Personenrepertoire


Deutlich zeitgebunden ist das Auftreten der französischen Gouvernante und gewisser französischer Parasiten angeblich adliger Abstammung oder von großen Verdiensten (vgl. „Hausfranzösin“). Neu erscheint mir auch das mehrmalige Vorkommen junger Leute, die studiert haben, obwohl ihre Väter bzw. Stiefväter nur Einzelhändler sind (vgl. „Müßiggänger“ und „Hypochondrist“). Der Richter ist in erster Linie Familienvater; seine Berufseigenheiten werden geradewegs zu persönlichen Schrullen abgewertet, weil er als ein bereits emeritierter Privatmann eingeführt wird. Das hätte man sich im vorigen Jahrhundert wohl nicht unterstanden (vgl. „Bock“). Der Pächter vom Lande ist reich, wenn auch rustikal (vgl. „Unempfindlicher“). Eine neue Gestalt im bürgerlichen Hause ist der Poet, der nicht mehr nur bei den Vornehmen den Parasiten spielt (vgl. „Unempfindlicher“) bzw. gar kein Parasit mehr ist, sondern höchstens „Narr auf eigne Hand“ (vgl. „Witzling“). Diese Änderungen vorzufinden, ist allerdings nach der Lektüre historischer Darstellungen nicht mehr überraschend. Man vermißt auf den zweiten Blick jedoch die Differenzierung zwischen eingesessenen Bürgern, Hintersassen, Freibürgern, ja überhaupt die getrennte Darstellung der Stände innerhalb einer Stadt; von den kleineren Geschäftsleuten und ihren Angestellten bis vermutlich hinauf zum Patrizier ist der Umgang auf gleicher Ebene möglich. Sogar die kleinen Landadligen und ihre Abkömmlinge in der Stadt, sowie „zur Not Barone“ kommen vor, wenn hier auch die bestehenden Standesgrenzen sichtbar werden. Das deckt sich ziemlich genau mit Gottscheds Wünschen. Interessant, daß hier eine Lücke im gesellschaftlichen Spektrum der Stadt offenbleibt: Tagelöhner und Kleinbürger kommen nicht in Betracht. Gleichzeitigkeit wird erreicht, insofern der neue Klassenstandpunkt des wohlhabenden Bürgerlichen bei der Auswahl des Repertoire mitspielt; ob man so auch im Namen der ärmeren Schichten des Publikums sprechen kann, die erst noch solche Bürgerliche werden wollen, muß hier noch dahingestellt bleiben.