Christian Weise


Von der mitteldeutschen Komödienproduktion unmittelbar vor 1700 hat die Forschung bisher Christian Weises Werk am stärksten beachtet. Wegen mancher neuartigen Zielsetzung hat sich Weise als Autor des Übergangs angeboten, an dem man frühaufklärerische und barocke Züge studieren konnte. Was die Mittel seiner Bühne und die daraus resultierende Form seiner Dramen betrifft, so weist H.Haxel nach, daß die Bedingungen, unter denen in Zittau Schultheater gemacht werden konnte, mehr als alles andere dazu beitrugen, (vgl. Heinrich Haxel, Studien zu den Lustspielen Christian Weises (1642-1708), Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Schuldramas, Diss. Greifswald 1932.) und trennt sie von der Tradition des öffentlichen Berufstheaters, mit der es unsere Untersuchung vor allem zu tun hat. Der Rezeption dieser Dramen in der zeitgenössischen und noch mehr in der späteren Gesellschaft waren damit gewisse Riegel vorgeschoben. Darüber hinaus aber finde ich in den Berichten über das sehr verstreut veröffentlichte Werk keine Hinweise darauf, daß Weise Besitzverhältnisse ausdrücklich thematisiert habe. Seine Satire richte sich ebenso gegen Bürger-Zünftelei wie gegen Standesdünkel und höfische Laster; Kritik an Staatsangelegenheiten verstecke sich oft in Exempeln aus dem niedrigen Leben. Die Mittel seiner Komik und die Kontraste, die er dazu ausnützt, seien traditionell und setzten die ständische Gesellschaftsordnung voraus. (vgl. A.H.J.Knight, Das Komische in Christian Weises Lustspielen, in: GRM XXIII, Heft 3/4, Heidelberg 1935, S.105-116.) Eine weitläufige Untersuchung dieser Komödien scheint sich also unter dem hier gewählten Gesichtspunkt wenig zu lohnen. Indessen habe ich doch ein Stück von Weise aufmerksam gelesen und möchte eine sprachliche Beobachtung samt einem Kommentar mitteilen.

„Ein wunderliches Schauspiel Vom Niederländischen Bauer welchem der berühmte Printz Philippus Bonus zu einem galanten Traume geholffen hat,“ aus: „Neue Proben/ von der vertrauten/ Redens-Kunst/ das ist: drey Theatralische Stücke/ […] von Christian Weisen. Dreßden und Leipzig/[…] 1700“. (Abgedruckt in: Willi Flemming, Hg., Die deutsche Barockkomödie, S.209 ff.)

Ein Hofmann namens Heinrich sieht den Bauern, dem man die Illusion vorgespiegelt hat, ein Fürst zu sein, zwischen zwei Hoffräulein gehen und bemerkt: „[…] ich wolte viel Geld drüm schuldig seyn/ wenn ich zwischen zwey so lieben Personen dürfften [sic] spaziern gehen.“ Darauf antwortet, etwas schnippisch, das Fräulein Erdmuth: „Und wer weiß ob er [Heinrich] den Schuld-Zettel unterschriebe/ wenn mir Ihr Gnaden [der Bauer] das Glück verkauffen wollten“. Er möchte also seine Wertschätzung bezeigen und gleichzeitig zum Ausdruck bringen, daß man da Perlen vor die Sau geschmissen habe; sie möchte das Kompliment mit einer Spitze gegen die chronische adlige Geldknappheit zurückweisen und gleichzeitig zum Ausdruck bringen, daß sie sich mit ihm in der Geringschätzung des Bauern einig ist. Der brächte es doch tatsächlich fertig, sein Anrecht auf diesen Spaziergang zu verschachern, und das wäre vielleicht noch des Beste, was er tun könnte! Immanente Satire gegen Besitzdenken. Mehr als die dadurch behauptete Unbestechlichkeit der Hofgesellschaft in Etikettefragen fällt aber auf, wie gesucht und künstlich die Bedeutungsübertragung ausfällt (Conceptismo), und welch kompliziertes Beispiel aus einem schon entwickelten Finanzwesen herangezogen wird. Es geht nicht bloß um die Umsetzung von Galanterie in Bargeld, sondern in einen Wechsel. Der Wechsel überträgt ein Anrecht auf den Hofmann, ausgestellt wird er auf das Fräulein, und das Geld bekommt der Bauer. Somit ist gewährleistet, daß der Hofmann zum galanten Schuldner des Fräuleins wird; der Bauer dagegen gleich abgekoppelt wird und mit dieser Beziehung nichts mehr zu tun hat. Die höfische Prestigebörse in vollem Flor. Sinngebungen dieser entlarvenden Art dürften allerdings Ausnahmen sein. Wie wir sahen, hing dieses Beispiel davon ab, daß in der gegebenen Situation auf etwas Unfeines hingewiesen werden sollte.