gezwungen, manches unterm Preis zu verkaufen.
-Daß man seine finanziellen Reserven so erschöpft, daß man nicht mehr seinem Stande entsprechend repräsentieren kann, denn dadurch verliert man auf die Dauer seine privilegierte Position. Wer über seinem Stande lebt, muß auf die Dauer unter seinen Stand. (Was aber tun, wenn die Einkünfte schon nicht standesgemäß sind?)
-Daß man stiehlt, sonst verliert man seine Reputation oder kommt gar an den Galgen.
Obwohl diese satirischen Aussagen teilweise aus der Sicht eines standesbewußten Bürgers getroffen sind, beziehen sie sich nicht auf gesamtgesellschaftliche Zielvorstellungen. Kein bürgerliches Klassenbewußtsein! Der Adlige wird an seinem eigenen Wertsystem gemessen und zu leicht befunden. Die Aporien aber, denen er unterliegt, haben noch nicht die Schwere eines geschichtlichen Verhängnisses, sondern sind jederzeit durch den König aufzuheben, ohne daß dies als ungerecht dargestellt würde. Graf Ehrenfried bleibt freilich ein Narr im Hinblick auf „Politische Klugheit“. Es gibt hier aber noch keineswegs eine positive bürgerliche Gegenfigur. Politische Klugheit an sich macht noch niemanden besser, als sein Stand ist, nur der Mangel daran macht einen unter Umständen schlechter (vgl. Schlampampe). Doch das Streben nach Politischer Klugheit ist sogar im Falle des Fleckschreibers Injurius sehr vom Übel, wenn es nicht tugendhaft ist. Hier liegt vielleicht ein erstes Beispiel der kommenden ideologischen Entwicklung vor.
Besitzdenken ist an der Sprache dieser Komödie nicht zu erkennen.