Elegie über die Kleine mit dem Hund
An einem fremden, nicht sehr wirtlichen Orte beschäftigt,
Halte ich klösterlich streng tägliche Übungen ein.
So die Gymnastik am Morgen, vor meinem kärglichen Frühstück,
Und das Laufen zum Dienst. (Mittags das Schleichen zurück.)
Kräftigen soll mich die kalte, meist vegetarische Mahlzeit,
Die ich verschlinge zerstreut, ohnmächtig lauschend dabei,
Was mir an Wahnsinn und Unheil der Lautsprecher zutragen möchte.
Nicht von der Üppigkeit dann, von der Erschöpfung vielmehr
Zwingt's mich für eine halbe Stunde aufs schaukelnde Lager,
Bis ich, nur mäßig erfrischt, meinerseits zwing' mich ans Werk.
Aufzulockern verbissenen Geist und den Kreislauf zu regen,
Vierzig Minuten vielleicht gönn' zum Spaziergang ich mir:
Über die Felder zum eingedämmten Stausee der Donau;
Seitlich am Zufluß entlang, neben dem Wäldchen zurück.
Weiter geht dann die Fron, bis am Abend dem Schrank ich entnehme
Brot und Butter und Wurst, Fruchtsaft und Plastikgeschirr.
Schlag zehn Uhr zu der Fernsprechzelle zwei Kreuzungen weiter
Finde besorgt ich mich ein, ob ich auch Gutes vernähm';
Ach, und erst gestern hat mich die ferne Geliebte geängstet,
Deutete an, sie sei krank — trostlos entsank ich dem Tag.
Viel solcher Tage dürfen mir eigentlich nicht mehr erscheinen,
Und der Urlaub wird mir bittre Notwendigkeit sein.
Nicht, wie dem Manne, der lässig, bequem und in trauter Umgebung,
Gleiche Berufslast wie ich ohne Askese erträgt.
Doch mein wahres Zuhause, wo die Geliebte am Sonntag
Seel' mir und Körper erquickt, wie sie aus Mitleid vermag —
Ach, es ist auch nicht ein Tusculum, kein Tiburtinum,
Wohn' ich schon werktags allein, billig, bescheiden möbliert.
Doch "bescheiden" mein Zimmer zu nennen, erforderte einen,
Der mehr Ansehen hat unter den Leuten, als ich.
Ist mein Beruf doch, die widerborstige Jugend zu lehren;
Selten einmal, falls je, dankt man dem Lehrer dafür.
Selbst mein kleines Gefährt wurde unlängst vertrieben vom Rinnstein,
Wo mir's der Nachbarprotz nicht abzustellen vergönnt.
Wie ich spazierend nun all dieses bitter im Herzen bewege,
Ruft mich zum Schauen zurück hell aus dem Winde ein Schrei.
„Billy“, so ruft es, und da — ein dunkles Hundsvieh gibt Antwort,
Schnellt seiner Herrin (wohl zwölf) dicht hinterm Fahrrad daher.
Hechelt auch eifrig danach, sich ins Bächlein am Damme zu stürzen;
Sie, am Geländer, gemach, läßt mit dem Wurfe sich Zeit.
Platsch! Und das Stöckchen, im tiefsten, ziehenden Wasser gelandet,
Schnappt sich der schnaufende Hund, arbeit' sich wieder heraus.
Näher gekommen, vermag ich zu seh'n, wie begeistert er wedelt;
Lächelnd entwindet sie ihm, triefendem Teufel, das Ding.
Auf! Und da springt er, bevor es die Hand des Mädchens verlassen,
Pfeilschnell am Boden entlang — Satz übers Ufer — hinein.
Eine gehaltene Freude im blassen, ovalen Gesichtchen,
Steht abwartend sie da, aufrecht, blickt flüchtig nach mir;
Dann, ganz beruhigt wegen meiner, und fast schon gelangweilt, dem Hunde
Fordert sie abermals ab, was er voll Inbrunst ihr bringt.
Kurz ist und otterglatt glänzend sein Fell, und mit fliegenden Flanken,
Klug die Ohren gespitzt, harrt er von neuem des Wurfs.
Der auch erfolgt! Nur fliegt statt des Stockes diesmal ein Steinchen,
Das sie, ich weiß gar nicht wie, unterzuschieben vermocht.
Helleren Blickes und lebhafter folgt sie den kräftigen Stößen
Billys, der ratlos sich müht, schwimmend bachauf und bachab,
Her das Versunk'ne zu holen; da ruft sie und zeigt ihm das Stöckchen:
Gleich aus dem Wasser heraus schießt er diensteifrig und jappt.
Wie doch der Reiz des Spieles für sie indessen erhöht ist!
Mal mit dem einen wirft sie, mal mit dem andren hinab,
Bunt im Wechsel, daß nicht die Wachheit des Tieres erlahme,
Und auch Kiesel genug liegen beim Fahrrad herum.
Gutwillig stets, wenn auch langsamer, mühsamer, hab ich den Schwarzen
Über ein dutzendmal noch schwimmen und klettern gesehn,
Bis ich mich wandte, der Pflicht zuzueilen zwischen den Äckern.
Ob wohl dem Hunde gemäß, was er vollführte so treu?
Fragte ich mich auf dem Rückweg im kühlen Zuge des Windes.
Freilich versteh ich davon wenig; von Mädchen nicht viel.
Seltsamerweise gedachte ich ruhiger der Krankheit der Gattin;
Leid tat mir aber ein Mönch, der doch so lange schon tot:
Jakob Balde, der Dichter neulateinischer Verse,
Der, nicht ferne von hier, seine Talente vergrub —
Fremdes, klassisches Lämpchen in hyperboräischer Zone,
Landeskind im Exil, trostloser Musengesell.