Werner Kügel ©2007
ABRISS DER GESCHICHTE
DES PEGNESISCHEN BLUMENORDENS ANHAND SEINER SATZUNGEN
Teil V: Vom Biedermeier zum Vormärz
Das "bürgerliche Projekt" kommt in Schwung. Waren die im engeren Sinne bürgerlichen Wirtschafts-, Verhaltens- und Denkweisen vor der Napoleonischen Zeit noch innerhalb des herkömmlichen Bürgertums als etwas Vorläufiges aufgetreten, dessen zukunftsweisende Züge auch aufgeschlossene Vertreter anderer Stände erfaßte, so gilt nach dem Ende des alten Römischen Reiches deutscher Nation die Restauration der Verhältnisse des Ancien Régime nur mehr als mühsam aufpoliertes Auslaufmodell, schon deshalb, weil ein modernes Staatswesen allen seiner Teilhaber quasi bürgerlichen Status verschafft, um rationell Recht sprechen und wirtschaften zu können. Die Reformen des Ministers Montgelas in Bayern kommen insofern auch der Überwindung der patrizischen Oligarchie in Nürnberg zugute. Deren Vertreter lassen es sich als Lokalpatrioten gerne gefallen, daß sie zusammen mit Angehörigen der früheren mittleren und niederen Stände zum allgemeinen Wohl vor den Karren einer vereinheitlichten Verwaltungsbürokratie gespannt werden. Der als Akademie neu aufgestellte Blumenorden klinkt sich in das aufblühende Vereinsleben ein. Eine merkwürdige Zwischenstufe vor der Ausbildung einer eigentlichen Intellektuellenschicht entsteht: die Honoratioren. Man hat sich der Angliederung an die Bayerische Akademie der Wissenschaften aus Mangel an Arbeitskraft entzogen, kann aber der erweiterten Publizität trotz gewisser biedermeierlicher Tendenzen zum Rückzug in sein historisierendes Schneckenhaus nicht entkommen. Anfragen, Bitten und Angebote zur Zusammenarbeit greifen immer wieder von jenseits der Grenzen Nürnbergs herein.
Erneuerte Außenwirkung
Fünfundzwanzig Jahre sind im Leben eines Menschen eine lange Zeit, und so darf es den Betrachter aus dem weiten Abstand von 190 Jahren nicht verwundern, daß eine Gesellschaft, die doch eigentlich erst angefangen hatte, eine gewisse Rolle zu spielen, sich bereits eine solenne Jubiläumsfeier gönnte:
„[…] Die Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie feiert am künftigen 25. August d. J. als dem hohen Namenstage Ihrer Königlichen Hoheit des Kronprinzen von Bayern den fünfundzwanzigsten Jahrestag ihrer Stiftung. Sie hat beschlossen bei dieser Gelegenheit öffentliche Rechenschaft von ihrer bisherigen Wirksamkeit abzulegen, und zu diesem Ende auf gedachten Tag vormittags um 10 1/2 Uhr eine passende Feier in dem großen Saale des Rathauses veranstaltet.
Indem wir Einen BlumenOrden hiervon in Kenntnis setzen laden wir die sämtlichen verehrlichen Mitglieder desselben geziemend ein, unser Fest durch Ihre Gegenwart zu verschönern, und erlauben uns die Bitte um Abordnung von zweien Gliedern aus Ihrer Mitte welche sowohl der bevorstehenden Feier, als dem nachher zu haltenden einfachen Mahle im Sale des Reichsadlers beiwohnen möchten. Wir freuen uns bei dieser Gelegenheit den Blumen-Orden unter der Bitte um Ihr schätzbares Wohlwollen die Versicherung unserer aufrichtigen Hochachtung und Ergebenheit an den Tag legen zu können.
Nürnberg, am 17. August 1817
Im Namen und Auftrag der Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie
Harleß Correspondenzsekretär"
Am 22. August 1817 antwortet Sekretär Müller in geziemender Manier und stellt die Teilnahme des „Königl. Herrn Appellations-Gerichts-Advocaten Doctors von Königsthal und des Königl. Herrn Archiv-Secretair Heiden” in Aussicht.
Am 24. Oktober 1817 ergeht dann noch ein würdiges Dankschreiben:
„Das unterzeichnete Direktorium der Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie erstattet dem Pegnesischen Blumenorden verbindlichsten Dank für die der Gesellschaft erwiesene Ehre der Abordnung einer Deputation zu ihrem Feste am 25. August d.Jh. und erlaubt sich, dem Pegnesischen Blumen-Orden in der Anlage die beiden Reden zu übersenden, welche bei dieser feierlichen Gelegenheit gehalten, und auf Verlangen mehrerer Personen, für die edlen Teilnehmer und Beförderer patriotischer Unternehmungen in den Druck gegeben worden sind. […]
Das Directorium der Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie
Freiherr von Löffelholz, erster Direktor
Joh. Merkel, 2. Direktor
Schwarz, 3. Direktor
Harleß, Corr. Sekretär”
Und das Erheiternde daran: Sie waren allesamt bereits Mitglieder des Blumenordens, haben mithin an sich selber geschrieben!
Ein weiterer Verein konnte in diesem Jahr sein fünfundzwanzigjähriges Bestehen feiern und gehörte damit zu den bürgerlichen Vortrupps aus der letzten Phase der Reichsstadtzeit: der „Verein von Künstlern und Kunstfreunden”. Natürlich — so kann man nicht umhin zu sagen — lud auch dieser den Blumenorden mit Brief vom 17. Oktober 1817 zu den Feiern ein:
„Wir geben uns hiermit die Ehre, den Pegnesischen Blumenorden zu benachrichtigen, daß der hiesige Verein von Künstlern und Kunstfreunden, Donnerstag den 26. DMts die Feier seines fünfundzwanzigjährigen StiftungsFestes auf dem hiesigen großen RathaußSaal vormittags 10 1/2 Uhr begehen wird.
Mit dieser ergebensten Anzeige, verbinden wir die Bitte um gefällige Theilnahme an diesem Feste, und laden daher sämmtliche verehrliche Mitglieder des Pegnesischen Blumenordens hiezu ein […]
Eben diese Einladung erstrecken wir auch auf die von demselbigen Tage an, vierzehn Tage lang, mit Ausnahme der Sonntage, von Morgens 10 bis 12 und Nachmittags von 2 bis vier Uhr veranstaltete Kunstausstellung, welche in unserm gesellschaftlichen Lokale, in der obersten Etage des Museums veranstaltet werden wird. […]
J. D. Boerner, 1. Präsident
Schwarz, II. Präsident
J.G.J. Wilder, Sekretär"
Der Endesunterfertigte war jedoch auch kurioserweise seit 1813 Mitglied des Blumenordens.
Das gewundene Antwortschreiben stammt diesmal von Nikolaus Adam Heiden: „Beseelt von den freudigsten Empfindungen werden wir solche nicht nur überhaupt durch die Gegenwart mehrerer unserer Mitglieder, sondern auch noch besonders durch die Abordnung einer Deputation aus unserem Mittel, in den Personen unseres Ordens-Consulenten, des K. Bairischen Herrn Handelsgericht-Assessors und Appelationsgerichts-Advokaten Dr. Lorsch, und unseres Mitglieds des K. Bairischen Herrn Dekans und Hauptpredigers Veillodter, an den Tag zu legen uns zur angenehmen Pflicht machen. […]
Seidel. Präses.
Heiden Secretariats-Vertreter” (Müller war anscheinend schon so schwer erkrankt, daß er vertreten werden mußte.)
Daß dieses Schreiben einen Tag früher datiert ist als die Einladung, nämlich vom 16. Oktober, kann angesichts der personellen Überschneidungen der Vereine nicht mehr überraschen. Solche Korrespondenz hatte rein formellen Sinn und geschah wohl vorwiegend im Hinblick auf die Archivierung.
Weit über die lokale Inzucht hinaus weist jedoch folgende Anfrage:
„Hochwürdiger Hochgelehrter Herr, Hochzuverehrender Herr Pastor,
[…] Die Berlinische Gesellschaftfür deutsche Sprache, deren Ordner ich für das laufende Jahr bin, wünscht eine zuverlässige Nachricht von dem jetzigen Zustande u. von der Verfassung des löblichen Hirten- und Blumen-Ordens an der Pegnitz zu erhalten. Durch den hiesigen Akademiker Herrn Seebach habe ich erfahren, daß ich von Euer Hochwürden hierüber am vollständigsten Auskunft würde erhalten können […]
Ich muß aber sogleich eine zweite Bitte hinzufügen, mir die gewünschte Nachricht, wenn es möglich ist, noch bis zum 15ten December d. J. zukommen zu lassen wie auch zu erlauben, daß ich in einer Vorlesung über die Schicksale u. den Einfluß der verschiedenen Sprachgesellschaften des 17ten Jahrhunderts von Ihrer Mitteilung Gebrauch machen darf. Sollte seit der Historischen Nachricht von Amarantes eine neuere Schrift über die Geschichte des Ordens erschienen sein, so würde ich mich freuen, dieselbe zu erhalten […]
Berlin, Klosterstraße N. 40, den 9ten November 1819.
J. O. L. Schulz
Professor am Berlinisch-Cölnischen Gymnasium”
Seidel war ein wenig in Verlegenheit, was er dem so ultimativ vorgehenden Preußen schicken könnte. Er entschuldigt sich beinahe dafür, wenig Aktuelles und nichts Zusammenfassendes anbieten zu können:
„Wohlgeborener Herr
Hochzuverehrender Herr Professor!
[…] habe ich die Ehre, Euer Wohlgeboren in den Anlagen folgende Druckschriften zu übersenden:
1) die von dem vormaligen […] Präses […] Panzer, bey Gelegenheit der hundert und fünfzigsten Jubelfeyer […]öffentlich gehaltene Rede.
2) ein bey eben dieserVeranlassung von einem Mitgliede des Ordens zum Andenken des Stifters desselben abgelesenes Gedicht.
3) die im Jahr 1791. erneuerten Gesetze des pegnesischen Blumenordens, und
4) das im Jahr 1818. gedruckte und bis auf gegenwärtigen Zeitpunkt fortgesetzte Verzeichnis der sämtlichen Ordens-Mitglieder. […] Nur muß ich hiebey bemerken, daß die […] unter Nro. 3. bemerkten Gesetze des Ordens erst vor wenig Wochen einer genauen Revision unterworfen und den jezigen Zeitbedürfnissen gemäs abgeändert, auch von den ordentlichen Mitgliedern genehmigt worden sind. […]
Dr. G. E. F. Seidel
Stadtpfarrer bey St. Egidien”
Lieber wird ihm folgende Einladung gewesen sein, die von einem gänzlich neuen Verein kam und zudem von jemandem unterzeichnet war, der nicht schon Mitglied in seinem eigenen war. Es zeigte doch, daß der Blumenorden in Nürnberg auch für Außenstehende eine achtenswerte Größe darstellte:
„Das Directorium des Industrie und Kulturvereins im Königl. Baier. Landgericht Nürnberg
an den hochverehrlichen Pegnesischen Blumenorden in Nürnberg
Am 11. October feiert obengenannter Verein sein erstes Jahresfest; wir halten es für unsere Pflicht einen den hochverehrlichen Pegnesischen Blumenorden hievon begleitet von der ergebensten Bitte in Kenntniß zu setzen durch ein zu deputierendes Mitglied dieses Blumenorden, die am 11. October nachmittags öffentlich gehalten werdende Rechenschafts Ablegung und darauf folgende Souper zu beehren […]
Nürnberg den 7. October 1820
Dr. Weidenkeller, 1ster Director”
Die Gestaltung des gedruckten Briefkopfs mit den vielfach um die Buchstaben gewundenen runden Linien entspricht genau der auf den Schreiben der Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie. Das legt zwar nahe, daß derselbe Drucker beauftragt wurde. Der ältere Verein war aber keineswegs in dem neueren aufgegangen. Dieser jedoch, der sich anfangs auch mit der Landwirtschaft befaßte, besteht als „Industrie-und Kulturverein e.V.” bis heute, wie Seidel in seiner höflichen Antwort glückwünschte: „Der Vorstand dieses Ordens wird daher nicht unterlassen, in der Person seines Ordens-Secretärs des Königl. Archiv-Sekretärs Heiden eines seiner Mitglieder abzuordnen […] die aufrichtigsten und besten Wünsche für die ununterbrochene Fortdauer eines Instituts an den Tag zu legen, welches schon in dem ersten Jahre seiner Gründung auf unsere Zeitgenossen so wohlthätig einwirkte und welches ganz gewiß noch nach späten Jahren segensvoll und beglückend für die Nachwelt in voller Kraft unerschüttert dastehen wird.”
Es konnte kaum ausbleiben, daß auch Zuschriften erfolgten, in denen vom Blumenorden mehr oder minder deutlich verlangt wurde, er solle sich für etwas einsetzen, auch finanziell. So etwas ist dann die Probe aufs Exempel, ob eine Gesellschaft wirklich instande ist, für ihre Ziele konkret tätig zu werden.
„Ansbach d. 10. Mai 1823
Die Gesellschaft für vaterländischen Kunst- und Gewerbsfleiß zu Ansbach
an den verehrlichen Pegnesischen Blumenorden zu Nürnberg
Einem hochverehrlichen Pegnesischen Blumenorden ist bereits schon aus öffentlichen Blättern bekannt, daß die Gesellschaft für vaterländischen Kunst- und Gewerbsfleiß dahier den Entschluß gefaßt hat, das Andenken des verewigten Dichters Uz durch Errichtung eines Denkmales in seiner Vaterstadt Ansbach zu ehren, und daß noch in diesem Jahre die Ausführung des Planes beginnen soll.
Indessen können wir doch nicht umhin, dieses einem Hochverehrlichen Blumenorden bei seiner bevorstehenden öffentlichen Versammlung unmittelbar zu Anzeige zu bringen, eingedenk seines rühmlichen Zweckes und überzeugt, daß […] die verehrten Mitglieder durch Beiträge und Ermunterung in Ihrem Kreise unseren Plan begünstigen werden. […|
Dr. Faber”
Auch der Briefkopf dieser Gesellschaft zeigt eine auffallende Ähnlichkeit mit den oben erwähnten. Es scheint sich um einen neuen und sehr beliebten typographischen Schmuck jener Zeit zu handeln.
Jedenfalls durften sich die Pegnesen jetzt nicht lumpen lassen; allzu üppig fiel der Beitrag jedoch nicht aus, und eine Spendenquittung wollte man außerdem (obwohl damals ja an steuerliche Absetzbarkeit noch nicht zu denken war):
„Nürnberg den 17 Mai, 1823
Der Pegnesische Blumenorden zu Nürnberg an die verehrliche Gesellschaft für vaterländischen Kunst- und Gewerbsfleiß zu Ansbach.
Obschon der verewigte Dichter Utz, unser deutscher Horaz, dieser würdige Zeitgenosse eines Klopstocks, Gellerts, Lessings, Hallers, Hagedorns, Lichtwehrs, Cronegks, und anderer um die Wiederherstellung des guten Geschmacks in der deutschen Dichtkunst hochverdienter Männer, sich selbst durch seine Werke ein unvergängliches Denkmal errichtet hat; so war es doch schon lange der Wunsch aller Verehrer der Attischen Muse, daß das Andenken dieses trefflichen Mannes durch ein in der Vaterstadt desselben zu errichtendes Monument auch noch für die Nachwelt erhalten werden möchte.
[…] Wir ergreifen daher mit Vergnügen diese Gelegenheit, unsere Theilnahme an diesem patriotischen Unternehmen durch Übersendung eines kleinen Beitrags von 25 fl an den Tag zu legen, und müssen nur sehr bedauern, daß die beschränkten Kräfte der Kasse unseres literarischen Vereins, welche bloß durch die sehr mäßigen Beiträge der ordentlichen Mitglieder besteht und durch die jährlichen Bau- und Besserungskosten im Irrhain bei Kraftshof beträchtlich in Anspruch genommen wird, es nicht erlauben, wie wir wohl gewünscht hätten, mehr hiezu beizutragen.
Indem wir um gefällige Übersendung einer Empfangsbescheinigung bitten verharren wir mit vollkommenster Hochachtung. […]”
Es ist schon bemerkenswert, wie klassizistisch hier die Generation der Pegnesen um 1820 von einer „Wiederherstellung des guten Geschmacks” schreibt, obwohl dies doch impliziert, daß die Gründer des Ordens dann Vertreter des schlechten, damals in abwertendem Sinne „barock” genannten Geschmacks gewesen sein müßten.
Vom 18. Juni 1823 datiert ein Schreiben, in dem Bürgermeister Binder, seit 1821 selbst Mitglied des Ordens, diesen zum Leichenbegängnis des Bürgermeisters Sörgel einlädt. (Sein Nachfolger wurde übrigens Scharrer.) Eine Notiz von anderer Hand auf der dritten Seite des gefalteten Schreibens besagt: „Da bei dem pegnesischen Blumenorden Leichenbegleitungen nicht gewöhnlich sind; so wurde dieses Schreiben unbeantwortet gelassen und blieb dieser Antrag ohne weiteres auf sich beruhend.” Selbstverständlich hat der Blumenorden zu anderen Malen Abordnungen zu Beerdigungen geschickt, doch handelte es sich diesmal bei dem Verstorbenen nicht um ein Mitglied. Anscheinend wollte man sich nicht um der bloßen Sichtbarkeit willen zu öffentlichen Anlässen drängen, mit denen man nicht unmittelbar befaßt war.
Noch abseitiger, wenn man die satzungsgemäßen Aufgaben des Blumenordens im Auge behält, erschien gewiß folgende An-, wenn nicht Zumutung:
„Nürnberg den 6. Juni 1825
Das Directorium des Industrie und Kulturvereins im Königl. Baier. Landgericht Nürnberg
An den hochverehrlichen Pegnesischen Blumenorden zu Nürnberg
Wir geben uns die Ehre Ihnen in der Anlage die Grundzüge zur Errichtung einer Gesellschaft zur Beförderung u. Begründung bairischer Armen-Colonien, nebst einer Subscriptions-Liste, mit dem Ersuchen zu übersenden, daß Sie dieses als einen ungeheuchelten Beweis unserer reinsten Verehrung u. Hochachtung gütigst aufnehmen, und erkennen wollen, wie sehr wir es uns angelegen seyn lassen, in Verbindung mit andern patriotischen Gesellschaften für das allgemeine Beste nützlich zu wirken, und wie gerne wir jeden wichtigen Beschluß von uns in dieser Hinsicht Ihnen mittheilen. […]”
Unterzeichnet hat das Directorium des Industrie und Kultur Vereins, handschriftlich Dr. Weidenkeller und Dr. Rupprecht. Ein kanzleimäßig sauber und vollständig beschriebenes Doppelblatt enthält dann „Grundzüge über die Errichtung einer Actien Gesellschaft zur Begründung von Armen-Kolonien im Koenigreich Baiern.” Der Kopf erinnert wieder sehr an die oben beschriebenen. Beigelegt ist:
„Subscribtions Liste auf Actien zu Errichtung eines ewigen Denkmals
Maximilian Joseph
unsers allergnädigsten Königs und Landesvaters, durch Begründung einer Kolonie, auf mehreren unbebauten Flächen in Baiern und einer Unterstützungs-Anstalt, für die vaterländischen Fabriquen, Handwerker und Landwirthe.
Bemerkung: Die ganze unverzinsliche Actie kostet f 11 — die halbe 5 f 30 Xr die Viertel […], die verzinsliche Actie kostet f 100 — die Bezahlung kann auf einmal, oder in vierteljährigen, monathlichen, oder wöchentlichen Fristen geleistet werden.
Auf jeden Fall beginnt die Bezahlung erst, in einem halben Jahr.”
Der weitere in Spalten eingeteilte Platz auf diesem Doppelblatt 4 ist leer geblieben. Das bedeutet wohl, daß kein Mitglied des Blumenordens als solches eine Aktie erwarb. Allerdings war die Sache nicht gänzlich stillschweigend zu den Akten gelegt worden; Seidel schickte ein Blatt im Vorstand herum:
„Verehrungswürdige Freunde,
was ist wohl in Hinsicht auf das an den Blumenorden eingesendete Schreiben zu thun, da wir bis in den Spätherbst keine Versammlung haben? Ihre Ansicht mir hierüber ergebenst erbittend hochachtungsvoll
Seidel
22. Junius 1825”
Darunter votierten zwei Personen:
„Nach meiner unzielsetzlichen Meinung wäre dem Director des Industrie- und Kultur Vereins Dank zu sagen für die Mittheilung des neuen Beweises der patriotischen Bemühungen des Vereins, und dabei zu erwähnen, daß das Präsidium den Plan bei der ersten OrdensVersammlung zur Vorlage bringen und dadurch den Mitgliedern Veranlassung geben werde, sich ihren Verhältnißen gemäß, dafür zu interessieren.
Hochachtungsvoll
Lorsch
Diesem Votum ganz beistimmend erlaube ich mir zu bemerken, daß es erwünscht seyn mögte, erst im November d. J die Sache zum Vortrag bringen zu können.
Veillodter”
Offensichtlich war das Directorium des Industrie und Kulturvereins wegen des Mißerfolgs seines Ansinnens nicht verschnupft. Weidenkeller, von Imhof und von Neu schickten am 27. Oktober 1826 das dritte und vierte Heft ihrer Vereinszeitschrift mit der Bitte,„v on Zeit zu Zeit schriftliche Mittheilungen für diese Zeitschrift […] hochgefälligst zu übersenden.” Und locker lassen mit Aufforderungen um finanzielle Unterstützung gemeinnütziger Projekte wollte man auch nicht:
„Nürnberg den 10. Februar 1827
Das Directorium des Industrie und Kulturvereins im Königl. Baier. Landgericht Nürnberg
An den hochverehrlichen Pegnesischen Blumenorden in Nürnberg
Indem wir uns die Ehre geben Ihnen hochverehrte Herrn den Plan, sowie die Subscriptions-Liste einer von uns neu begründeten, gewiß sehr gemeinnützigen Anstalt zur Kenntniß mitzutheilen, glauben wir dieß aus hoher Achtung für Ihren schönen Verein, thun zu müssen, und hoffen deßhalb auf eine wohlwollende Aufnahme.
Wir glauben um so mehr Sie von unserem Unternehmen in Kenntniß setzen zu dürfen, da mit demselben noch ein zweytes in Verbindung gebracht wird, welches zur Verschönerung der Umgebung des südlichen Theils der Stadt wesentlich beytragen soll, wie beyliegender Entwurf Ihnen deutlich zeigen wird und wodurch auch der hochlöbliche Magistrat der Stadt Nürnberg sich ermüßigt sah, dieses Unternehmen allen Einwohnern Nürnbergs zu empfehlen.
Da […] dieses Unternehmen […] endlich auch so eingerichtet ist, daß niemand dabey etwas verlieren, sondern nur gewinnen kann (Indem jeder für seine Actie, welche nur 11 fl kostet ein schönes inländisches Pferd oder Fohlen erhält) so erlauben wir uns auch die höfliche Einladung zur gefälligen Theilnahme […] an den hochverehrlichen Pegnesischen Blumenorden ergehen zu lassen, […] da wir überzeugt sind, daß Sie hochgeehrte Herren zu solchen patriotischen Zwecken […] Ihr Scherflein beytragen werden, um so mehr, da wir hierzu keine Opfer, keine Geschenke verlangen, sondern nur um kleine Darleihen ansprechen, die mit reichen Zinsen zurückvergütet werden. […]
Dr. Weidenkeller
v. Imhof
v. Neu”
Nachdem 1825 der sogenannte „Burgfrieden”, also der Raum zwischen der Stadtmauer und den ehemaligen, aus dem 30jährigen Krieg stammenden Verteidigungsvorwerken, wieder eingemeindet worden war, wofür sich seit 1812 besonders von Neu (Mitglied des Blumenordens Nr. 247) eingesetzt hatte, gab es eine „Verschönerungscommission”, die sich mit der Anlage von Wasserleitungen, Alleen und neuen Verbindungsstraßen befaßte. Diese betrieb über die Mitgliedschaft ihrer Mitglieder in bürgerlichen Vereinen, was man heute „Drittmitteleinwerbung” nennt, doch findet sich im Archiv des Blumenordens kein Hinweis darauf, daß sich jemand auf den kuriosen Pferde- bzw. Fohlenhandel eingelassen hätte. Wenn dies schon so ausging, ist es weniger verwunderlich, daß der erneute Vorstoß zugunsten einer Kapitalisierung des Armenkolonieprojekts, der den Blumenorden 1833 erreichte, ebenfalls keinen Erfolg hatte. Daß dieses Projekt im ganzen gesehen Wirkungen zeitigte, davon zeugen Ortschaften wie Karlskron, endlose Straßendörfer inmitten trockengelegter Sumpflandschaften. Das Bemerkenswerte aus heutiger Sicht ist daran, daß privatwirtschaftliche Initiative eine eigentlich staatliche Aufgabe voranbrachte, vergleichbar mit privater Erstellung von Autobahnen gegen Überlassung von Mauteinnahmen. Für die Nürnberger jedoch lag die Anlage derartiger Dörfer zur inneren Kolonisation, so patriotisch sie immer gesinnt sein mochten, zu weit ab. Man mußte die Belange der Stadt voranstellen, in der es einen jahrzehntelangen Innovationsstau gegeben hatte.
Johannes Scharrer — man erinnert sich: Mitglied Nr. 362 — setzte sich während seines Bürgermeisteramtes unter anderem für zwei bedeutende Projekte ein, die wahrscheinlich in besonderer Weise mit dem Blumenorden in Verbindung zu bringen waren, weil dieser zu den Einweihungen jeweils eingeladen wurde: das neue Stadttheater und die Polytechnische Schule.
„Nürnberg, den 17. April 1832
Vom Magistrat der königlich bayerischen Stadt Nürnberg
Die Arbeiten am Bau des neuen Theaters hiesiger Stadt sind nun so weit gediehen, daß der Grundstein desselben gelegt werden kann. Dieser Akt wird Montag den 30. dieses Monats, Vormittags um 10 Uhr mit angemessener Feierlichkeit statt finden […] Wir benachrichtigen hiervon den pegnesischen Blumen Orden mit dem Ersuchen um Theilnahme an dieser Feier und bemerken, daß der große Rathhaussaal zum Versammlungsorte dient, von wo aus der Zug sich nach dem Bauplatz begiebt.
Die Bürgermeister
Binder, Harsdorf”
In dem beigelegten gedruckten Programm werden als Eingeladene u.a. die Lehrer der polytechnischen Schule, der Künstlerverein, die Gesellschaft zur Förderung vaterländischer Industrie und der Industrie- und Culturverein erwähnt, nicht aber der Blumenorden. Auf beigelegtem Blatt finden sich allerdings folgende zwei Texte, ein Briefkonzept und eine Notiz:
„Den verehrlichen Mitgliedern des pegnesischen Blumenordens bringe ich, dem von dem Herrn Präses erhaltenen Auftrag zufolge, die von dem Magistrat erhaltene schriftliche Einladung zur Feier der Grundsteinlegung des neuen Theaters, nächst dem derselben beigelegten Programm, zur Kenntniß, um diejenigen Herren, welche noch nicht als Mitglieder anderer Corporationen hiezu eingeladen worden sind [!], zu veranlassen, bei dieser Feierlichkeit zu erscheinen und dem Zug beizuwohnen.
Mit vorzüglicher Hochachtung beharrend,
Nürnberg den 25. April 1832.
Der Ordenssekretär
Syndikus Heiden
Am 30sten April 1832. hat sich der Unterzeichnete auf dem großen Rathhaus-Saal eingefunden und im Namen des pegnesischen Blumenordens dem Zug und der Grundsteinlegung des neuen Theatergebäudes beigewohnt.
N. A. Heiden, Ordens-Sekretär”
Man muß sich geradezu mühsam erinnert haben, daß der Blumenorden seit 1820 nicht nur eine sprach- und literaturpflegende Gesellschaft sein wollte, sondern auch eine „Classe” für „Wissenschaftliche Gegenstände überhaupt” eingerichtet hatte. Von deren Tätigkeiten verlautete bald gar nichts mehr. Doch erreichte den Orden immerhin folgende Einladung:
„Nürnberg den 7. October 1835
Vom Magistrat der königlich bayerischen Stadt Nürnberg
wird der pegnesische Blumenorden hiemit benachrichtiget, daß die Grundsteinlegung zu dem bereits sehr vorgeschrittenen Gebäude für die chemischen und mechanischen Werkstätten und die Modellen und Produkten Sammlungen der polytechnischen Anstalt allerhöchster Bestimmung gemäß am hohen Namensfest Ihrer Majestät der Königin am 15. Octoberd. Js. nach abgehaltenem vormittägigen Gottesdienste vor sich gehen wird. Das Programm über die hiebei Statt findenden Feierlichkeiten wird nach eingelangte rallerhöchster Genehmigung durch das hiesige Intelligenzblatt bekannt gemacht werden.
Dem Magistrat wird es angenehm seyn, wenn der pegnesische Blumenorden hieran Theil nehmen wird.
Binder”
Nun gut, mit dem gleichen Recht, mit dem zur Grundsteinlegung des Theaters die Lehrer der Polytechnischen Schule eingeladen worden waren, mochte man im Sinne eines noch ungeschiedenen Bildungs- und Wissenschaftsbegriffs der Aufklärung die Pegnesen zu den chemischen und mechanischen Werkstätten bitten. Man muß das nicht unbedingt als Sieg eines theoretisierenden Neuhumanismus über die gewerbenahen Vorstellungen Scharrers auffassen. Es ist eher vergleichbar mit der Erhebung dieses späteren Ohm-Polytechnikums zur universitätsähnlichen Fachhochschule im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts — weil die Produktionsverhältnisse sich geändert hatten.
Noch bestimmten über den Blumenorden die Angehörigen einer Generation, welche im alten Reichsstadtwesen herangewachsen war. Ihre Orientierung war allerdings gar nicht mehr rückwärtsgewandt; sie war es schon unter dem alten Regierungssystem nicht gewesen. Es sind die Männer des Übergangs in eine bürgerliche Honoratiorengesellschaft. Nach 1820 werden sie nach und nach von einer Generation abgelöst, die vor allem auf Festigung des Erreichten bedacht ist. Auf organisatorischem Gebiet erweist sich der Rahmen als zu weit gesteckt; in bezug auf Dichtung gelangt man mit privater, sogar innerhalb des Ordens abgegrenzter Initiative den alten Idealen noch am nächsten. Eine beinahe so bedeutende Rolle wie zu Zeiten des Amarantes fällt zum Zweck des Zusammenhaltes dem Schriftführer zu. Es ist daher von Vorteil, daß der Übergang von Müller zu Heiden aufgrund ähnlichen Hintergrundmilieus glatt verläuft. Doch auch ein gewisses Abstandnehmen wird an den Nachrufen auf bedeutende Mitglieder der vorigen Jahrzehnte deutlich.
Ein Wechsel im Amt des Schriftführers
Von Nikolaus Adam Heiden meldet sein Nachruf: "Wegen seines wissenschaftlich gebildeten Geistes, wegen seines regen Sinnes für deutsche Sprache, Vaterlandsgeschichte und Dichtkunst wurde er im Jahre 1806 in den pegnesischen Blumenorden aufgenommen und im Jahre 1818 nach dem Tode des Ordens-Sekretairs Müller als dessen Nachfolger erwählt." Nun gibt es aber eine letztwillige Verfügung Müllers, die vom 30 Juli 1822 datiert ist:
"[…] Zweitens: Im Fall der Blumenorden beschließen würde, mir, als Sekretair, ein Denkmal druken zu lassen, so mögte Herr Diakon Wilder die Bemühung mit Verfertigung deßelben zu übernehmen die Gewogenheit haben. Was von mir bis 1801 im Druk erschienen ist, findet sich in dem 2ten Supplement Band des Nürnb. GelehrtenLexikon angegeben; was aber nachher noch dazu kam, ist in meinem HandExemplar dieses Lexikons, auf einem eingelegten Blatte angemerkt.
[zittrige Unterschrift:] Christian Gottlieb Müller
[von anderer Hand:] V d. 25. Septbr. 1823"
Da hielt wohl Paul Augustin Michahelles die Amtsübergabe für das Sterbedatum. Johann Christoph Jakob Wilder hatte in seinem Nachruf auf Müller das korrekte Datum genannt. Der dargestellte Lebenslauf läßt amtlichen Tätigkeiten und schriftstellerischer Produktion gleiches Recht widerfahren und deren Verschränktheit erkennen:
"[…] In der Periode, als die Bürger Nürnbergs durch Verbesserung ihrer innern Verfassung dem wankenden Gebäude des Staates neue Stützen untersetzen wollten, nahm er, der schon 1778 zum Genannten des größern Rathes erwählt worden war, an den wohlgemeinten Absichten derselben Theil, soweit als seine Amtspflicht es erlaubte, und gab sich willig zu den Dienstleistungen, die nöthig waren, hin, ohne sich deshalb in schwärmerische Hoffnungen einzuwiegen. […]" Die Rede ist von der Verfassungsänderung von 1794. Daß es keine Revolution war, zeigen Müllers fortwährend gute Beziehungen zum Patriziat: "Es war ihm der Zutritt zu einigen ausgezeichnet reichhaltigen Sammlungen nürnbergischer Schriften und Kupferstiche, namentlich zu der des verstorbenen Hrn. Geh. Raths von Haller und mehrerer anderer Glieder des hiesigen Patriziats vergönnt, und diesen benützte er zu der Ausarbeitung des Verzeichnisses Nürnbergischer Kupferstiche, seiner bedeutendsten, schriftstellerischen Arbeit, […]
In einzelnen Aufsätzen für das Journal von und für Franken und für Waldaus Beiträge zur Geschichte Nürnbergs, die meist ohne seinen Namen oder nur mit der Chiffer [sic] M. erschienen, trat er auch ausserdem als Schriftsteller auf, der sich angelegen seyn ließ, manchen dunkeln Punkt der Nürnbergischen Geschichte aufzuhellen [… wozu Wilder aber keine Beispiele anführt].
Auch für deutsche Sprachforschung, die so nahe liegt der Geschichte des Volks, äußerte er lebhaftes Interesse und eine Frucht davon war sein [S. 8] homonymisches Wörterbuch der deutschen Sprache […] Die tiefe Trauer seiner Seele um Gattin und Kinder, und der Schmerz um seinen Freund Häßlein veranlaßten ihn gleichfalls die Feder zu ergreifen […]"
Müller war seit 1772 mit einer Schwester Zahns verheiratet und dadurch auch Häßleins Schwager. Nicht nur diesem, sondern auch ihm selbst starben zwischen 1801 und 1806 alle Kinder und die Gemahlin weg. Sein dieser Trauer abgerungenes, bleibendes Verdienst für den Blumenorden war, "Herdegens ‘Manuale' mit großer Mühe nachgetragen und weitergeführt zu haben, vielfach die einzige zuverlässige Quelle für die Zeit 1744-1786. Herdegens Nachfolger hatten sie [die Stammliste] in den Staub der Ordenstruhe sinken lassen, aus dem sie erst Müller herauszog."
Der neue Schriftführer Heiden war zur Zeit seines Amtsantritts auch schon ein betagter Herr, geboren 1763. Die stärker klassizistische Ausrichtung seines literarischen Geschmacks scheint weniger ein Zeugnis epochalen Unterschieds zu Leuten wie Müller als eine persönliche Vorliebe gewesen zu sein:"[…] Er gehörte nicht zu der Zahl derer, welche nach vollendetem Gymnasialstudium den Gymnasialwissenschaften auf immer Lebewohl sagen, keinen klassischen Schriftsteller früherer Zeit mehr zur Hand nehmen und bald wieder vergessen was sie einst zu schätzen gelernt hatten.
Das Lesen der alten römischen Schriftsteller, besonders römischer Dichter war ihm Freude bis in die höchsten Jahre seines Lebens. Noch als hochbejahrter Greis war er im Stande, ganze Oden aus Horaz, ganze Stellen aus Virgils Werken, vermöge seines glücklichen Gedächtnisses zu recitieren." − "Die Vorlesung im Jahre 1808 [in einer Versammlung des Blumenordens] enthielt Bemerkungen über die komischen Dichter des alten Roms, besonders über Marcus Auius [sic] Plautus.
Eine andere Vorlesung handelte von dem Studium und der Nachahmung der alten griechischen und römischen Dichter. Im Jahre 1822 verlas er eine Abhandlung über Juvenal und dessen Satiren. Von ihm sind auch Gedichte vorhanden, die er zum Theil im hohen Greisenalter, theils für den Orden, theils bei andern Veranlassungen dichtete."
Über seine Tätigkeit für das Gemeinwesen heißt es: "[…] Im Jahre 1804 wurde ihm die Stelle eines zweiten Sekretairs und Stadtsyndikus anvertraut, welches Amt er bis zu der im Jahre 1806 erfolgten Vereinigung der Stadt Nürnberg mit dem Königreiche Bayern bekleidete. Im Jahre 1808 wurde er bei der Auflösung des bisherigen Senats quiescirt, blieb aber nicht ausser Thätigkeit, indem er im Jahre 1809 zu den Geschäften der Steuerrectification zu Nürnberg und späterhin in gleicher Absicht zu Lauf und Neumarkt verwendet wurde.
Im Jahre 1812 wurde er durch höchste Ministerialversetzung bei dem kgl. Archiv zu Nürnberg als Secretair angestellt und bekleidete diese Stelle bis zu Ende des Jahres 1820, in welcher dieselbe aus administrativen Gründen aufgehoben und er in den Ruhestand versetzt wurde.
[S. 5.] Sein thätiger Geist aber konnte nicht ruhen, freiwillig, um einen Gegenstand nützlichen Wirkens zu haben, arbeitete er in dem Geschäftszimmer der kgl. Pfarrunterstützungs- und Pfarrwitwenkassa als Assistent des kgl. Raths und Administrators Zwingel bis zum Jahre 1830, in welchem Jahre derselbe wegen seines hohen Alters sein Amt niederlegte.
[…] Fünfundzwanzig Jahre bekleidete Heiden diese Stelle [des Ordensschriftführers] mit einer Liebe zur Sache, mit unermüdetem Eifer und mit gewissenhafter Pünktlichkeit und Genauigkeit. Sein Verdienst […] wurde im Jahre 1843 durch eine ihm geweihete Festesfeyer anerkannt, welche ihm große Freude gewährte.
In demselben Jahre legte er zwar seine Geschäfte in demselben nieder, nahm aber an den größeren und kleineren Versammlungen der Ordensmitglieder immer den regesten Antheil.
[…] Tiefer Schmerz beugte ihn nieder über den unter herzzerreißenden Umständen erfolgten Tod seines jüngeren Sohnes Johann Albert, dessen vorzügliche Talente und ausgezeichnete Kenntnisse, dessen Sinn für Dichtkunst dem Vater Hoffnung einflößte, derselbe werde einst ein würdiges Glied des pegnesischen Blumenordens werden. [Fußnote S. 6: Der hoffnungsvolle Jüngling starb den 6. August 1834 an den Folgen eines unvorsichtigen Schusses beim Exerciren im Feuer.]" − Das diesem Unfall gewidmete Denkmal, jenen im Irrhain ähnlich, steht noch an der Stelle, wo er sich ereignet hat, ein paar Meter seitab von der Bayreuther Straße am südöstlichen Ende des heutigen Stadtparks.
Um dieselbe Zeit, als der Übergang von Müller zu Heiden sich vollzog, verstarb ein weiterer Vertreter der Übergangsphase in den modernen Staat, Johann Wolf. Ob es an seinem nicht sehr seltenen Namen liegt, daß er neben Männern wie Zahn und Soden kaum die Erwähnung findet, die seiner bedeutenden naturwissenschaftlichen und pädagogischen Tätigkeit und seinem exemplarischen Aufsteiger-Lebenslauf eigentlich gebührt, ist schwer zu sagen, doch ist er in diesen Blättern bereits mehrmals rühmend erwähnt worden (etwa seine weit über Nürnberg hinaus berühmten ornithologischen Schriften) und soll abschließend in den Worten der damaligen Zeit eine Würdigung erhalten:
Er wurde nach ärmlichen Anfängen, wie es oftmals ging, wenn es überhaupt ging, über eine Privatlehrerstelle zur Wissenschaft geleitet, doch verlief in seinem Fall ein Teil der Ausbildung sogar ausdrücklich als Vorbereitung zum Lehren: "[…] Auf Empfehlung des Herrn Kirchenraths D. Vogel nemlich erhielt er von dem Reichsschultheißen, Herrn Haller von Hallerstein, ein zur Bildung junger Lehrer bestimmtes Stipendium. […] Noch in demselben Jahre [1789] erhielt Wolf von seinem Gönner die Erlaubniß zu einer pädagogischen Reise, und besuchte die vorzüglichsten Schul- und Erziehungsanstalten und Seminarien zu Schnepfenthal, Gotha, Weimar, Jena, Halle, Dessau, Leipzig, Magdeburg, Barby und vor allem die bekannte treffliche Schule zu Rekahn, wo er am längsten verweilte, und sich des belehrenden Umgangs des um die Erziehung so hochverdienten Domherrn von Rochow erfreute. Von da führte ihn sein Weg nach Potsdam und Berlin und über Rekahn wieder nach Meiningen zurück. […] Großen Einfluß auf seine nachherigen Beschäftigungen und die Richtung seiner Thätigkeit schreibt er besonders einer Unterredung zu, die er auf dieser Reise mit dem […] berühmten Pädagogen Salzmann zu Schnepfenthalhatte. […]" Am 5. Oktober 1790 kehrte er nach Nürnberg zurück. "Gleich Tags darauf meldete er sich bei seinem Gönner […] und trat einige Tage später bei dem Sohne desselben, Herrn Waldamtmann von Haller, eine Hauslehrerstelle an. Damals herrschte noch nicht das ängstliche Streben im häuslichen Unterricht, den ganzen Tag hindurch fast ohne Ruhepunct, selbst auf Kosten der körperlichen Entwicklung und Gesundheit, den jugendlichen Geist mit Kenntnissen anzufüllen; sondern man gestattete den Kleinen auch noch etwas Zeit zur Erholung und Verarbeitung des Gelernten. Daher hatte unser Freund auch nur Nachmittags zwei Stunden Unterricht zu ertheilen, so daß er die freien Vormittagsstunden zum Unterrichte in andern Häusern, namentlich im Merkel'schen, in welchem er viel Gutes genossen zu haben mit dankbarem Herzen rühmte, verwenden konnte.
Schon nach anderthalb Jahren verließ er diese Stelle, und trat im Mai 1792 als Lehrer in die Büchnerische Lehr- und Erziehungsanstalt." "Nachdem er 1803 das Büchnerische Institut […] verlassen hatte, wurde er an der neuerrichteten Knabenindustrieschule als erster Lehrer angestellt. […] In dieser neuen Lehrstelle gehörte es zu Wolfs Verpflichtungen, mehrere Theile der Technologie theoretisch und praktisch zu lehren, und deshalb die nöthigen Kenntnisse sich selbst erst zu erwerben. Mit welchem Erfolge dieß geschehen, zeigen seine Musterstücke, so wie die Arbeiten, welche die Knaben unter seiner Leitung damals verfertigten. Die ersten waren von der Beschaffenheit, daß selbst ein zünftiger Meister gewiß wenig daran auszusetzen gefunden haben würde, und empfehlen sich noch überdieß durch ihre geschmackvolle Form. […] als im Jahre 1808 bei der Organisation der höhern Lehranstalten dahier das physico-technische Realinstitut errichtet wurde; wurde Wolf als Professor der naturgeschichtlichen Studien bei demselben angestellt, jedoch aber schon im folgenden Jahre zu dem dahier gegründeten Schullehrerseminar als Inspector und zweiter Lehrer versetzt […]" "Höchstbeunruhigend war es […] für ihn, als vor etwa zwei Jahren [1822] die Versetzung des Schullehrerseminars nach Altdorf zuerst in Anregung kam, wodurch ihm mancher Kummer veranlaßt wurde, weil bei einer Veränderung der Art seine häuslichen Verhältnisse mit einem höchst empfindlichen Verluste, ohne Hoffnung einigen Ersatzes, bedroht waren.
[…] Er war ein Freund einfacher und unschuldiger Vergnügungen, besonders der Freuden, welche die Betrachtung der Werke der Natur gewährt. Er verschmähte es daher nicht, wenn es seine andern vielen Geschäfte erlaubten, kleine Fußreisen in Gesellschaft einiger Freunde in die benachbarten Gegenden zu machen. Am meisten gefiel ihm in dieser Absicht die von ihm sogenannte Nürnberger Schweiz, oder das an Naturschönheiten und Merkwürdigkeiten reiche Pegnitzthal von Hersbruck bis Velden […]" Zuletzt kommt noch heraus, daß der Ausdruck "Fränkische Schweiz" wohl nicht ursprünglich auf Tieck und Wackenroder zurückgeht, sondern auf Wolf, und wenn nicht dieser, so vielleicht seine Übertragung auf die "Hersbrucker Schweiz"!
"Im stillen häuslichen Kreise war er ein treuer Gatte, ein liebevoller zärtlicher Vater […] Die ihn überlebende betrübte Witwe und vier trostlose Kinder aus drei verschiedenen Ehen, drei Söhne und Eine [sic] Tochter, sahen mit ihm ihren einzigen Schutz und ihre Hilfe in das Grab hinabsinken. […]" Man muß sich einmal klarmachen, daß proportionale Hinterbliebenenbezüge aus Anstellungsverhältnissen damals nicht vorgesehen waren. Was einer nicht für seine Familie ansparen konnte − und zum Sparen hatte es bei einem, der völlig unbemittelt angefangen hatte, nie gereicht −, der mußte seine Hinterbliebenen der Mildtätigkeit überantworten, die aus öffentlichen Mitteln sehr spärlich organisiert und ausgestattet war, aus privaten Mitteln von Freunden des Abgeschiedenen oder von Verwandten wohl kaum mehr als sporadisch fließen konnte. Wolf war lange schon konstitutionell schwach an der Lunge gewesen, litt zuletzt an einer sehr schmerzhaften Entzündung im Unterleib und starb am 12. Februar 1824.
Zehn Jahre später verschied Colmar, der sozusagen letzte Mohikaner des Alten Reiches und seines in Wehmut absterbenden Geistes. Er stammte im Unterschied zu Heiden und Wolf aus einem Haus, das bereits recht ansehnliche Amtsträger gestellt hatte: Sein Vater war noch "Doctor der Rechte, Nürnbergischer Konsulent und vorderster Assessor am Stadt- und Ehe-, auch Land- und Bauerngericht" gewesen. 1788 verheiratete er sich mit der Tochter Leinkers, dem der wahrscheinlich älteste Gedenkstein im Irrhain aufgestellt wurde. Sein langes Leben brachte ihn noch in Berührung mit Ordensmitgliedern, die zum Teil über die Mitte des 19.Jahrhunderts hinaus aktiv blieben. "Die alten Freunde und Gesellschafter, ein Spieß (ehemaliger reichsstädtischer Konsulent) und seine Familie, ein Zahn, Müller, Frank, ein Bädeker, Sein Arzt und Freund Schadelook, Bayer, Rehberger Sein theurer Verwandter, Hanf, Schuldentilgungskassier von Grundherr, Stadtgerichtsassessor von Holzschuher, Kiefhaber und Andere wurden Ihm theils durch den Tod, theils durch persönliche Entfernung entrissen. Aber es schloß sich immer wieder ein Kreis um Ihn, dessen Brennpunkt Er war [...Dieser bestand zuletzt aus] den Herren Geheimen Hofrath Siebenkees, Dr. med. Bayer, Stadtsyndicus Heiden, Pfarrer Michahelles dem ältern und jüngern, Pfarrer Dietelmair, Pfarrer Seiler." Am Ende wurde seine gelegentliche Neigung zum "Trübsinn" wegen körperlicher Gebrechen stärker. "Er entschlief den 20. August 1834."
Gesellschaftliche Nebenbedingungen
„Hintergrundbedingungen” wäre zuviel gesagt, wenn man einige Archivmaterialien in den gesellschaftlichen Zusammenhang der damaligen Zeit einordnen möchte, denn das Leben des Blumenordens verlief ziemlich unabhängig von den sozialen Problemen, eigentlich nebenher. Doch gänzlich die Augen davor verschließen konnten und wollten die Pegnesen auch nicht.
Am 8. November 1824 gelang dem Präses unter Punkt II der Tagesordnung eine schöne Geste: „[…] Ich halte es für meine Pflicht vorerst eines Mannes zu gedenken, welcher uns allen werth gewesen ist, es ist der ohnlängst entschlafene Lohnbediente Bauer, dieser achtungswürdige Greis. […Er] war auch viele, viele Jahre treuer Diener unserer Gesellschaft […] er ist hinübergegangen in das Land, wo nicht mehr Herr noch Diener ist und hat ein gutes Zeugniß mit hinüber genommen. Genehmigen Sie es, meine Herren, so sollen diese wenigen Worte dem Protokoll einverleibt werden […]“
Ein Lohnbedienter — der verdingte sich zu jeweils einzelnen Dienstleistungen ohne festes Abhängigkeitsverhältnis von einem Dienstherrn; im Falle des Blumenordens mögen dies Botendienste für Rundschreiben gewesen sein, oder Aufwartungen bei Ordensversammlungen. Nach unseren heutigen Begriffen war Bauer also ein Gelegenheitsarbeiter, und es wäre auch heute nicht selbstverständlich, daß seine Mühe durch Erwähnung in einem Protokoll gewürdigt wird, das für die Nachwelt bestimmt ist. 170 Jahre hat diese Notiz nun schon überdauert, und so war es gewiß beabsichtigt. Die Worte Seidels waren aus christlichem Geist gesprochen; eine Gewerkschaft könnte damit freilich noch nicht zufrieden sein.
Wie verhielten sich die Pegnesen, wenn sie mit tatsächlichem Elend konfrontiert wurden? Am 13. November 1843 erreichte sie ein namenloser Bittbrief:
„Gehorsamste Bitte an die Hochverehrten Mitglieder des Pegnesischen Blumenordens!
Eine Familienmutter von 5 unerzognen Kindern wendet von Kummer und Verzweiflung getrieben, ihre Blicke flehend und hoffend um eine Unterstützung in ihrer bedrängten Lage zutrauensvoll an Sie, da ja Nürnbergs edle Bewohner jeder Zeit sich so Hülfe spendend und bereitwillig zeigen, wenn es gilt fremdes Unglück zu mildern, so werden Sie es auch nicht minder sein, wenn es gilt einen Ihrer Mitbürger, der sich schämt, seine unverschuldete Lage zu veröffentlichen, zu unterstützen, da durch Geschäftslosigkeit, Krankheiten, und zuletzt der teueren Lebensmittel alles Entbehrliche veräußert werden mußte, sind wir nicht imstande für diesen Winter das Unentbehrlichste, Holz und Kartoffeln zu bestreiten […] Ich flehe daher noch einmal dringend, erbarmen Sie sich der Kinder, daß sie nicht hungern und frieren müssen, und Gottes reichster Segen für jeden kleinen Beitrag und das eigene Bewußtsein werden Ihr Lohn sein für diese edle Unterstützung wenn gleich ungenannt und unbekannt, so dürfen Sie doch überzeugt sein, solches an keine Unwürdigen verschwendet zu haben […] In der freudigen Hoffnung lebend, von Ihnen Hülfe zu erhalten, wage ich es, den [sic] Freiherrn von Kreß diese Zeilen einzuhändigen und von solchen mein Urteil zu erhalten, obwohl persönlich unbekannt würde ich mit der Bitte um Verschweigung des Namens Ihnen gerne die näheren Aufschlüsse geben, ob ein Zufall oder Gott mir den Gedanken gab, ich weiß es selbst [nicht?], und kann nur bitten, er möge Ihr Herz regieren und mich vor Zweiflung schützen, denn schon schlägt die Glocke 1 Uhr und noch naht der freundliche Tröster der Müden und Bedrängten meiner kummervollen Wohnung nicht, o Gott, es ist hart fremde Hülfe ansprechen zu müssen und ich würde lieber Hunger sterben, täten mich die armen Kindern [sic] nicht dauern, und so will ich nun hoffen und harren, Gott wird es zum Besten lenken.”
Diese Mutter (es wird schon eine Frau gewesen sein, die da schrieb) äußert sich in einem fast durchgehenden Strom von assoziativ gereihten Klagen und Bitten, deren sprachliche Bestandteile sie gewiß von vielen fleißig besuchten Predigten gelernt hat. Sie ist in grammatikalischer Hinsicht nicht völlig sicher, aber sie stammt gewiß nicht aus der Schicht derjenigen, welche den Töchtern keinerlei Schulung zukommen lassen können oder wollen. Wenn sie sonst schreibt, schreibt sie gewiß anders, doch ihre Bedrängnis zwingt ihr geradezu Kanzelrhetorik ab. Sie gehört wohl zu der Schicht der kleinen Gewerbetreibenden (Händler oder Handwerker), und daher zu den „verschämten Armen”, die sich scheuen, in sichtbarer Weise der öffentlichen Armenpflege zur Last zu fallen. Erstens wäre die Kreditwürdigkeit damit gänzlich dahin, und zweitens war diese Armenpflege in Nürnberg zwar von alters her eingerichtet, aber schlecht dotiert, und der bayerische Staat hatte auch nicht mehr zu bieten — eine Umverteilungsmaschinerie von den Erbringern des Sozialprodukts zu den Unfähigen oder Unwilligen war sie noch keineswegs. Diese Familie war offenbar auf dem Abstieg ins Industriearbeiter-Proletariat, mitten während der Ausbauphase des Eisenbahnwesens, und auch das nur, wenn sie sich entschließen konnte, die bisherige Stellung und Wirtschaftsweise aufzugeben. So wäre aber wenigstens eine bescheidene Teilhabe an der aufstrebenden Konjunktur erreicht worden. Die Angelegenheit erinnert sehr an Verhältnisse, die Gottfried Keller in dem Roman „Der grüne Heinrich” schilderte.
Wenn uns heute eine vergleichbar geschriebene e-Mail erreichte, würde sie als geschickt getrickste Betrügerei eingeschätzt und landete im elektronischen Papierkorb für unerwünschte Werbung. Das geht ganz leicht, und auch deswegen, weil man in dem Gefühl lebt, daß der Sozialstaat dem einzelnen genügend Steuern abverlangt, um dafür zu sorgen, daß niemand Hungers sterben muß (auch wenn diese Überlegung sehr, sehr theoretisch ist). Damals wendete sich der Arme, dessen Lage nicht allein von seiner Tüchtigkeit und auch nicht allein von den konjunkturellen Verhältnissen der Wirtschaft abhing, an den Reichen, der seinen Reichtum zum größten Teil ererbt hatte, und der auf der gemeinsamen Grundlage christlicher Anschauungen sein Gewissen mit einer milden Gabe beschwichtigte. Wie viel hat der Orden gespendet?
Auf dem Blatt ist vermerkt, daß die Mitglieder des Blumenordens anläßlich des Soupers vom 13. November 1843 1 florin und 34 Kreuzer beigesteuert haben. Der Präses legte noch einmal 11 Kreuzer darauf. In Ermangelung eines entsprechenden „Warenkorbes” zur Ermittlung der Kaufkraft wird das unmöglich in Euro umzurechnen sein, höchstens eine sehr ungefähre Schätzung, die zwischen 150 bis 600 Euro schwanken dürfte, ist nach Auskunft diverser Internetseiten möglich. Eines steht dennoch fest: Damit kam eine siebenköpfige Familie nicht über den Winter. Sie mußte noch andere Hilfsquellen suchen. Geradezu gleichgültig oder gar unmenschlich hatten sich die Pegnesen trotz der Anonymität des Schreibens jedoch nicht erwiesen.
Auf den ersten Blick scheint eine Beschwerde, die ein Mitglied des Blumenordens anonym an den Präses richtete, mehr von Unmenschlichkeit an sich zu haben. Am 4. Juli 1818 war „Joh. Konrad Koerber zum Irrgärtner an- und aufgenommen” worden. Acht Jahre später geht unter dem üblichen Eingangsvermerk „praes. 4/7. Febr. 1826” folgendes Schreiben ein:
„Das Glückwünschen zum Jahres-Wechsel, um ein Geldgeschenk zu erhalten, — kürzer gesagt: der Neujahrsbettel, — wird nicht nur längst allenthalben inter odiosa gerechnet, sondern mit Recht auch als ein Frevel an öffentlicher Ordnung und Sittlichkeit angesehen und behandelt, wo eine energische Obrigkeit ihr Amt übt. […]
Der Schwarm begehrender Gratulanten ist gewichen: nur wenige üben noch den häßlichen Bettel, und darunter ist unser Irrgärtner —;
Er, der durch die Gaben der — den Irrhain Besuchenden für die sehr nachlässige Pflege der veralteten und großentheils nicht mehr kennbaren Anlagen dieses Haines reichlich belohnt wird, gleichwohl aber einst seine Unverschämtheit so weit zu treiben gewagt hat, zur Vermehrung seines Einkommens öffentlich vorzuspiegeln, aus den Garten-EintrittsGeldern eine Abgabe in die Ordenskasse entrichten zu müssen.
Man lohne seine Dienste aus der — durch die — auf das Doppelte erhöhten Beiträge nun hinlänglich dotierten GesellschaftsKasse, und untersage ihm die schamlose Bettelei, die immer dasselbe bleibt, die Gabe, welche erwartet und gereicht wird, sei groß oder klein.
Kein Bettler sei unser Irrgärtner, sondern ein fleißiger Pfleger des Haines, und dafür werde ihm aus dem Fonds des Ordens, was er verdient!
Dieses wünscht zum neuen Jahr
ein Freund guter Ordnung und Mitglied des pegnesischen Blumenordens.”
Was man ohne kurzsichtige Mitleidsheuchelei daraus entnehmen sollte, ist doch eher dies: Die Regelung aus dem 18. Jahrhundert, nach der ein Irrgärtner von den Trinkgeldern leben sollte und konnte, hat nicht mehr den rechten Erfolg. Die Besucher haben offenbar im Verhältnis weniger gegeben, wohl auch aus der neuartigen Einstellung, daß Arbeitsverhältnisse ordentlicher geregelt zu sein hätten, und daß wohl auch eine derartige Regelung bestehe. Koerber wußte sich nicht anders zu helfen, als eine Pacht vorzuspiegeln, um die Gaben reichlicher fließen zu lassen. Mit einem gewissen Recht angesichts des Wechsels der Auffassungen wünscht der Verfasser des Beschwerdeschreibens, man solle reinen Tisch machen und lieber einen anständigen Gehalt zahlen. Damit entfällt eine Entlohnung, die auf menschliche Nähe und Almosengesinnung angewiesen ist, und an ihre Stelle tritt das unpersönliche Vertragsverhältnis.
Ganz so unpersönlich hat man allerdings nicht gleich gedacht. Am 13. Februar 1843 verzeichnet das Protokoll:
„[…] II) Machte der erste Herr Ordens-Consiliarius den anwesenden Mitgliedern [20 Personen] bekannt, daß der Gärtner im Irrhain Johann Konrad Körber zu Kraftshof vor Kurzem, mit Hinterlassung mehrerer Kinder, mit Tod abgegangen sey und daß dessen Wittwe geziemend gebeten habe, die von ihrem verstorbenen Ehemann viele Jahre hindurch besorgten Geschäfte eines Gärtners im Irrhain ihr und ihrem ältesten Sohn auch noch fernerhin pachtweise zu überlassen. Der Körberin sey hierauf eröffnet worden, daß die Entschließung des Ordens-Vorstands auf ihr Gesuch bis zur Zurückkunft des Herrn Präses [der sich „als Abgeordneter zu der Landtags-Sitzung in München befindet“, 1. Seite] ausgesetzt bleiben müße und daß sie inzwischen die Arbeiten im Irrhain noch ferner wie bisher zu verrichten habe.” Das läßt in der Tat auf ein mittlerweile eingerichtetes Pachtverhältnis schließen, wenn nicht sogar jener Beschwerdeführer den Sachverhalt nicht genau gekannt haben sollte. Dabei kann die Familie nicht gut weggekommen sein, falls die Stellungnahme dieses Anonymus nicht ein vereinzelter Vorläufer einer Gesinnung war, die erst viel später durchdrang. Andererseits achtete man doch darauf, daß nach dem Tode ihrers Ernährers die Familie Körber nicht einfach als abgemeldet galt.
Wenn schon der Posten des Irrhain-Gärtners den Gepflogenheiten des Kommerzes angenähert wurde, so konnte die Auffassung vom Irrhain davon nicht unberührt bleiben. Er ist immer noch in erster Linie die Angelegenheit des Ordens; wohingegen Besuche durch Fremde im 17. und im 18. Jahrhundert einzelne Ereignisse zu sein pflegten — Jean Pauls Aufenthalt macht auch keine Ausnahme —, sieht sich der Orden jedoch allmählich als Sachwalter einer von breiten Kreisen beanspruchten Freizeitmöglichkeit.
Der Irrhain wird zum Ausflugsziel
Das erste Anzeichen dafür, daß statt einer Vielzahl von Hütten einzelner Mitglieder samt einer Gesellschaftshütte auf lange Sicht nur mehr die Gesellschaftshütte übrigbleiben werde, gab Colmars Reaktion auf den Sturm, der seine Hütte niederriß — das für ihn typische resignierte Zurückweichen. Am 13. Mai 1822 gab er zu Protokoll, „daß er nicht mehr Willens sey, eine neue Hütte wieder aufbauen zu lassen, und daß er deswegen den Platz, wo dieselbe bisher gestanden, dem Orden zurückgebe, um solchen an ein anderes Mitglied zu verleihen, oder ihn sonst nach Gefallen bearbeiten zu lassen. […]” Außerdem wolle er „zu dankbarer Anerkennung seines bisherigen Besitzes so wie zu den Kosten der Baulichkeiten dem Blumenorden ein Geschenk mit acht Kronenthalern machen. […]”
Ob die neue Gesellschaftshütte auf dem Grund der abgegangenen Colmar'schen Hütte gebaut wurde, ist nicht nachzuweisen, aber jedenfalls wurde sie 1822 errichtet. Wegen dieser und anderer Kosten für Maßnahmen im Irrhain scheiterte sogar der Vorstoß, den Jahresbeitrag, der 1817 verdoppelt worden war, wieder zu halbieren.
Wenn auch diese Darstellung erst 22 Jahre später verfertigt wurde, so war doch die Gesellschaftshütte von 1822 bereits auf demselben Ort errichtet worden. Links davon ist der Beginn eines Weges zu erkennen, der noch von Mitgliederhütten gesäumt scheint. Fest eingerammte Bierbänke und -tische zwischen den Denkmälern laden nicht nur Ordensmitglieder zum Verweilen oder sogar Essen und Trinken ein.
Die Gesellschaftshütte von 1822 folgte, wie wir weiter unten belegt sehen werden, in ihrer Bauweise mehr oder weniger den Empfehlungen, welche Kress in Form seiner Aquarelle gegeben hatte. Dagegen findet sich im Archiv eine undatierte Entwurfzeichnung, und zwar nicht, wie die anderen Abbildungen, in Archivschuber 54, dem für Irrhainangelegenheiten, sondern in 104 d. Sie zeigt eine offene Bauweise mit einem diagonal gekreuzten Lattengeflecht statt fester Wände, wie es auch auf Georg Christoph Wilders Bleistiftzeichnung und dem daraus hervorgegangenen Stich von 1844 deutlich erkennbar ist. Es muß also vor dem Jubiläumsjahr 1844 ein Ersatzbau auf der Grundlage obiger Entwurfszeichnung errichtet worden sein.
Nicht immer ging es im Irrhain so gesittet und verhältnismäßig menschenleer zu, wie auf dem Bilde dargestellt. Dies veranlaßte den Blumenorden, in die Ausgabe des „Allgemeinen Intelligenz-Blattes der Stadt Nürnberg vom Montag, dem 24. Juli 1826 folgende ziemlich große Anzeige einzurücken:
„Bekanntmachung.
Der pegnesische Blumenorden, als Besitzer des Irrhains bei Kraftshof, hat bisher dem hiesigen Publikum den Eintritt in denselben gerne gestattet, in der Voraussetzung, daß die diesen Lustort besuchenden Personen die Schranken einer erlaubten Fröhlichkeit nicht übertreten und die in dem Irrhain befindlichen Monumente, Hütten, Bäume, Gewächse und andere Gegenstände, deren Erhaltung dem Orden jährlich beträchtliche Kosten verursacht, nicht beschädigen würden. Mehrere Jahre hindurch hatte der Blumenorden auch nicht Ursache, diese Erlaubniß zu bereuen. Die leidige Erfahrung der neuesten Zeit, besonders der am Sonntag den 2. Juli statt gehabte ärgerliche Vorfall, daß der Irrhain zu einem Tummelplatz ungezügelter Leidenschaftlichkeit und gefährlicher Schlägereien gemißbraucht wurde, so wie die ganz unbefugte eigenmächtige Ankündigung in öffentlichen Blättern von Musiken und Tänzen in dem Irrhain, dann der Mißbrauch dieses Orts zur Schenkstätte entfernter Bierwirthe, veranlaßt aber nunmehr den Vorstand des Blumenordens hiemit öffentlich zu erklären, daß, obgleich derselbe allerdings berechtiget wäre, den Irrhain für Jedermann, ausser den Mitgliedern dieser literarischen Vereinigung, zu verschließen, doch derselbe den Eingang und den Aufenthalt in diesem Ort dem gesitteten Theil des Publikums noch ferner gestatten wolle, jedoch unter folgenden ausdrücklichen Bedingungen:
1) daß sich die den Irrhain besuchenden Personen bei ihrem Aufenthalt den Gesetzen des Wohlstandes gemäß betragen;
2) daß der Irrhain durchaus nicht durch Trinkgelage, durch Tanzmusik und Tanzparthien entwürdiget werde, und daher weder Wirthe dort ihre Schenke aufrichten, noch Musikanten Erwerb suchen dürfen. Es versteht sich jedoch von selbst, daß es Freunden der Tonkunst und des Gesanges keineswegs verwehrt sey, sich den Aufenthalt im Irrhain durch musikalische Unterhaltungen noch genußreicher zu machen;
3) daß die in dem Irrhain befindlichen Gegenstände, als Monumente, Gebäude, Bäume und Gewächse, nicht beschädiget, sondern auf das sorgfältigste geschonet werden.
Sollten diese Bedingungen nicht erfüllt werden; so würde sich der Orden in die Nothwendigkeit versetzt sehen, diesen den stillen Musen und dem Andenken seiner Verstorbenen geweihten Ort für das Publikum zu verschließen und den Eintritt nur den von ihm hiezu eingeladenen Personen zu gestatten.
Nürnberg, den 21. Juli 1826.
Dr. Seidel. Dr. Lorsch. Dr.Veillodter. Heiden.”
Das hätten die Pegnesen lieber nicht tun sollen: sich als „Besitzer des Irrhains” zu bezeichnen. Wenn es auch einen Unterschied zwischen „Eigentum” und „Besitz” gibt, in dem Sinne, daß der Besitzer, der die Verfügungsgewalt über eine Sache hat, nicht zugleich der Eigentümer sein muß, von dem er diese Verfügungsgewalt irgendwie erworben oder verliehen bekommen haben kann (das Grimm'sche Wörterbuch kennt in seinen Rückübersetzungen ins klarere Latein der Juristen schon die Unterscheidung zwischen „possessio” und „dominium”) — das „Königliche Forstamt Sebaldi” hatte den Ausdruck sehr wohl wahr- als auch übelgenommen und schickte am 22. Juli 1826 einen buchstäblich blauen Brief mit der Abmahnung, der Orden könne sich keinesfalls als Eigentümer des Grundes und Bodens und des darauf wachsenden Holzes, nur der zugestandenen Anlagen bezeichnen und habe eine Gegendarstellung zu geben. Es war eine typisch formalistische, gänzlich vom vernünftigen Inhalt der öffentlichen Kundgabe abgelöste behördliche Schikane. Schließlich hatte die Forstverwaltung, der es ja auch um Ruhe und Frieden in ihren Waldungen zu tun sein mußte, jene Mißbräuche nicht verhindert und konnte eigentlich froh sein, daß sich der Blumenorden an ihrer Stelle der Sache annahm. Am 28. Juli veröffentlichte der Orden die „Gehorsamste Erklärung”, daß nicht beabsichtigt gewesen sei, über Verjährung des Ausdrucks „Besitzer” wirklich zum Eigentum am Irrhain zu gelangen. Und damit hätte man zufrieden sein können. Aber nein, der unerfreuliche Briefwechsel zwischen Staatsstellen, die mit dem altverbrieften Recht der Belehnung nichts mehr anzufangen wußten, und dem Blumenorden, dessen Verdienste als Sachwalter eines besonders naturnahen Hektars Mischwald zunächst noch nicht wahrgenommen wurden, zieht sich von da an durch die Jahrzehnte.
Am 22. Februar 1828 schrieb das Königliche Rentamt Erlangen: „An höchster Stelle ist die Ablösung der Erbforsthuben Kraftshof und Neunhof […] angeordnet worden. […] Da jedoch […] nur dann als von ständiger Natur anerkannt und in diesem Falle die Ablösung von Seiten der Stadt erfolgen […] kann, wenn der P.Bl.O. selbst als eine dauernd zu leistende jährliche Reichnis [Ablösungssumme] wirklich anerkennt und übernimmt, so ist das Königliche Rentamt veranlaßt, den Vorstand des P.Bl.O.[…] um Abgabe der bestimmten Erklärung […] zu ersuchen.” Das heißt, daß eine alljährliche Abgabe versprochen und geleistet werden mußte, wie ja vorher auch, bloß nicht mehr an das aufgelöste Almosamt Sebaldi, sondern an besagtes Rentamt. Geleistet wurde diese Erklärung am 5. Mai 1828.
Nunmehr stand der Blumenorden hinsichtlich des Irrhains zwischen dem Argwohn der Behörden und dem Interesse einer schwer zu disziplinierenden Öffentlichkeit an Mitbenutzung. Hindern konnte er jedenfalls nicht, daß der Ausflüglerverkehr in und um den Irrhain geradezu dieselben Ausmaße annahm wie am Dutzendteich. Ein Beleg hierfür ist das „Taschenbuch für Lustwandler”, das ein J. J. Widenmann 1828 herausbrachte. Darin nimmt „Die Fahrt nach dem Irrgarten bei Kraftshof” die Seiten 161 bis 186 ein; bis Seite 180 reicht ein 59strophiges Gedicht (so etwas würde man in einem Wanderführer heute vergebens suchen), dann folgen noch recht kenntnisreiche Anmerkungen zu geographischen Gegebenheiten und der Geschichte des Blumenordens. Auszüge, die über die damals aktuellen Zustände Auskunft geben, seien hier ohne Rücksicht auf die eventuellen künstlerischen Meriten der Verse, die wohl von keinem Pegnesen stammen, hier in möglichster Kürze mitgeteilt:
[…] Man muß sich wohl bequemen,
Das Nöth'ge mitzunehmen,
So ist's schon alter Brauch;
Doch unter dem Verdecke
Links steht zum guten Zwecke
Ein Küchenheerd dort auch.
Und nah dran ist der Bronnen,
Aus ihm wird frisch gewonnen
Das Wasser silberhell;
Doch machen zarte Nasen
Oft drüber ihre Phrasen;
Denn — 's ist ein Schwefelquell.
Rings um im nahen Kreise
Steh'n, doch nach alter Weise,
Der Sommerhäuschen viel,
Und eine Promenade
Führt entlang ganz gerade
Zum fernsten Haine-Ziel. […]
Unter Endnote 4, der längeren Beschreibung in Prosa, findet man noch den Hinweis: „Neuerlich ließen die Mitglieder ein größeres ganz einfaches, strohgedecktes Haus erbauen, damit eine größere Anzahl von Besuchern Ruheplätze und Schutz vor Regen, nöthigen Falls, finden können.” Hinsichtlich des Strohdaches waren also die Vorschläge, die Kress auf seinen Aquarellen festgehalten hatte, befolgt worden (vgl. o.).
Jenes Büchlein im Sedez-Format enthält neben Beschreibungen und Gedichten zu den Ausflugszielen St. Peter, Dutzendteich und Almoshof noch einen zweiten Beitrag über den Irrhain, nämlich„ Das Sonntags Leben im Irrgarten. Ein Nachtrag.” (S. 189 bis S. 199). Dort heißt es u.a.:
[…] Wie gehofft, hatt' ich's gefunden:
Menschenvoll war schon der Hain,
Und es mischte sich in bunten
Wechselkreisen Groß und Klein.
Wie in Bivouacen lagen
Sassen, standen all umher,
Und auf großen Leiterwagen
Kam die Zufuhr viel und sehr. […]
Weiter dann im Friedhofs Kreise ?
Ist hier Jahrmarkt heute denn?
Allerlei für Näscher-Weise,
Früchte schon sind auch zu sehn,
Und die Tische all besetzet,
Alles voll mit Speis und Trank,
Und ein Chor Musik ergötzet
Dort mit ihrer Töne Klang.
Links und rechts die Hüttchen alle
Offen heut und angefüllt,
Und im großen Strohdach Saale,
Der hier den Modernen spielt,
Ist auch nicht das kleinste Plätzchen,
Alt und jung mengt sich darin;
Manchem Liebchen mit dem Schätzchen
Ist ein Winzigs schon Gewinn. […]
Zum „Strohdach-Saale” lautet die Endnote 4: „[…] auf unbehauenen Bäumen ruhend, mit Stroh bedeckt, und rings mit einem einfachen, von Aesten gefertigten Geländer und vier Eingängen versehen […]”. Das heißt, man hatte nicht den eigentlichen Entwurf für die Gesellschaftshütte verwirklicht, sondern dafür den Entwurf für die Ausführung von Mitgliederhütten.
Um den Heerd, da stehen Frauen
Viel geschäftig mit Kaffee,
Ihn nach Wunsch recht gut zu brauen;
Und dann in des Brunnens Näh',
Hinter ihm doch, schließt im Runden
Eine Landmann-Schaar das Faß
Mit dem Wirth ein, läßt sich's munden,
Und treibt seinen eignen Spaß.
Außerhalb des Gartens Schranken,
Seht doch! haust noch ein Verein.
Tische bracht' er mit und Banken,
Brod und Fleisch und Bier und Wein.
Was nicht Platz auf Sitzen findet,
Lagert sich auf Wiesengrün
Nah dem Bach, der fort sich windet
Zwischen kleinen [sic] Buschwerk d'rin. […]
Hochinteressant, daß der nördlich vorbeiführende, nicht unpassend benamste „Kothbrunn” damals an einem 2. Juli noch nicht ausgetrocknet war.
Horcht! Hört Ihr es fern nicht krachen?
Feuerwerk am lichten Tag?!
Lustige Gesellen machen
Spaß sich zu der Mädchen Plag.
In der Nähe heimlich bringen
Sie ein Fröschlein glimmend an;
Plötzlich kracht's, die Armen springen
Schreiend fort, wie jede kann.
Laut erschallet dann Gelächter,
Die Geschrekten lachen mit,
Schmollen zwar und nie gerechter;
Schließen aber bald doch Fried'.
Wer wird auch hier lange schmollen,
Wenn der Scherz zu weit selbst geht,
Da die Gränze von dem Sollen
Noch nicht fest geregelt steht. […]
„Hier ist des Volkes wahrer Himmel”, möchte man zitieren, wenn man die ausführliche Beschreibung eines so biedermeierlichen Treibens liest, wie sich die Pärchen in den dunkleren Irrgängen haschen, wie da und dort zur Gitarre gesungen wird, wie der „Plumpsack” umgeht, etc.. Leider gibt Endnote 1 die Auskunft: „Sonntags den 2. Juli 1826 war der Verf. dort, und fand, was er beschrieb. Grobe Excessen, welche damals spät Abends, nachdem die meisten Gesellschaften sich schon entfernt hatten, noch vorfielen, veranlaßten den Vorstand des Blumenordens, diese Unterhaltungen in einem gewissen Maße zu beschränken, das von gebildeteren Zirkeln ohnehin nie überschritten wird.” Damit war die „Grenze von dem Sollen” geregelt, was aber der Beliebtheit des Irrhains als Ausflugsziel keinen Abbruch tat. Nur — wie nutzten die Pegnesen selber den Hain?
Die Irrhainfeste selbst scheinen keinen großen Zulauf gehabt zu haben. Als vorletzter von 30 Unterzeichneten, von denen 15 abgesagt haben, schreibt Georg Paul Dietelmair am 9. August 1833: „[…] Mit wahrem Vergnügen kommt und bringt einen anderen Gast mit, Dietelmair. Möchten doch etliche Freunde der Ladung unseres besten H. Präses Folge leisten! Es ist doch arg, an einem einmaligen Erscheinen im Jahr wird man verhindert! Hier fehlt es an Ernst und Lust; innere, nicht äußere Motive wirken, fehlen vielmehr. Uebrigens muß man ein Deutscher seyn, um es in einer Sache machen zu können, wie wir verehrlichen Schäfer es mit dem Irrgarten machen. Vom 1. May h.a. bis 17. Juni hatte die Natur Tage zur Wahl gestellt, deren einer den anderen an Herrlichkeit übertraf. Endlich am 10. August wird auch bedacht, ob man den 12. wählen, oder den großen Plan weiter hinaus (ins Volksfest hinein) vertagen wolle.” Einen festen Termin für das Irrhainfest des Ordens gab es also noch nicht.
Die Anfahrt legten die würdigen Pegnesen freilich nicht in einem Leiterwagen zurück. Statt des öffentlichen Verkehrsmittels Postkutsche oder eigener Kutschen wird allerdings 1834 kurioserweise der „Omnibus” eines Herrn Poststallmeisters Eckert erwähnt. Das Grimm'sche Wörterbuch beschreibt ihn so: „ein vielsitziger lohnwagen, der regelmäszig bestimmte fahrten macht und den jeder gegen geringes fahrgeld benutzen kann (zuerst 1823 für den innern verkehr von Paris eingeführt)”. Natürlich wurde er zu dieser Zeit auch von Pferden gezogen; eine regelmäßige Linienfahrt zum Irrhain ist aber schwer vorstellbar. Die beiden Blätter „Die naechtliche Heimkehr vom Irrhain” in Schuber 83 des Pegnesenarchivs scheinen jedenfalls zu belegen, daß es auch im Kreise der Ordensmitglieder recht vergnügt zuging, wenn sie sich einmal hinausbegeben hatten — bis der Kutscher mitten in der Nacht über einen Erdhaufen fuhr und damit die Kutsche zum Kippen brachte.
Als Gedenkstätte erfuhr der Irrhain 1839 Zuwachs durch eine weitere Tafel, die „Herr PoliceyCommissär Nopitsch” für den Königlich-Württembergischen General-Superintendenten Johann Gottfried von Pahl, jenen zur napoleonischen Zeit ehemals recht unbotmäßigen Liberalen, in Vorschlag gebracht hatte.
Das übrige Tun und Schaffen des Blumenordens geht seinen gewohnten Gang. Eine gewisse Erstarrung im rein Geschäftsmäßigen ist nicht zu übersehen.
Das Vereinsleben in engerem Sinne
Zum Beginn der schon mehrmals unter verschiedenen Gesichtspunkten überblickten Biedermeierepoche gehen Vorlesung an einem Vortragsabend und Veröffentlichung noch in Einzelfällen überein. Am 12. November 1821 wurde „von Herrn Diakonus Wilder eine zur Zeit noch ungedruckte für das künftig erscheinende Nürnbergische Taschenbuch bestimmte Abhandlung über Nürnberger Kunstfleiß abgelesen.” Das bedeutet, daß man sich mit der handwerklichen Basis der großen Vergangenheit der Stadt befaßte. Später schränkten sich die Gegenstände der Erörterung wieder stärker auf den literarischen Bereich ein. Wilhelm Schmidt urteilt in seiner unveröffentlichten Festschrift von 1944 auf S. 40: „Tatsächlich widmete sich der Orden immer mehr fast ausschließlich der Pflege der Dichtkunst und der Würdigung von Dichtungen, sodaß die Abteilungen ziemlich zwecklos wurden. Aber der Zustrom nicht oder nur wenig tätiger Mitglieder verebbte. Das verlangte Bekenntnis zu einer Abteilung wirkte als Bremse. Auf eine größere Zuhörerschaft legte man keinen Wert. Von 1826 an ließ man die meist nur schwach besuchte Sitzung im Mai ausfallen; die im August war schon lange durch das Irrhainfest ersetzt worden.” Beleg hierfür ist das Protokoll vom 14. November 1825, in dem es heißt: „[…] Daß ausser der gewöhnlichermassen im Julius oder Augustmonat zu veranstaltenden allgemeinen Versammlung im Irrhain, während der Wintermonate nur zwey Ordens-Sitzungen und zwar, wie bisher, zu Anfang des Novembers und des Februars gehalten werden sollen, wobey es jedoch dem Praesidio unbenommen bleibe, bey wichtigen Vorfällen oder ausserordentlichen Veranlassungen, auch ausser den obbenannten Tagen OrdensVersammlungen auszuschreiben und die Mitglieder hiezu einzuladen.”
Eigentlich hätte man weitere Kreise mit einer neuartigen Ankündigung der Sitzungen erreichen können. Vom 5. November 1823 an rückten die Pegnesen ihre Versammlungstermine in das Blatt„ Der Korrespondent von und für Deutschland” ein, nach dem Muster: „Daß die vierteljährliche Versammlung des pegnesischen Blumenordens künftigen […]tag den[…] in dem gewöhnlichen Lokale gehalten wird, macht den Mitgliedern dieses litterarischen Vereins hiemit bekannt — Nürnberg, den […] der Präses, Seidel.”
Rundschreiben gingen dennoch weiter herum, auf denen sich die Mitglieder zu ihrem Kommen äußerten. Ab 1824 erschienen die Hinweise dazwischen auch im „Friedens und Kriegs Kurier” der Felsecker'schen Buchhandlung. Daß die Sitzungen weiterhin nicht öffentlich blieben, erweist die Einschränkung auf die Mitglieder und die indirekte Nennung des Versammlungslokals.
Ein Grund für das Absagen der Mai-Sitzung war, daß immer weniger Teilnehmer erschienen waren. Dafür gibt der Briefwechsel mit zwei neuen Mitgliedern ein Beispiel ab. Ein Briefkonzept des Ordensschriftführers Heiden ist erhalten. in dem er dem Theologieprofessor von Ammon Mitteilung von dessen Aufnahme in den Orden macht: „Ich benütze diese Gelegenheit, Euer p. ergebenst zu melden, daß die alle Vierteljahr gewöhnliche Versammlung unseres Ordens künftigen Montag den 10ten May gehalten werden wird, und Hochdieselben hierzu einzuladen, zugleich aber zu ersuchen, den Herrn Hofrath Bucher hirvon geneigtest in Kenntniß zu setzen. Der Versammlungs-Ort ist das Gasthaus zum Schwan bey dem weißen Thurm und der Anfang der Sitzung um 6. Uhr Nachmittags, nach deren Endigung der größte Theil der Anwesenden eine frugale Abendmahlzeit einnehmen wird. […]”
An derselben Stelle im Archiv findet sich das sehr schöne Antwortschreiben, offenbar von einem professionellen Schreiber ausgefertigt, unterzeichnet von Friedrich Wilhelm Philipp von Ammon und Hofrat Prof. Dr. jur. Karl Franz Ferdinand Bucher, der ebenfalls aufgenommen worden war. Gerichtet ist es an „Sr. Wohlgeboren Herrn Archivsecretair Heiden, Secretair des Pegnesischen Blumenordens, in Nürnberg. Frei mit 2 Ducaten. Gegen Postschein”. Man zahlte also den Aufnahmebeitrag und entschuldigte sich gleich für Fernbleiben von der Maisitzung, weil man den Vorlesungsbetrieb nicht unterbrechen durfte. Von Erlangen nach Nürnberg und zurück zu reisen, bedeutete den Verlust eines ganzen Tages. Nun waren aber etliche der Mitglieder, deren Beiträge etwas Außerliterarisches versprochen hätten, Auswärtige.
Da haben wir zum Beispiel schon vom 8. Juli 1824 den Brief eines Physik- und Chemieprofessors namens Dr. Johann Baptist Herrmann: „[…] Ganz besonders haben bey meinen Untersuchungen die chemischen Bestandtheile des Hopfens und ihr wesentlicher Einfluß auf die Gesundheit des Menschen in dem Biere mein Intereße erweckt.” Er wohnte ironischerweise in München, Weinstraße No. 1632. Nähere Aufschlüsse zu diesem Thema werden die Pegnesen in keiner ihrer Sitzungen erhalten haben.
Daß der berühmte Botanikprofessor Wilhelm Daniel Joseph Koch, nach dem eine Hauptverkehrsstraße in Erlangen benannt ist, von dort je nach Nürnberg gekommen wäre, ist auch nicht zu belegen. Anläßlich seiner Aufnahme verhielt er sich wie ein Kollegiat, der etwas ganz anderes studiert, als was er an Leistungskursen belegt hat, oder wie Scharrer, der auch vom Blumenorden etwas ganz anderes in seiner Freizeit erwartete als was er von Berufs wegen kannte und wußte: „[…]Meine literarischen Beschäftigungen haben Naturforschung überhaupt und Naturgeschichte insbesondere zum Gegenstande, aber auch das Weltgeschichtliche des früheren und des neueren Thuns und Treibens ist mir nicht fremd. Ich wollte deswegen Euer Hochwohlgeboren ergebenst bitten, mich in die Klaße der Geschichtskunde eintragen zu wollen. […]” Seine wahren Verdienste lagen allerdings nicht in dem, was er allenfalls dem Blumenorden anzubieten gedachte. Sie mögen aus einem Nachruf sprechen, der auch einige menschliche Eigenheiten würdigt:
„[…] An der äußersten Grenze der Rheinpfalz nach Frankreich hin, in Kusel war der ächt deutsche Mann geboren,[…] am 5. März 1771, als Sohn des dortigen Rentamtmannes. [Er studierte in Jena und Gießen.] Die Stadt Kusel wurde in dem Revolutionskrieg, mit welchem das vorige Jahrhundert abschloß, durch ein ungerechtes Strafurtheil der französischen Machthaber ein Raub der Flammen [Darin verlor er alles; begann als Gerichtsarzt in Trarbach an der Mosel, dann Kantonsarzt von Kaiserslautern, mitten in einer Typhusepidemie. Trieb weiter Naturstudien.] Da ward ihm, dem schon berühmten Naturforscher, seit er schon im Jahre 1823 die reife Frucht seiner Naturstudien, den ersten Band seiner Flora Germanica, der Welt vorgelegt hatte, fast gleichzeitig der Katheder für Botanik in Heidelberg und in Erlangen angeboten. [Er entschloß sich für Erlangen, um im gleichen Land zu leben wie seine vier Brüder.] Jede Berufsart hat ihre eigenthümlichen Formen, in denen sie geübt wird; im Lehrfach gibt es einen besonderen Kathederton von anerkannter Würde und Wirksamkeit, in welchem der Lehrer sich als Lehrer fühlt und als solcher dem Zuhörer gegenübersteht. Wenn dieser Ton die unerläßliche Bedingung eines wirksamen Universitätsvortrags ist, ja, dann war Koch kein guter Lehrer. Aber dem ist Gottlob nicht also. Mag es unentschieden bleiben, ob Kochs schlichte Gewöhnung selbstbewußt diese Form des Vortrags verschmähte, oder ob seiner schlichten Natur die Fähigkeit dazu versagt war, genug, er hat eine Art vertraulichen und väterlichen Verkehrs an ihre Stelle gesetzt, bei welcher warlich niemand verloren hat, weder die Lernenden an Gründlichkeit der Einsicht, noch er selbst an Würde und Ansehn. Er bestieg auch in der Wirklichkeit keinen Katheder, er zog es vor, an einem Tisch mit seinen Zuhörern zu sitzen, und machte durch diese Kunst der Gleichstellung jene botanischen Wanderungen, die er als hoher Siebziger an der Spitze seiner Schüler noch fortsetzte, zu einem unvergeßlichen Genuß für jeden der daran Theil nahm. […]” Sein Ende war traurig: Er brach sich durch einen Sturz im Zimmer den Oberschenkelhals, blieb dann ans Krankenlager gefesselt, lehrte dennoch weiter; starb nach langem Todeskampf.
Es ist nicht an dem, daß sich die einheimischen Mitglieder vor solchen auswärtigen Koryphäen zu verstecken gehabt hätten. Was der Orden an ihnen hatte, offenbart sich besser als aus Protokollen leider erst im Nachruf. Lesen wir zwei Abschnitte des „Denkmals”, das Kress auf den Ordensrat Lorsch nach dessen Ableben 1830 schrieb: „Wer sich noch erinnert, wie schwer es war, in jener bewegten Zeit, in welcher der Verewigte in das Collegium der Genannten des größern Raths eintrat, das damals eine Opposition gegen die Regierung bildete, das Vertrauen beider Partheien zu erwerben, und wie es nur dem gemäßigten, verständigen und streng rechtlichen Manne gelingen konnte, hier eine ruhmvolle Rolle zu spielen, und dort Zutrauen und Achtung Sich zu sichern, — nur der kann ermessen, wie sehr Ihm die Gunst der Opposition, und Seine Ernennung zum Raths-Consulenten zur gleichen Ehre gereicht […] Das Studium der neuen Gesetze und Verordnungen [nach der bayerischen Neuordnung] war Ihm, dem wissenschaftlich gebildeten, von einem vortreflichen Gedächtnisse unterstützten Manne, so leicht geworden, daß Sein Vertrautseyn damit den Unbekannten leicht auf den Gedanken bringen konnte: Er habe bei der Gesetzgebung selbst mitgewirkt.” — „Vollkommen mächtig der lateinischen, französischen und deutschen Sprache, auch der griechischen und italiänischen kundig, vertraut mit den alten Classikern, wie mit den besten Schriftstellern, besonders den Dichtern älterer, mittlerer und neuester Zeit, ihren Geist erfassend, und Sich selbst ihn aneignend, was mußte bei solchem Genie, bei solchem bewundernswürdigem Gedächtnisse, das Ihm verstattete, sehr oft, vor Jahren schon gelesene Gedichte, ohne Anstoß vorzutragen, was mußte bei solcher Liebe zu den Wissenschaften, bei solchem Fleiße, aus dem Manne werden?” — Ein Muster fränkischer Kompetenz ohne Glanz und Gloria, ein mit 59 Jahren überarbeitet verstorbener und bald vergessener Diener des Gemeinwesens und des Ordens.
Ein dutzend Jahre nach Müllers Tod war der Überblick über den Mitgliederbestand schon wieder verlorengegangen. Seidel wandte sich an den unverwüstlich tüchtigen Kiefhaber. Mit Brief vom 9. Juni 1835 schickte er ihm neun Exemplare des von ihm verfaßten Nachrufs auf den im August des vorigen Jahres verstorbenen Colmar und bat um Verteilung an:
1.) Herrn Dr. Karl Beiling, Vorsteher eines männlichen Erziehungs-Instituts.
2.) Herrn Dr. Kaiser, Oberkonsistorialrath.
3.) Herrn Dr. Niethammer, Oberkonsistorialrath.
4.) Herrn Dr. von Roth, OberkonsistorialPräsidenten
5.) Herrn Dr. Ludwig Wihl, [1831 aufgenommen, frühestes Beispiel eines Juden als Mitglied des Blumenordens] Verfasser des Gedichts Jadschnadatta aus dem Sanskrit, einen israelitischen Gelehrten. […]
Dazu übersandte er ihm das Verzeichnis des Ordensmitglieder mit dem Ersuchen festzustellen, welche von den auswärtigen Mitgliedern noch lebten und in welcher Position und welche wann verstorben waren. Die bereinigte Liste solle dann wieder gedruckt werden.
Kiefhaber antwortete:
„Hochwürdiger und Hochwohlgeborener Herr, Hochverehrtester Freund,
Daß ich Euer Hochwürden höchst schätzbares Schreiben vom 9. erhalten am 14. Jun. d. J. erst jetzt zu beantworten mich beehren kann; daran liegt hauptsächlich als Schuld, daß ich das mir geschenkte Vertrauen der Rectifizirung des Verzeichnisses der jetztlebenden Mitglieder des Nürnb. Pegnes. Blumenordens i. J. 1835 umfaßend zu erfüllen mir angelegen seyn laßen wollte. Allein so sehr ich mich darum bemühte es vollständig herzustellen; so vermochte ich es selbst in der langen Zeit nicht. Ich mußte einige Mitglieder noch in Zweifel gestellt laßen […]
Dagegen möchte ich bitten unsere gediegenen Sprachforscher der altdeutschen Sprache und Dichtkunst die Herren: Hans Ferdinand Maßmann, Dr. Philos. Ord. Prof. Der älteren deutschen Sprache und Literatur an der k. b. Ludw. Max. Univ. u. Mitglied mehrerer gelehrter Gesellschaften und Johann Andreas Schmeller, Dr. philos. Custos der k. Hof- und Staats-Bibliothek, Mitglied der kön. Akademie der Wissenschaften und Professor der k. b. Ludw. Max. Univ. zu auswärtigen Mitgliedern aufzunehmen. […] Dasselbe wäre der Fall mit dem Herrn Dr. und Prof. theol. protest. Rheinwald in Bonn der v. April bis Sept. bey uns hier war […] und mir manche lehrreiche Unterhaltung gewährte. […] Auch Herr Prof. Rückert in Erlangen sollte als altdeutscher Dichter, hinsichtlich seiner Lieder und Sprüche der Minnesänger; so wie Simrock und Wackernagel unserem Blumenorden angehören. Durch die Beyhohlung dieser Männer würde unser Orden auch im Ausland wieder geehrt werden und dies selbst des Königs Majestät Beyfall erhalten. Auch dem Herrn Präsidenten Frhr. Ferdinand von Schenk sollte ein Ehrendiplom zugefertigt; sowie des Kön. Maj. um das Protektorat ersucht werden, hinsichtlich seiner Dichtung An Nürnberg. […]
Euer Hochwürden ganz gehorsamster und ergebenster Diener und Freund
Karl Kiefhaber
München den 7. Nov. 1835”
Außer Rückert, der aber erst 1859 aufgenommen wurde, ist keiner in der Stammliste vertreten. Eine weitere Gelegenheit zu erfolgreicher Öffentlichkeitsarbeit vertan.
Ja, der Blumenorden wirkte meist nicht als solcher, sondern seine Mitglieder wirkten für sich und mehrten so indirekt den Ruhm des Ordens. Kiefhaber selbst ist ein sehr gutes Beispiel, wie aus zwei Würdigungen hervorgeht, nämlich dem Nachruf, den Stadtpfarrer Boeckh bei seiner Beerdigung in München hielt, und der Biographie, die noch zu seinen Lebzeiten in „Das gelehrte München” erschien.
Adolph von Schaden erwähnt u.a.: „Seine Eltern waren: Joh. Konrad Kiefhaber, Gegenschreiber der zur Zeit der Reformation secularisirten Reichsstadt Nürnbergischen Klosterämter St. Clara und Pillenreuth und Susanna Barbara, auch von Geburt eine Kiefhaber. [… Er ging zumStudieren nach] Altdorf, wo er bis zum 22. September 1783 mit erwünschtem Erfolg dem Rechtsstudium oblag, und zugleich dem Studium der Literatur, Geschichte und Diplomatik mit vieler Liebe anhing; für deren Unterricht er dem verstorbenen Professor Will; wie dem in München [korr.: Nürnberg] noch lebenden Gelehrten, Herrn geheimen Hofrath und Ritter von Siebenkees, nie Dank verbunden genug sein kann, indem er in beiden zwei lehrreiche und freundschaftliche Correspondenten verehrt, von welchem er vom erstern bis zu dessen Tode 775 Briefe erhielt, und vom Letztern bis jetzt nahe an 3000 Briefe sich erfreut.[…] 1803 […war er befaßt mit der] Einrichtung der waldamtlichen Registratur und […übernahm] die provisorische Versehung der vogteylichen Gerichtsbarkeit der beiden Waldämter […] In der Eigenschaft eines waldamtlichen Lehensekretärs ging er dann bey [Schreibung schwankt!] der am 15. September 1806 erfolgten Uebergabe der freyen Reichstadt Nürnberg an die königliche Krone Bayerns über […Das kann einer der Gründe sein, weshalb der Irrhain nicht von der bayerischen Forstbehörde sang- und klanglos eingezogen wurde! …] ward er im Jahre 1792 mit einer ausgesuchten Anzahl seiner Mitbürger Mitstifter, der ebenfalls heute noch daselbst bestehenden ,Gesellschaft zur Beförderung vaterländischer Industrie', bei welcher nach und nach er die Lektors und Sekretärsstelle, und 4 Jahre lang die Direktorsstelle bekleidete, auch verschiedenen Comitéen vorstand. Im Jahre 1805 ward er von der churfürstlichen sächsischen Leipziger ökonomischen Gesellschaft zum ausländischen Ehrenmitglied öffentlich erwählt und aufgenommen.” — Boeckh ergänzt, er sei „[…] im Jahre 1812 als erster Adjunct des allgemeinen Reichsarchivs nach München berufen [worden]. Hier lag er seinem Berufe mit der ihm eigenen Pünktlichkeit und Treue ob, fand die ungetheilte Achtung seiner Vorgesetzten, erfreute sich der Gnade seines Königs, der zum wirklichen Rath ihn beförderte, und erhielt im Jahre 1829, wegen seines vorgerückten Alters die ehrenvollste Quiescenz, mit der ihm sehr erwünschten Bewilligung zu historischen und diplomatischen Vorlesungen an der hiesigen Universität.” — Weiter berichtet von Schaden: „Am 18. Oktober 1822 ertheilte ihm die Philosophische Fakultät in Erlangen […] doctoris Philos. et Art. Lit. Magistri gradum, ius et privilegia […] In demselben Jahre erhielt er auch die Aufnahme in die Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde zur Beförderung einer Gesammtausgabe der Quellen-Schriften deutscher Geschichte des Mittelalters zu Frankfurt am Main. Mittels Diploms ddto. Wiesbaden, den 1. April 1828 ward er von dem herzoglich Nassauischen Verein für Nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung zum Ehrenmitglied desselben ernannt.” — Das im „Gelehrten München” aufgelistete Schriftenverzeichnis ist unglaublich lang; hier sollen nur die Titel erwähnt werden, die mit den Bestrebungen des Blumenordens in Zusammenhang zu bringen sind: „[…] Der Beylagen der Materialien zur Nürnberger-Geschichte erste Sammlung Nro. I. bis XII. 1793. 8. zweite Sammlung (XIII. - XXIV). 1794. 8. […] Monatliche historisch-literarisch-artistische Anzeigen zur ältern und neuern Geschichte Nürnbergs, sechs Jahrgänge vom Jahre 1797 - 1802. 8. […] Rede von dem Nutzenund der zweckmäßigen Einrichtung einer öffentlichen Bibliothek für diebesondere Landesgeschichte; gehalten bei Eröffnung der Willisch-NorischenBibliothek. Nürnb., 1800. 8. […] Nachrichten zur ältern und neuern Geschichte der freyen Reichsstadt Nürnberg. Ein Beytrag zur Geschichte der Reichsstädte in Teutschland, 3 Bände. Nürnberg im Lechner'schen Verlag, 1803 bis 1807. 8. […] Geist des Lehrplans für die Volksschule in Bayern zum gemeinnützigen Gebrauch für Volksschullehrer und Aufsichtsbehörden etc. Nürnberg, bei Schmidmer, 1812.8. […] Turnierbuch Herzogs Wilhelm IV. von Baiern von 1510-45. Nach einem gleichzeitigen Manuscript der königl. Bibliothek zu München treu im Steindruck nachgebildet von Theobald Clemens Senefelder mit Erklärung begleitet von Fr. von Schlichtegroll. 1-5 Heft. München bei Thienemann — nun Finsterlin 1818-1824. […] In den Siebenkeesischen Materialien zur Nürnberger Geschichte rühren mehrere Aufsätze von ihm her. Das Register über die sechs Bände des Journals von und für Franken verfertigte er gleichfalls. Ebenso hat er zu den vier Supplementbänden des Willischen Nürnbergischen gelehrten Lexicons. Zur Rothischen Geschichte der Reichsstadt Nürnberg. Handelsgeschichte. […] Beiträge geliefert. […] In den Erlanger, Hallischen, Leipziger, Münchner, Oberdeutschen und Würzburger Literatur-Zeitungen stehen theils Recensionen, theils kleine Notizen, Anfragen, Beantwortungen und Berichtigungen von ihm. […] desgleichen im Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters etc. von Hrn. Frhrn. v. Aufsees [sic]. 4. München, 1832 und 1833. und in den Bayerischen Annalen.” — Pfarrer Boeckh schließt: „Seine Erholung, die eigentliche Freude seines Alters fand er, selber kinderlos, der ersten und zweiten Gattin durch den Tod beraubt, in der Familie seiner Nichte, die er liebte wie sein eigenes Kind, in deren würdigem Gatten ein Sohn und Freund ihm an die Seite getreten war. […] sie haben, da er vergangenen Montag den 6. März Abends 9 1/2 Uhr in Folge schnell erfolgter Lungenlähmung sanft und schmerzlos verschied, die Augen ihm geschlossen. […]”
Mit der Zeit müssen die Abläufe der geregelten Ordenssitzungen als zu formalistisch empfunden worden sein. Freilich klingen die Niederschriften sehr steif und verstaubt, doch keineswegs in höherem Maße als die zeitübliche Behördenprosa, und es lag gewiß mehr an den jeweils teilnehmenden Mitgliedern, ob der Schwung der früheren Jahre unter diesen Umständen weiterwirkte, als an der jeweiligen Tagesordnung und ihrer Abarbeitung. So ist es eher ein vorgeschütztes biedermeierliches Gemütlichkeitsbedürfnis, das zur Begründung neuer, nicht satzungsgemäßer Einrichtungen im Orden herhalten muß; in Wirklichkeit wird der zu hohe Anspruch der Satzung von 1820, wie Wilhelm Schmidt argwöhnte, den Grund abgegeben haben.
Die Satzung von 1820 erscheint immer unpassender
Am 17. Januar 1827 schickt Seidel ein Rundschreiben herum, des Inhalts, er wolle schon längst eine „vertrauliche Redegesellschaft" errichten, wo man von ästhetischer und historischer Literatur „ohne die feierlichere Form einer literarischen Gesellschaft", „bey einer Pfeife Tabak" seine Ansicht und Meinung ausspräche. Die Teilnehmer sollten nicht zu zahlreich sein, es solle„ gemüthlich" zugehen, eine Probe habe man schon mit einer Zusammenkunft am Mittwoch abends von 5 bis 8 Uhr gemacht; es solle auf „nichts Kostspieliges" hinauslaufen. (Dies erscheint seltsamerweise als ein ziemlich genaues Echo des Salon-Projekts aus den 1670er Jahren.) Gemeldet haben sich durch Unterschrift und Bemerkungen auf dem Rundschreiben 14 Personen, darunter: Heiden, Winterling, Lorsch, v. Harsdorf, Wilder, Michahelles sen. und jun., Veillodter, Dietelmair, Osterhausen, Harless, v. Kress. Damit ist der Anfang zu einer Gruppe der Literaturfreunde im engeren Sinne innerhalb des Ordens gemacht.
Jemand muß die Mai-Sitzung doch vermißt und den Vorschlag gemacht haben, daß sie für Interessierte im Sinne jener Gruppe dennoch wieder eingerichtet werden solle. Darauf reagiert Seidel mit einem Rundschreiben vom 5. Mai 1830, in dem er Heiden in seinem Namen einzuladen läßt, „sich künftigen Montag den 10ten Mai bei einer in dem gewöhnlichen Lokal zu haltenden Sitzung einzufinden, mit der Bemerkung, daß es bei derselben durch die rühmliche Thätigkeit verschiedener sehr schätzbarer Mitglieder an genugsamem Stoff zu Vorlesungen und zur Unterhaltung nicht fehlen werde. Zugleich werden diejenigen Mitglieder, welche bei dem Abendessen zu bleiben gedenken, ersucht, solches bei ihrer Unterschrift zu bemerken. —. Der Praeses Seidel mit der Bemerkung, daß diese Zusammenkunft nicht officiell ist und in ihr keine Beschlüße gefaßt werden. […]”
Das Echo war schon stärker, und zum Erweis, daß der Orden zu damaliger Zeit auch nicht gerade geschlafen habe, möge die ausführliche Wiedergabe der rücklaufenden Vermerke und des Verlaufs der Veranstaltung selbst dienen.
„Wilder wünscht diese Versammlung, wird bei derselben erscheinen und beim Essen bleiben.
D. Siebenkees will diese Versammlung besuchen, wenn er die Stunde erfährt.
Michahelles senior u. junior werden beide erscheinen u. auch beim Essen bleiben.
Scharrer gelesen u. wird womöglich erscheinen.
Brn. Haller gelesen, — wird wenn möglich, sich einfinden.
Merkel.
v. Forster. [aufgenommen 1818]
V. Kreß, kann nicht bestimmt zusagen, wird jedoch wenn er am 10ten in Nürnberg ist, sich einfinden.
Dr. Holzschuher unbestimmt.
Fürer ungewiß
v. Koenigsthal kan noch nicht bestimmt zusagen.
v. Schwarz
Schnerr wird erscheinen.
Kraemer.
Colmar wird kommen und bleiben.
Harleß
Neuhof
Junge, kann aber nicht bestimmt zusagen
Dietelmair kommt zuverläßig und bleibt.
Dr. Eichhorn jun. Gelesen
Mainberger noch unbestimmt.
GEGH Seiler kommt und bleibt.
Faber wird wahrscheinlich kommen.
Büchner noch ungewiß
Nopitsch verhindert.
Schwarz noch unbestimmt.
Desgl. Dochtermann
v. Haller unbestimmt.
v. Haller desgl.
v. Harsdorf auch desgl.
Müller, ungewiß
v. Harsdorf ' ' .
v. Fechenbach ungewiß
Soden wenn möglich
Lösch wird wenn möglich erscheinen, aber nicht beim Essen bleiben
v. Neu, wird erscheinen u. bleiben
Dr. Osterhausen ist verhindert
Link unbestimmt
Dr. Lindner
Zimment
Osterhausen Pfr. Kann leider nicht erscheinen. [Späterer Zusatz:] Ist aber doch erschienen.
Meisner. [Späterer Zusatz:] Ist gekommen.
Gegenwärtig waren:
Herr Dekan Dr. Seidel. Präses des Blumenordens.
Herr Stadtpfarrer Wilder. Consulent des Blumenordens.
Herr Kreis- u. Stadtger.-Rath Dr. Colmar.
Herr Pfarrer Dietelmair.
Herr Baron von Fechenbach.
Herr Baron C.J.W.C.J. von Haller
Herr Handelsger. Assessor Harless.
Herr Pfarrer Lösch.
Herr Sensal Meisner.
Herr Pfarrer Michahelles sen.
Herr Stadtpfarrer Michahelles jun.
Herr Rath von Neu.
Herr Stadtpfarrer Osterhausen.
Herr Magistratsrath Schnerr.
Herr Pfarrer Seiler.
Herr geheimer Hofrath Siebenkees.
und ich
der Ordens Sekretär Heiden.
Geschehen Nürnberg im Gasthause zum weissen Schwan.
Montags den 10. May 1830.
Bei der heute veranstalteten ausserordentlichen Zusammenkunft des Pegnesischen Blumenordens, bei welcher nebenbenannte Mitglieder erschienen sind, wurden folgende Gegenstände vorgetragen:
I.) Herr Stadtpfarrer Wilder las vor:
1) Der Graf von Ottenstein, eine Romanze,
2) Erinnerung an Heinrich Frauenlob, den Dichter.
3) Der Hahn auf St. Lorenz Kirchhof [dies war zuerst fälschlicherweise Dietelmair zugeordnet; bei der Streichung wurde die abweichende Beschreibung getilgt: „der Hahn auf St. Lorenzkirche, ein Märchen„]
II) Herr Pfarrer Dietelmair las vor:
Der verkleidete Monarch
III) Herr Pfarrer Michahelles der ältere:
Isaaks Vermählung, eine Idylle
IV) Herr Pfarrer Seiler, einige Gedichte erotischen [kann kein Lesefehler sein!] und einige andere religiösen Inhalts.
V) Herr Assessor Harles:
Der 18te Oktober, ein Kriegslied.
Womit die heutige Zusammenkunft beendiget wurde.
Heiden.”
Worin allerdings der Fortschritt in den vorgelesenen Beiträgen gegenüber denen der Jahre um 1800 bestehen solle, ist nicht auszumachen, jedenfalls nicht anhand der Titel.
Immerhin stand der Orden in finanzieller Hinsicht bald wieder so gut da, daß ein erneuter Anlauf zur Halbierung des Jahresbeitrags zum Satz von 1817 diesmal Erfolg hatte. Am 13. Februar 1832 machte Heiden geltend, daß „nun aber […] das baare und angelegte Vermögen der Ordens-Kasse, welches im Jahr 1818. in 665 fl. bestanden, sich bis zum Jahre 1830. bis auf 1300 fl.vermehrt hat, der Zweck des Blumenordens aber keineswegs ist, Kapitalien zu sammeln, […] überdies auch die Erfahrung gelehret hat, daß die auf Verschönerung des Irrhains bestrittenen nicht unbedeutenden Kosten großen Theils nur zur Ergötzung des in den Sommer-Monaten den Irrhain besuchenden Publikums, welches sich durch Schonung desselben nicht immer dafür dankbar erzeigte, und zum Vortheil einer in der Nachbarschaft sich aufhaltenden Rotte von boshaften und diebischen Menschen, aufgewendet worden seyen […]” — Ein weiterer Punkt der Tagesordnung zeigt, daß die Beschäftigung mit anderen als belletristischen Themen noch nicht gänzlich abgekommen war: Man befaßte sich mit zwei Schriften, von denen die eine wieder einmal Armenkolonien betraf, die andere einen „2.) Grundriß der deutschen Rechtschreibung von J. G. Frieß. Kempten 1830. 8°” darstellte.
Ein zu seiner Zeit prominentes Mitglied, der in Erlangen als Professor der Poetik tätige Dichter Christian Martin Winterling, entschuldigte sich Jahr um Jahr brieflich, nicht zu den Versammlungen erscheinen zu können. 1835 nahm man das sogar zum Anlaß, in der Novembersitzung zu erwägen, ob nicht diese regelmäßig auf einen früheren Termin verschoben werden könne, um den Erlangern den Besuch zu ermöglichen. „Dieser Vorschlag wurde allgemein genehmigt und beschlossen […]”
Es half auch das nicht, jedenfalls nicht gegen das Wüten der Elemente: „[…] werden Sie mir es glauben,” schreibt Winterling am 8. November 1836 „wenn ich Ihnen sage, daß ich gestern Nachmittag, als am 7ten dieses, wirklich schon auf dem Wege nach Nürnberg war, um der Ordensversammlung, wozu mich Ihre Güte einlud, beizuwohnen? Das Wetter war den ganzen Vormittag so schön gewesen und versprach auch den Nachmittag so fortzudauern; ich machte mich daher, leider ohne einen Regenschirm, zu Fuß auf den Weg, da eine solche Motion bei häufigen Beschwerden im Unterleib etwas sehr Ersprießliches für mich ist. Schon im Dennenloher Wald überfiel mich jedoch ein plötzlicher Regenschauer; mit Schneegestöber untermischt, den ich noch immer geduldig genug über mich ergehen ließ. Bald darauf zeigte auch wirklich Phöbus sein holdes Angesicht wieder und ich setzte meinen Weg bis einige Büchsenschüsse über Dennenlohe hinaus getrost fort. Hier aber drohte Jupiter Pluvius so schwarz mit einem neuen Guß, daß ich, um mich vor seiner sanft einweichenden Gewalt zu retten, nach dem Dorf zurücklief und dort den Sturm und Regenguß, der auch gleich darauf erfolgte und wohl über eine Stunde anhielt, abwartete. Endlich gegen 4 Uhr wurde es wieder hell; aber war auch diesem aprilmäßigen Wetter zu trauen? Die Füße waren ohnedies durchnäßt, und ich mußte mich daher, so sehr dieß auch meinem Wunsch widerstrebte, zur Rückkehr nach Erlangen entschließen. […] In kurzem werden nämlich von mir bei Fr. Lange in Nürnberg „poetische Mittheilungen in vier Bänden„ erscheinen […] und alsdann so bald als möglich einer Ihrer wöchentlichen Sitzungen beizuwohnen suchen, um über mein Werkchen Ihre Critik zu vernehmen, die, wenn sie auch noch so streng ausfallen sollte, doch in jedem Fall nur gerecht sein wird. […darin steht …] sowie auch ein Neujahrsprolog, der einmal auf der Nürnberger Schaubühne gesprochen werde […]” — Es ist schon bemerkenswert, daß ein Professor die 25 Kilometer von Erlangen nach Nürnberg als Fußreise unternehmen will, um sich wegen der unangenehmen Folgen seiner sitzenden Lebensweise etwas Bewegung zu machen. Und dann wäre am folgenden Tag ein ebensolanger Rückweg fällig gewesen.
Daß Winterling mit Einsendungen, Aufträgen zum Vorlesen seiner Texte, Bitten um Subskriptionen seiner Neuerscheinungen und Stellungnahme zu den halboffiziellen monatlichen Treffen wirklich teilzunehmen wünschte, zeigt eine ganze Reihe von Briefen, etwa der vom 21. Januar 1838: „Indem ich mir die Ehre gebe, denjenigen verehrten Mitgliedern des pegnesischen Blumenordens, welche bisher an den monatlichen Versammlungen in der Krone Theil genommen haben, das soeben erhaltene Billet des Herrn Sensals Meißner in der Anlage zur Kenntniß zu bringen, bemerke ich, daß ich mit dem darinn gemachten Vorschlag vollkommen einverstanden bin. […]” Diese Zusammenkünfte nehmen halboffiziellen Charakter an, insofern dazu vom Ordenssekretär durch Rundschreiben an einen festen Personenkreis eingeladen wird, und setzen sich fort bis mindestens zum 7. November 1843, von welchem die letzte derartige Einladung des neuen Ordenssekretärs Seiler erhalten ist.
Winterling war unter den Erlangern jener Zeit dasjenige Mitglied, von dem im Archiv die meisten Briefe vorhanden sind und von dem behauptet werden kann, daß er sich mit dem Orden am ausdauerndsten verband; ein gewisser selbstvermarktender Eigennutz lief mit. Dabei schien er von Hause aus nicht unvermögend gewesen zu sein, jedenfalls hatte er 1838 geerbt und war in diesen Angelegenheiten mehrmals abwesend, auch als die Nachricht vom Tode des Präses Seidel an ihn gelangte. Seine Frau öffnete das Paket mit gedruckten Nachrufen und verteilte sie an die anderen Erlanger Mitglieder. Er selbst schrieb davon am 1. 9. 1838 an Heiden und fügte auch an, er sei vom Ableben Wilders (des Pfarrers, nicht des Kunstmalers) erschüttert, „mit dem ich in so freundlicher Beziehung gestanden". Außerdem dankte er für die Zusendung der mittlerweile erstellten neuen Mitgliederliste.
Für seinen nächsten Brief verwendete er besonders dünnes, glattgestrichenes, aber haltbares Papier mit dem Wasserzeichen „ FWE LETMATHE MILL 1838". Ja, er war zu Geld gekommen.
„Verehrter Freund,
Sie haben mich immer so reich beschenkt; es wird nun an mir sein, dem verehrlichen Blumenorden, in dessen Andenken ich auch ferner zu leben wünsche, weil ich einst in seiner Mitte so glücklich war, ein kleines Gegenpräsent zu machen. Wollen Sie mich auch dadurch verbinden, so lassen Sie durch irgend eine Stimme, die sich damit befassen will, den beigehenden Prolog in der nächsten Versammlung verlauten […]” Das Geschenk war ein Text.
Nicht nur der Präses verstarb (6. 2. 1838) und ein Nachfolger mußte gewählt werden (Christoph Wilhelm Karl Kress von Kressenstein, 12. 3. 1838), auch weitere Personen dieser Generation starben oder zogen sich altersbedingt zurück. Es machte sich allmählich ein Mitgliederschwund bemerkbar. Bemerkbar vor allem auch angesichts der Leistungen einzelner Mitglieder, die nun schmerzlich vermißt wurden. Von etlichen, denen man kaum begegnete oder die irgendwo als Auswärtige im Sinne des Ordens wirkten, hätte man kaum so viel Gutes zu schreiben gewußt wie etwa von Christoph Carl von Harsdorf.
Umorientierung und Spaltung
Der neue Präses fand für ein altes Mitglied gute Worte, die allerdings nur zu deutlich machen, daß die Orientierung des Blumenordens im Sinne der abtretenden Herrschaften nicht mehr auf der Höhe der Zeit gewesen war:
„Hätte der sanfte theilnehmende Mann, der vielleicht zu sehr vermied, Jemand zu beleidigen, gewußt und geglaubt wie sehr seine Mitbürger ihn schätzten und achteten, wie sehr sein Biedersinn, seine Gerechtigkeitsliebe, seine strenge Redlichkeit, die verdiente Anerkennungfanden, — sein Lebens-Abend wäre ruhiger und heiterer gewesen.
Das Vertrauen zu seinen Talenten hatte sich ja ausgesprochen durch die Wahl zu den oben benannten Gemeinde-Verwaltungs-Stellen, zur General-Synode, zum Landrathe des vormaligen Rezat-Kreises. Es hatte sich nicht wiederholt geäussert, weil man sich überzeugen mußte, daß seine Kräfte nicht mehr gleichen Schritt zu halten vermochten mit seinem Willen.”
„[Der Blumenorden,] Dieser älteste literarische Verein Deutschlands, gegründet in Harsdorfs geliebter Vaterstadt, durch kräftige Mitwirkung seines hochgebildeten Ahnherrn, mußte, nach seiner bezeichneten Individualität, ihm schon darum höchst ehrwürdig erscheinen.
Ihm, dem Manne von hoher Geistes-Bildung, als begeisterter Redner [Fußnote: In der Loge Joseph zur Einigkeit], als glücklicher Dichter, nur seinen Vertrautern bekannt, war aber der Orden selbst lieb geworden, um so lieber, als dessen Wirken im Stillen, mit seinem eigenen harmonirte. […]
In den gewöhnlichen Versammlungen des Blumen-Ordens etwas vorzutragen, wurde er durch die ihm eigenthümliche Bescheidenheit und Schüchternheit abgehalten.
Das, durch wiederholte Aufforderungen, ihm abgedrungene Versprechen: den Mitgliedern diesen Genuß zu gewähren, wurde erst spät erfüllt, (im Jahre 1837) durch den Vortrag der Legende vom großen Christoph, und durch das liebliche Geschenk eines Rundgesangs, an die im Irrhaine versammelten Mitglieder.
Die weitere Erfüllung vereitelte Krankheit und Tod.
Sie war nahe, denn kurz vor seinem Krankenlager erfreute er den engern Kreis der Mitglieder durch die Vorlesung der gelungenen metrischen Uebersetzung des ersten Buchs von Vergils Aeneis.”
„Die Ordens-Versammlungen verließ er nie, ohne seine lebhafte Theilnahme dafür auszusprechen, und wenn er sie nicht regelmäßig besuchte, so war nicht Mangel an Beifall, sondern öfters seine Vorliebe für Musik und dramatische Kunst, der Abhaltungsgrund. Die erstere liebte er leidenschaftlich. Eine Mozartische Oper machte ihn leicht die Pflichten der Geselligkeit, die ihm doch hohes Bedürfnis war, vergessen, und im Kampfe der Dichtkunst mit der Tonkunst, siegte gewöhnlich die letztere. […]”
Nun konnte nicht mehr davon die Rede sein, daß der Blumenorden an keinen Leichenbegängnissen teilnehme. Kress schickte ein Rundschreiben mit folgender Einladung herum:
„Bei der Beerdigung des Herrn Senators v. Harsdorf […] ist die Anwesenheit einer Deputation des pegnesischen Blumenordens nothwendig.
Herr Ordens-Sekretair und ich sind verhindert und gedrungen, zwei der verehrten Mitglieder zu bitten, unsere Stelle zu vertreten und um halb 10 Uhr künftigen Freitag den 5 April im Trauerhause gefälligst sich einzufinden.
Für die Bestellung eines Wagens und Bedienten auf Kosten der Ordenskasse werde ich Sorge tragen.
Hochachtungsvoll
Nürnberg, den 3 April 1839
v. Kreß, Praeses.”
Nopitsch und Negges sagten zu, der Ordensrat Dietelmair war wegen seiner Tätigkeit im Hospital verhindert.
Ein halbes Jahr später war das Krisenbewußtsein so gestiegen, daß in der Sitzung vom 11. November 1839 gewichtige Vorschläge zu einem Neuanfang vorgetragen wurden.
„[…] II.) Wurde von Herrn Meißner ein von ihm verfaßter Aufsatz über die bisherigen Leistungen des pegnesischen Blumen-Ordens, über die seit einigen Jahren durch den Tod mehrerer hochgeachteter Männer erfolgte Abnahme der Zahl seiner Mitglieder und über die daraus hervorgehende Nothwendigkeit der Erwerbung jüngerer für den Orden geeigneter Mitglieder vorgelesen. Eben so las auch der erste Ordens-Consulent Herr Stadtpfarrer Michahelles einige dahin abzielende Vorschläge ab und Herr Buchhändler Merz theilte seine Gedanken über einen zu stiftenden literarischen Verein mit. Von Seite der anwesenden Ordens-Mitglieder [16 Personen] wurde für zweckmäßig gehalten, daß diese Angelegenheit von dem Vorstand und dem Ausschuß des Ordens in Überlegung genommen und das Resultat derselben seiner Zeit bei einer vierteljährigen Versammlung vorgetragen werden soll.”
Der Entwurf, welchen der 1.Ordensrat Paul Augustin Michahelles, der jüngere, zur Abhilfe vorlegte, war zwar systematisch durchdacht, hatte aber nichts besonders Umwälzendes an sich, sondern stellte eher eine Rückkehr zu bewährten Vorgehensweisen dar, die in Vergessenheit geraten waren:
„1. Es möchten die Mitglieder ersucht werden, in der nächsten Sitzung, iunge, aber doch nicht unreife, selbstständige, tüchtige neue Mitglieder des Ordens vorzuschlagen, an welche dann eine Einladung ergehen könnte, demselben beyzutreten, wenn sie den bisherigen Mitgliedern der Aufnahme würdig erschienen sind.
2. Es möchte an die auswärtigen Mitglieder eine Aufforderung ergehen, auf irgend eine Art ihre Thätigkeit für den Orden zu beurkunden.
3. Es möchten die Mitglieder aufzufordern seyn, Damen, die aesthetische Bildung und poetisches Talent besitzen, bey der iährlichen Versammlung im Irrhaine einzuladen und sie zu bitten, Proben ihres Talentes mitzubringen. Diese könnten, um die Zartheit der Damen nicht zu verletzen, von einem Ordensmitgliede vorgelesen und einstweilen die Nahmen der Verfasserinnen verschwiegen werden. Finden sich ausgezeichnete Producte darunter, so bleibt es dann dem Orden immer frey gestellt, die Verfasserinnen als ordentliche Mitglieder des Vereins zu erwählen.
4. Die Wiederherstellung der Sitte, daß iedes Mitglied einen eigenen Nahmen, seine Blume und Devise führe, scheint der Empfehlung werth.
5. In den neuesten Zeiten wurden zunächst nur poetische Versuche vorgelesen und mitgetheilt. Es wäre aber wünschenswerth, daß, besonders in Ermangelung iener, auch prosaische Aufsätze der Ordensmitglieder, welche für den Verein passen, mitgetheilt würden.
6. Das Ordensmitglied, Herr Mainberger, möge ersucht werden, neuere, dem Orden nicht bekannte, poetische Versuche und andere, dem Orden zusagende Producte, mitzutheilen, wie er es sonst gethan. Auch dieß könnte ein Weg werden, auswärts neue, thätige Mitglieder dem Vereine zu erwerben.
Michahelles.” — Aus dem Versäumnis, der Damenwelt in der ursprünglich im Orden vorgesehenen Weise eine Rolle im Orden einzuräumen, wie es Michahelles in bemerkenswert zartfühlender Weise auf den Weg zu bringen versuchte, ging wahrscheinlich die Bereitschaft zu der späteren Spaltung hervor, von der noch zu berichten sein wird. Daß jedoch der Versuch, die Ordensnamen und Embleme wieder einzuführen, in keiner seitherigen Satzung zum Tragen gekommen ist, verwundert weit weniger, hatte man doch diese Dinge erst eine Generation früher endgültig abgeschafft. Daß Michahelles der Mensch nicht war, den Blumenorden in eine neue Epoche zu führen, erhellt aus seinem Nachruf:
„Im Jahre 1815 trat er in den Orden, 1838 wurde er zweiter, 1839 erster Ordensrath. […] Als vor dreißig Jahren [aus Sicht des Verfassers dieses Nachrufs um 1823!] der Orden Zeichen langschlummernden Lebens gab, war er mit unter den Ersten, die sich versuchten. Poesie als Thätigkeit war ihm Bedürfnis. […]”
„Er gehörte zu den fruchtbarsten Ordensmitgliedern, blieb jedoch immer sich gleich, so daß eine Aenderung in der Stoffswahl, oder im sprachlichen Ausdrucke nicht zu bemerken war. Unbedenklich nennen wir seine sämmtlichen Werke mehr Entwürfe, als Ausführungen. […] Eine Tendenz leuchtet fast aus allen seinen Erzeugnissen: die moralisirende. Ihm war die Dichtkunst ein edles Mittel zu edlen Zwecken, nicht ein Primäres, was ums einer selbst willen da ist […]” — Dies hat er mit den meisten Autoren seiner Epoche gemeinsam, ob diese nun politische oder religiöse Anschauungen pflegten und unter die Leute bringen wollten, ob mit Jeremias Gotthelf oder mit Ferdinand Freiliggrath. Die Zeiten waren der autonomen Poesie eines Mörike nicht günstig. Auch die anscheinende Entwicklungslosigkeit bei hohem handwerklichem Standard und zahlenmäßiger Fruchtbarkeit erinnert, wenn auch mit der Einschränkung hinsichtlich der Qualität, die sich in den Worten „mehr Entwürfe als Ausführungen” verrät, an Rückert.
„Für den Beruf [des Geistlichen] war er, außer allgemeinen Gründen, auch darum begeistert, weil zwischen diesem und ihm reinste Uebereinstimmung gewesen […] Er hielt streng auf amtliche Rechte und Würde, und hatte schon in seinem Aeußern das Achtungeinflößende.”
Julius Wilhelm Merz dagegen, der Kunst- und Buchhändler, hatte mit seinem Vorschlag, einen literarischen Verein zu stiften, den zündenden Einfall zu einer fünfunddreißigjährigen Erfolgsgeschichte. Er war erst am 7. 5. 1838 in den Orden aufgenommen worden, und es hat nicht den Anschein, daß er es darauf angelegt hatte, diesen zu spalten. Allerdings war er auch nicht so behutsam, die Reste des 1827 ins Leben gerufenen halboffiziellen DichterKränzleins innerhalb des Ordens durch seine bloße Mitwirkung in Schwung halten zu wollen. Er wollte sozusagen eine Tochterfirma des Blumenordens errichten, innerhalb derer es den Ordensmitgliedern möglich sein sollte, mitzuwirken, aber die auch anderen eine Möglichkeit bieten sollte, sich mit der Art von Literatur zu befassen, die allmählich über den biedermeierlichen Rahmen hinausdrängte und die er als Buchhändler ja kannte und fördern wollte. Näheres über den Literarischen Verein, der daraus entstand, kann man dem Aufsatz entnehmen, den das Ordensmitglied Johannes Geiger in der Festschrift zum 350jährigen Bestehen des Blumenordens 1994 verfaßt hat. Daraus sei hier nur das Notwendigste zitiert.
„Die Erneuerer aus dem Blumenorden taten sich mit sangesfreudigen Mitgliedern des Singvereins zusammen und brachten schließlich die geforderten 60 Gründungsmitglieder auf. Ein Vereinsstatut in Anlehnung an das des Singvereins wurde dem Magistrat vorgelegt. […] vor allem sollten Vorkehrungen getroffen werden, daß bei den geplanten Theateraufführungen die seit langem mit Argwohn beobachteten Handwerksgesellen ja keine staatsfeindliche Agitation betreiben könnten. Merz wies jede Form der Zensur zurück und verwies darauf, daß man über alle Vereinsaktivitäten Protokolle vorlegen werde, vor allem sei die jeweils eingereichte Mitgliederliste sicher Beweis genug, daß man es nicht mit einem Haufen von Revoluzzern zu tun habe. Nach mehrmaligem Hin und Her und nach der genauen Erläuterung der Vereinsziele wurde die staatliche Genehmigung erteilt […] Am 23. Oktober 1840 wurde der Verein offiziell begründet, sein erstes Direktorium gewählt mit Julius Merz als 1. Vorstand, und die Satzung wurde angenommen. […] Spiritus Rektor und Motor über 25 Jahre war der Studien- und Gymnasiallehrer Johann Leonhard Hoflmann, geboren 1813 in Ansbach und 1841 nach Nürnberg an das Gymnasium als Lehrer für Hebräisch und Altphilologie berufen.” — „Die literarische Bildung der Mitglieder war der eigentliche Vereinszweck. Daneben sollte Weltkenntnis, das Leben anderer Völker und ihre Kulturen bewußt werden. […] Jeweils zu Beginn des Jahres mußte man beim Vorstand die Referate oder die Themen einreichen, der Sekretär — bis 1863 Hoffmann — wählte aus und machte das Programm der Vortragsabende. Diese waren grundsätzlich auf Freitagabend festgelegt. Daneben gab es ursprünglich nur 14tägig [gemeint ist: vierzehntäglich] einen Männerkreis, später allwöchentlich, der meistens am Sonntagnachmittag tagte und in dem die Aktivisten des Vereins sich über die Jahrzehnte die Köpfe heiß redeten. In den Hauptabenden waren die weiblichen Mitglieder erwünscht, etwa 30 im Mitgliederverzeichnis von 1862. Durch sie sollte literarische Bildung in das Familienleben eingebracht werden (zur Hebung der Conversation, wie es als Begründung im Antrag zur Genehmigung der Satzung hieß). Entsprechend dem damaligen Bürgerlichen Recht waren sie bei den Wahlen zum Vorstand ausgeschlossen, wahrscheinlich auch bei der Mitgliederballotage.” — „Alle Vorträge mußten für das Protokoll eingereicht werden und standen den Mitgliedern zur Einsichtnahme offen, vor allem auch der hohen Behörde in Ansbach, die ja über die satzungsgemäße Behandlung der Themen wachte. Die Qualität der Vorträge ermunterte die Verantwortlichen, diese drucken zu lassen. So entstand schon für die Jahre 1841/42 das erste Jahrbuch des Vereins Das Album des Literarischen Vereins in Nürnberg, das als Sammelband 1844 mit denen der Jahre 1843 und 44 erschien (bei Bauer und Raspe, d.h. Buchhandlung Merz, später Korn und Berg, 1844 ff.). […] Das Album wurde anfangs jedem Mitglied gesondert verrechnet, dann im Buchhandel aufgelegt und in Europa und Übersee an Bibliotheken versandt, vor allem hoffte man auf die Pressewirksamkeit zur Verbreitung der Ideen aus dem Verein. Schließlich erhöhte man 1856 den Vereinsbeitrag auf drei Gulden und lieferte das Album an die Mitglieder kostenlos aus. Die höchste Auflage überschritt aber kaum 800 Exemplare.” — „Als die Mitgliederzahl in den Anfangsjahren nur geringfügig zunahm, obwohl die Vorträge allseits große Anerkennung gefunden hatten, verlegte und ergänzte man die Vereinstätigkeit gar merklich durch literarisch-gesellige Vergnügungen. Zuerst wurde das Stiftungsfest am 23. Oktober in einen alljährlich stattfindenden Stiftungsball umgewandelt und entsprechend dem Vereinszweck literarisch-musikalisch ausgestaltet. Am Anfang ein kurzes Festspiel, oftmals allegorischen Inhalts, dann Gedichtsrezitationen und einstudierte Chöre (man konnte ja auf die Mitglieder des Singvereins zurückgreifen), eingerahmt vom Tanzvergnügen als dem Hauptereignis. Daß man die Sperrstunde nur auf 2 Uhr morgens ausdehnen konnte, wurde als Schikane aus Ansbach empfunden! Da der Ballbesuch an die Mitgliedschaft im Verein gebunden war, kam es vor, daß vor einem der Bälle bis zu 60 Neuaufnahmen in den Verein erfolgten. […] Die strengen Satzungsbestimmungen verboten bis zum Ende der Restaurationszeit die Teilnahme an politisch motivierten öffentlichen Auftritten. Aufsätze politischen Inhalts finden sich nirgends im Album bis 1850. Auf wessen Seite man stand, konnte man jedoch entnehmen, indem etwa 1846 das Album den Text des Deutschlandliedes von Fallersleben und Beckers Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein vorstellte. Im Album für 1849 findet sich eine Totenklage für den in Wien erschossenen Revolutionär Blum.”
Das heißt doch: Der Pegnesische Blumenorden schied die politisch und ästhetisch fortschrittlichen Tendenzen, die vomärzlichen Bestrebungen im eigentlichen, aktiven Sinn, aus sich aus, ohne sich von ihnen ganz abzutrennen. An den öffentlichen Erfolgen jenes zum Teil in Personalunion mit ihm verbundenen Wesens sieht man, was aus dem Orden zu jeder Zeit hätte werden können, wenn er einen rührigen Verleger und einige fleißige Personen mit gutem Auftreten in tonangebenden Kreisen gehabt oder an sich gezogen hätte, wenn er finanzielles, unternehmerisches Risiko nicht gescheut hätte, wenn er ganz verbürgerlicht wäre. Dann gäbe es ihn aber vermutlich heute nicht mehr.
Der in zweifachem Sinn zurückgebliebene Blumenorden wollte nicht in Unbeweglichkeit und Untätigkeit verharren. Nun ging man eine Überarbeitung der Satzung an.
Die Satzung von 1840
Am 4. Februar 1839 kam gleich als Punkt I) der Tagesordnung zur Sprache:
„I) Machte der Herr Präses [mittlerweile Kress!] den anwesenden Mitgliedern [12 Personen] bekannt: Vermög des in voriger Sitzung gefaßten Beschlußes soll über die Gesetze des pegnesischen Blumenordens eine genaue Prüfung und Revision vorgenommen werden. Zu diesem Ende seyen die Mitglieder des Ausschußes und des Vorstandes mittels Circulars aufgefordert worden, ihre Gedanken und Vorschläge zur Verbesserung der Gesetze schriftlich zu äussern, damit bei einer zu veranstaltenden Conferenz das Resultat dieser Begutachtung zusammengestellt und sodann den gesammten Ordens-Mitgliedern zur Beschlußfassung vorgelegt werden könne. Sogleich nach Beendigung dieser Vorarbeiten werde in dieser Angelegenheit das weiter Erforderliche verfügt werden."
Es war bloß schwer geworden, die Mitglieder dafür zu interessieren. In einem Brief des Ordenssekretärs Heiden an Präses Kress vom 17. Juli 1839 wird geklagt: „[…] Von 7. Mitgliedern, welche am Tage der Einladung und an den darauf folgenden entweder von hier abwesend oder krank waren, konnte solche [schriftliche Einladung] nicht unterzeichnet werden, wie mir Göswein referierte.
Aus der geringen Anzahl der erschienenen Personen, geht die mißtröstliche Erfahrung hervor, daß die in vorigen Zeiten so große und lobenswerthe Vorliebe und Anhänglichkeit für den Orden bei einem großen Theil seiner Glieder sehr erkaltet ist und daß zu fürchten stehet, es möchte der bereits gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts eingetretene Fall, daß unsere Gesellschaft bis auf wenige Mitglieder zusammengeschmolzen, in Kurzem abermals Statt finden und es dürfte die in 5. Jahren wiederkehrende zweite Säkularfeier nicht sehr glänzend ausfallen. […]” Natürlich! Ein Jubiläum hatte man auch noch auszurichten! Nun kam es darauf an, ob diese Aufgabe zu einem erneuten Zusammenstehen führen werde, oder ob man sich blamabel aus der Geschichte verabschieden werde müssen.
Wilhelm Schmidt faßt zusammen: „Unter Kreß wurden wieder vier ordentliche Versammlungen im Jahr gehalten […] Auch ging man an eine Neufassung der Satzungen. Dabei entdeckte man, daß seit 1821 kein Ausschuß mehr gewählt worden war. Offenbar war er auch seitdem nicht mehr zusammengetreten. Vom alten Ausschuß lebten nur mehr zwei Mitglieder, der ältere Bruder Michahelles und Dr. Osterhausen, der Bruder des Pfarrers und Mitbegründer der Naturhistorischen Gesellschaft. Zu ihnen wurden jetzt die fehlenden 3 Mitglieder gewählt und zwar Dr. von Holzschuher und die Pfarrer Dietlmair und Seiler.” An den von früher her wohlbekannten Namen ist unschwer zu sehen, daß der Blumenorden wieder einmal eine ziemlich familiäre Angelegenheit war.
Bei dieser Wahl wollte man nichts dem Zufall überlassen, wie viele Mitglieder anwesend sein würden, und ließ verlauten: „[…] Diejenigen verehrten Mitglieder, welche wieder Verhoffen, wegen unvorherzusehender und nicht zu beseitigender Verhinderungen, nicht persönlich erscheinen können; werden auf das Angelegenste ersucht, ihre Wahlstimmen zu bemeldetem Amt an den ergebenst unterzeichneten Ordens-Sekretär versiegelt einzusenden und zwar längstens bis zu Ende dieser Woche, und den Empfang dieses Circulars gefälligst zu bescheinigen. […]”
Die Sitzung vom 11. Mai 1840 wurde eine sehr entscheidende, d.h. es wurde über neue Mitglieder entschieden und der Satzungsentwurf grob durchgesehen, sozusagen in erster Lesung.
„wurde I) die Ballotage über folgende Personen vorgenommen:
1) über den durch den Herrn Präses vorgeschlagenen Herrn Doktor Gotthilf Heinrich von Schubert, Königl. Bayrischen Hofrath, ordentlichen Professor der Naturgeschichte, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Ritter des Verdienstordens der Bayrischen Krone und des griechischen Erlöser-Ordens, in München [wenn dieser Romantiker unter den Physikern, der auch einige Zeit in Erlangen gelehrt hatte, 1820 in die Klasse der „wissenschaftlichen Gegenstände überhaupt” aufgenommen worden wäre, wäre es eine echte Sensation gewesen];
2) über den gleichfalls durch den Herrn Präses vorgeschlagenen Herrn Christoph Wilhelm Friedrich von Scheurl, Kgl. Bayrischen OberPostamts-Official zu Nürnberg [ein Patrizier-Abkömmling und pensionierter Diener des neuen Staates; im Januar darauf verstarb er];
3) über den von dem Herrn Pfarrer Seiler und Herrn Sensal [vereidigter Makler für Waren- und Wechselgeschäfte] Meißner vorgeschlagenen Herrn Wilhelm Bernhard Mönnich, Rector der Kreis-Landwirtschafts- und Gewerbeschule zu Nürnberg [dieser Neuling wurde später mit der Abfassung der Festschrift für 1844 betraut];
4) […und über Eberhard Theodor Wagler, dem wir die hübsche Zeichnung der Irrhain-Heimfahrt verdanken.]
Durch allgemein bejahende Stimmen wurde Herr Hofrath Schubert als ausserordentliches, die drey anderen obenbenannten Herren aber als ordentliche Mitglieder des pegnesischen Blumenordens aufgenommen.
[…] III) Wurde durch den Herrn Präses den anwesenden Ordens-Mitgliedern [15 Personen] der bei einer Conferenz des Vorstandes und Ausschußes verfaßte Entwurf unserer erneuerten und den jetzigen Zeitverhältnissen gemäs eingerichteten Ordens-Statuten vorlesend bekannt gemacht, über jeden einzelnen Paragraphen desselben abgestimmt und hierauf beschlossen, daß diese revidirten Gesetze, wenn sie vorher noch einmal von dem Vorstand und dem Ausschuß durchgesehen und nach den gemachten Erinnerungen verbessert worden seyn werden, durch den Ordens-Sekretär dem Druck übergeben werden sollen.
[…] Bey Vorlesung des vorstehenden Protokolls bemerkte der Herr Präses: Daß seine Anzeige von der ehrenvollen Aufnahme bey Herrn Reichsrath und Präsidenten des Oberkonsistoriums von Roth in München nicht in das Protokoll aufgenommen sey. Benannter Herr Reichsrath hatte nemlich die Güte sämmtliche ihm bekannte in München anwesende Mitglieder des Blumen-Ordens zu einem Abendessen einzuladen, ihn den Herrn Präses als solchen auszuzeichnen und alles nach der gewohnten Weise der Ordens-Mitglieder anzuordnen, bey welcher Gelegenheit das nun aufgenommene Mitglied Herr Hofrath von Schubert als Candidat sich anmeldete. […]” So etwas war dem Politiker, dem Landtagsabgeordneten von Kress natürlich sehr wichtig, und der hinlänglich domestizierte Physiker von Schubert wußte auch, was sich gehört. Man wüßte gern, was da nach „gewohnter Weise” des Ordens anzuordnen gewesen war. Vermutlich ging es damals im Orden überaus förmlich zu. Um so weniger wundert die Abspaltung des Literarischen Vereins.
Am 16. November 1840 erfolgte die„ zweite Lesung” der Satzung, und nur eine Änderung wurde vorgenommen: Es sollte einem Neumitglied freigestellt sein, ob und in welcher Höhe es dem Orden zu seiner Aufnahme ein Spende zukommen lasse.
Was hat sich gegenüber der Satzung von 1820 verändert?
Zunächst einmal wird in einer Präambel unter I. zusammengefaßt, was der Zweck des Ordens sei. Dies ersetzt die früher vorgenommene Einteilung in Klassen:
„Der Pegnesische Blumen-Orden hat zum Gegenstande seiner Bestrebungen:
Die schönen Wissenschaften, die Dichtkunst, und die deutsche Sprache, ohne die Geschichte auszuschließen.
Dieser Zweck wird von den Mitgliedern zu erreichen gesucht, entweder durch eigenes Schaffen im Reiche der Gedanken, oder durch Würdigung und Beurtheilung des geistigen Erzeugnisses. Ausgeschlossen sind dadurch nicht Diejenigen, die zunächst dem Orden beitreten wollen, um sich der Mittheilungen Anderer zu erfreuen.”
Gegenüber der Akademie-Idee hat man weit zurückstecken müssen. Andererseits bleibt der Abstand zu einem bloß an der Gegenwartsliteratur interessierten Verein gewahrt — ohne daß der Zweck, auch Ungelehrte zu fördern, letztlich Volksbildung zu betreiben, ganz aus dem Blick verloren würde.
Die Punkte II., III. und IV. dieser Satzung entsprechen I., II. und III. der vorigen. Im Punkt V. ergibt sich gegenüber Punkt IV. von 1820 die Änderung, daß die dem Sekretär zur Verwahrung gegebenen Gegenstände ausführlicher genannt werden, wobei man sich auf Verzeichnisse von Büchern und Schriften sowie auf ein Inventar der Dokumente, Pokale und Pretiosen bezieht. Offenbar waren seither solche Verzeichnisse angefertigt worden. Das „Ziel”, d.h. der Termin, ist nicht mehr Laurentii, sondern Lichtmeß. Der Sekretär muß seine Schlußabrechnung schon am 31. Dezember fertig haben. Damit nähert man sich der neueren Auffassung von den Grenzen des Geschäftsjahres. Daß der Sekretär Kaution leisten muß (deren Größe das „Direktorium [!]” bestimmt), wird zum erstenmal ausdrücklich damit begründet, daß er die Kasse verwahrt; den Schlüssel zur Kasse hat aber der Präses.
Punkt VI. über den Vorstand lautet praktisch wie der alte Punkt V.; in Punkt VII. wird die bisherige (illusorisch gebliebene) Amtsdauer des Ausschusses von zwei Jahren auf fünf Jahre erhöht und der Zusatz angebracht, daß Ersatzwahlen jederzeit stattfinden können.
Von der Mitgliedschaft handelt wortgleich mit VII. alt der neue Punkt VIII. und erhält folgende Erweiterung:
„Ausnahmsweise kann jedoch auch sogleich ballotirt werden, wenn
a. der Vorgeschlagene allen Anwesenden bekannt ist,
b. die Mitglieder die Ballotage beschließen,
c. denselben vorher durch Circulare angezeigt worden ist, wer sich zur Aufnahme gemeldet hat.
Jeder Bewerber, welcher außerhalb Nürnberg, oder deßen Burgfrieden wohnt, muß erklären: ob er als ordentliches, oder als außerordentliches Mitglied aufgenommen werden wolle?”
Die Unsicherheit über die Abgrenzung von ordentlichen und außerordentlichen bzw. Ehren-Mitgliedern, die sich geradezu durch die Jahrhunderte zieht, wird in dieser Satzung recht elegant gelöst: Man stellt den Aufzunehmenden die Wahl frei. Weiter unten, in Punkt XV., wird dann auch für diese Entscheidung eine Grundlage gegeben:
„Die auswärts wohnenden Mitglieder sind als ordentliche Mitglieder nur dann zu betrachten, wenn sie die ordentlichen Beiträge §. XIV. bezahlen, und an den Sekretär einsenden.
Sie haben in diesem Falle gleiche Rechte mit den in Nürnberg, oder dessen Burgfrieden wohnenden, und können, wenn sie wollen, ihre Stimmen schriftlich einsenden.
Von wichtigen Vorfällen, so wie von der Wahl eines Präses, Consulenten oder Sekretärs, werden sie durch öffentliche Bekanntmachungen in Kenntniß gesetzt.
Auswärtige, welche keine Beiträge zahlen, sind außerordentliche Mitglieder. Auch ihnen steht der Zutritt zu Versammlungen jederzeit frei und die Einsendung ihrer Arbeiten wird dankbar aufgenommen.
Ein Stimmrecht aber kann ihnen nicht zugestanden werden.”
Punkt XII., der entsprechend dem alten Punkt XI. von den Sitzungen handelt, präzisiert die viermal jährlichen Sitzungstermine dahingehend, daß eine sommerliche Versammlung im Irrhain dazutritt; also werden es fünf. „Erforderliche Abänderungen, so wie die Stunde des Anfangs, bestimmt das Präsidium.” Protokollverlesung und Abstimmungen leiten wie bisher die Versammlung ein, dann folgen Vorträge. Neu ist: „Eigene Arbeiten gehen Fremden vor, und werden, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen, zum Ordens-Archiv übergeben.” Diese neuartigen „besonderen Gründe” können, den Zeitumständen nach, auch Rücksichten auf Zensur und politische Inopportunität gewesen sein.
Die meisten übrigen Bestimmungen bleiben, wie sie waren, abgesehen von den bereits angeführten in Bezug auf Aufnahmegebühr und Jahresbeitrag. Einzelheiten, die vielleicht noch etwas über den besonderen Zustand des Ordens um 1840 aussagen, sind etwa: Neuerdings muß durch Ballotage bestimmt werden, wer einen auf Ordenskosten gedruckten Nachruf erhält (Punkt XVI.); die Verpflichtung der Mitglieder, bei einem Feuer im Haus des Sekretärs das Archiv retten zu helfen, wird nicht mehr erwähnt (man traut der öffentlichen Feuerwehr, gibt wiederum private Initiative zugunsten staatlicher Zuständigkeit auf); hingegen wird ausdrücklich vom Präses gefordert, sein Bild zum Einheften in das Ordensbuch malen zu lassen (Punkt XVII.).
Schon am 5. Mai 1841 kann Heiden an Winterling schreiben (er duzt ihn mittlerweile):
„Verehrtester Freund!
[…] Die neuen Gesetze des Ordens haben nun die Presse verlassen und ich übersende Dir hiermit 12. Exemplare zur gefälligen Vertheilung an die dortigen Ordensgenossen. […]”
Nun mußte man gemäß der neuen Abrede wegen des Ausschusses tätig werden. 1840 war gleich ein Ausschuß gewählt worden, also wäre die nächste Wahl 1845 fällig geworden. „Doch waren oft Ersatzwahlen nötig. So wurden schon 1840 der verstorbene Dr. Osterhausen und der zum Ordensrat vorgerückte Dietelmair durch Schnerr und Dr. Lösch ersetzt. Die Neuwahl 1843 ergab dieselben Herren, nur trat an Seilers Stelle, der Schriftführer geworden war, Sensal Meissner.” schreibt Wilhelm Schmidt. Etwas genauere Auskunft gibt ein Blatt vom 14. Oktober 1843, auf dem der Präses die Ergebnisse der Wahlen zum Ausschuß durch Rundschreiben kundtut und zugleich um Annahme der Wahl bittet. Anscheinend wurde das Ergebnis den doch wahrscheinlich anwesenden Gewählten gar nicht gleich mitgeteilt, oder die Mitteilung sollte möglichst sichtbar und dokumentarisch den anderen Mitgliedern bekanntgemacht werden, die nicht dabeigewesen waren. Es heißt darauf:
„Der Präses des pegnesischen Blumenordens
setzt hiemit die außengenannten verehrlichen Mitglieder in Kenntniß, daß daß bey der, in der letzten Ordensversammlung vom 13. Obr. l. J. vorgenommenen Wahl des Ausschußes auf fünf Jahre die meisten Stimmen auf dieselben gefallen sind, und zwar auf S.T. Herren
1.) I. Pfarrer Dr. Lösch 15 Stimmen
2.) Mag. Rath Scharrer 13
3.) Wechselsensal Meißner 8
4.) Dr. Jur. U. Freyhr v. Holzschuher 8
5.) Prodekan Michahelles 8
Dieselbigen hochverehrlichen Herren werden hiermit aufgefordert, Sich geneigtest zu erklären, ob Sie die auf Sie gefallene Wahl in den Ausschuß anzunehmen gedenken, oder nicht.
Mit aller Hochachtung besteht
der Ordenspräses
v. Kreß
Mit Vergnügen wird die Wahl angenommen. Dr. Lösch
Dem verehrlichen Zutrauen wird zu entsprechen suchen Dr. v. Holzschuher
Da ich gegenwärtig vielen anderen Ausschüssen zu genügen habe, so bitte ich für diesmal um geneigte Entschuldigung. Meißner [Hier irrte Wilhelm Schmidt.]
Die auch auf den Unterzeichneten gefallene Wahl mit geziemendem Dank für das dadurch bewiesene ehrenvolle Zutrauen anerkennend, sieht sich doch derselbe in verschiedener Hinsicht bewogen sie von sich abzulehnen. Michahelles.
In der Hoffnung dem ehrenden Vertrauen entsprechen zu können nimmt die Wahl an J. Scharrer.
[Auf der Rückseite eine Nachschrift, in der die nächsthäufig gewählten Herren gebeten werden, in den Ausschuß nachzurücken.]
Ich bin gerne bereit, die Stelle eines Ausschuß-Mitgliedes anzunehmen und werde suchen dem ehrenvollen Vertrauen zu entsprechen. Julius Merz [Er war der Gründer des Literarischen Vereins und in diesem aktiv, diente aber dem Orden, dem er nach wie vor angehörte, als Ausschußmitglied. Das ist der deutliche Beweis, daß es sich bei der Abspaltung des Literarischen Vereins nicht um eine feindselige Opposition oder um eine enttäuschte Abkehr, sondern einfach um eine Verlagerung der Zuständigkeiten handelte.]
Der Unterzeichnete wird bemüht seyn, so weit es ihm möglich seyn wird, eine der durch die höchst bedauerlichen Ablehnungen im Ausschuß entstandenen Lücken auszufüllen. W. B. Mönnich.”
Zu den Vorgängen von öffentlichem Interesse und gegenüber Anforderungen aus der weiteren Öffentlichkeit verhielt sich der Blumenorden im Unterschied zum Literarischen Verein eher vorsichtig und zurückhaltend. Man kann aber nicht sagen, daß er sich den Zeitläuften überhaupt nicht aussetzte. Nicht darin, daßer sich nach außen hin völlig abgeschlossen hätte, war der Grund für die Abspaltung des Literarischen Vereins zu suchen, sondern in der Beschränkung auf die Perspektive der Honoratioren.
Der Blumenorden vor der Öffentlichkeit
Erste Stufe: Man reagiert intern auf einen öffentlich bedeutsamen, aktuellen Anlaß, in diesem Falle auf Goethes Tod.
„Die heute veranstaltete ausserordentliche Versammlung des pegnesischen Blumenordens, bei welcher nebenbenannte Mitglieder erschienen sind, war dem Andenken des vor kurzem verstorbenen Dichterfürsten Göthe gewidmet. Es wurden dabei folgende Vorträge gehalten:
I) Eröffnete der Herr Präses die Sitzung mit einer poetischen Einleitung, worinnen die Geschichte der vaterländischen Poesie im vorigen und vorvorigen Jahrhundert kürtzlich berührt und die Verdienste deutscher Dichter von Opitz bis Göthe gewürdiget wurden.
II) Las Herr Stadtpf. Wilder ein in achtzeiligen Stanzen verfaßtes Lobgedicht auf Göthe ab.
III) Herr Pfarrer Lösch trug eine Abhandlung über Göthe's Faust vor.
IV) Herr Pfarrer Seiler recitirte ein Sonett über ebendiesen Gegenstand.
V) Herr Stadtpf. Wilder las ein von ihm verfaßtes Gedicht auf Göthe's Tod.
VI) Herr Pfarrer Dietelmaier las eine von ihm gedichtete Romanze unter dem Titel: der Lämmergeier.
VII) Zuletzt las Herr Stadtpfarrer Wilder ein in der Manier Hanns Sachsen von ihm verfaßtes Gedicht vor mit der Überschrift: Hanns Sachs an Göthes Schatten.
Womit die heutige Sitzung sich endigte.
Heiden.”
Was die Lämmergeier-Romanze in der Feier zu Goethes Tod zu suchen hatte, fragt man sich vergeblich. Sie war wohl ursprünglich als Beitrag zu dieser Sitzung vorgesehen gewesen, und Dietelmair hatte die Dezenz nicht gehabt, davon fürs erste abzusehen.
Rückfall hinter die erste Stufe: Man läßt den Anknüpfungsversuch eines ausländischen Wissenschaftsmagazins ins Leere laufen.
à Monsieur le Président de la Societé de la Pegnitz de Nuremberg
Monsieur le Président!
Lorsqu'en 1833 je fondai sous le titre de l'Institut journal des academies et Societés scientifiques de la France et de l'étranger un recueil destiné specialement à repandre les travaux des societés savantes de toutes les parties du globe. […]
En consequence, Monsieur le Président, j'ai le honneur de vous prévénir, et je vous prie de vouloir bien informer officiellement la societé que dorenavant les sciences historiques et philosophiques seront exposées dans l'Institut avec autant de develloppement que les autres sciences et qu'aussi dès à present tous les travaux de la societé pourront trouver place dans les colonnes de ce recueil sans subir comme autrefois aucune mutilation (voiez pour plus de renseignement le prospectus sijoint.)
A cette occasion permettez moi, Monsieur le Président, de rappeler à la societé la demande que j'ai eu l'honneur de lui adresser en 1833. Tendant à obtenir une communication officielle du compte rendu de ses séances, accompagné d'extraits des memoires lus ou presentés, et de lui exprimer le regret que j'ai éprouvé et qui a été partagé par tous les amis de la propagation des sciences, en voyant qu'elle n'a pas accueilli cette offre de publication et que par suite sa place est restée vacante ou du moin n'a été qu'imparfaitement remplie dans le repertoire academique ou elle auroit pu figuré avec distinction.
[…]
J'ai l'honneur de proposer à la Societé:
1.) De decider que le compte rendu de chacune de ses séances ou de plusieures séances réunies, accompagné d'extraits ou d'analyses des memoires qui auront été ou presentés, sera regulièrement adressés à la redaction de l'Institut pour etre inseré dans le journal.
2.) de decider qu'un exemplaire de toutes les publications que fera la Societé par voie d'impression se regalement adressé à la redaction […]
3.) de decider qu'elle suscrira à l'Institut. Ce n'est pas sans quelqu'embarras, Monsieur le Président, que je sollicite cette 3eme decision de la part de la societé […] mais les charges nombreuses qui ont pesé sur cette publication depuis trois ans […]
j'ai l'honneur d'être avec un profond respect,
Monsieur le Président,
Votre très humble et très obeissant Serviteur
Eugene Demonet.
Directeur du journal l'Institut
Rue de Lille No. 11.
Paris le 12. Mars 1836”
Der beigelegte Prospekt führt eine große Anzahl der berühmtesten Gesellschaften als korrespondierende Mitglieder auf, darunter die Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen, und die Buchhändler, über die die Zeitschrift zu beziehen ist — in Nürnberg Campe.
In der nächsten Sitzung vom 18. April 1836 „[…] II) wurde den anwesenden Ordens-Mitgliedern [16] ein von dem Herrn Eugene Demonet [stammendes Ansinnen wegen Subskription vorgestellt.] Da nun aus dem eingesandten Prospektus zu ersehen war, daß dieses Journal größtentheils Abhandlungen aus dem Gebiet der Philosophie, der Mathematik, der Physik und der Naturgeschichte enthält, welche der Verfassung und dem Endzweck unserer gesellschaftlichen Verbindung nicht nahe genug liegen um die kostspielige Anschaffung desselben rechtfertigen zu können [die derzeit noch gültige Satzung von 1820 hatte genau solche Interessen festgeschrieben!]; da überdieß die Bibliothek des Ordens blos zur Aufbewahrung von Geistesprodukten seiner Mitglieder bestimmt ist, und da endlich ein von dem Herrn Demonet im Jahr 1833. geschehenes ähnliches Ansinnen bereits damals ablehnend beantwortet worden; so wurde beschlossen, diese Angelegenheit zur Ersparung unnöthiger Kosten und zur Abwendung fernerer ähnlicher Anträge stillschweigend auf sich beruhen zu lassen, eine wider Verhoffen etwann dennoch einlaufende fernere Zuschrift aber ohne weiteres abschlägig zu beantworten. […]”
Man kann sich schon vorstellen, wie peinlich berührt die damaligen Mitglieder des Blumenordens auf die erneute zudringliche Werbung des Franzosen für die Bestellung seines Journals reagiert haben, weil es sie einfach zu teuer gekommen wäre. Andererseits hätte es ja in ihrem ureigensten Interesse sein müssen, wenn schon bis nach Paris die Kunde vom Weiterbestehen des Blumenordens gedrungen war, sein Bild in der Außenwelt zu befestigen. Schließlich war ja explizit angeboten worden, Sitzungsprotokolle, ja selbst Abhandlungen zu veröffentlichen. Traute man sich nicht zu, neben den anderen berühmten Gesellschaften damit eine gute Figur zu machen? Fränkische Muffligkeit? Es wäre alles leichter vonstatten gegangen, hätte man damals schon das Vernetzen übers Internet gekannt.
Zweite Stufe: Man bedient sich eines Prominenten in den eigenen Reihen, um bei aktuell-bedeutendem Anlaß mitzuglänzen.
Als nach manchem Hin und Her das von König Ludwig I. gewünschte, aber nicht bezahlte, einem Münchner Künstler in Auftrag gegebene, aber wenigstens von dem Nürnberger Burgschmiet gegossene Dürer-Denkmal im Jahre 1840 mit einer Verspätung von 12 Jahren gegenüber dem Gedenkjahr endlich aufgestellt wurde, ließ sich zur Enthüllung Bürgermeister Binder folgendermaßen vernehmen:
„[…] Aber der göttliche Lenker der Weltenschicksale ermüdet nicht, solche Zeiten unter veränderten äußeren Formen wiederkehren zu lassen. Liegen auch Jahrhunderte zwischen Vergangenheit und Gegenwart, plötzlich besteigt den Thron des Vaterlandes ein Genius, der mit klarem Blick in die Geschichte der Menschheit und mit festem Willen alle Segnungen, deren die Gegenwart bedarf, aus der Tiefe seines Geistes, aus der Fülle seines Herzens seinem Volke darreicht. Da kehren aus früher nie in dieser Größe gekannten Anstalten die induktiven Wissenschaften zu den Gewerben zurück, da reichen über gebrochene Schranken die deutschen Völker zu freier Bewegung des Handels sich die Hände, da führen neue Wege durch Verbindung deutscher Ströme die Erzeugnisse deutschen Gewerbefleißes dem Weltmeere zu, da erheben sich in allen Zweigen der Kunst Gebilde und Werke, welche an die höchste Blüthe des klassischen Alterthums erinnern, da vereinigen sich alle Kräfte, zu wirken für das Große und Erhabene, für das Schöne und Nützliche. Da wird unter den Sorgen für Seines Reiches allgemeine Angelegenheiten Nürnberg eine warme väterliche Theilnahme gewidmet, und Nürnberg nimmt in dem Herzen seines Königs eine Stelle ein, denn der König erkennt seinen Werth. Wem anders, als Ihm, unserm allverehrten König [Ludwig I.], konnte es daher beschieden seyn, dem großen Sohne einer großen Zeit, ja Nürnbergs größter Söhne Einem, dem Meister deutscher Kunst, ein Denkmal zu bestimmen? Es geschah zu Dürer's Ehre, es geschah zur dankbaren Anerkennung seiner hohen Verdienste, es geschah zur Ehre der Stadt, die den Kunstsinn ihrer Urväter in ihren Werken und Anstalten treubewahrt und pflegt, und die gerne des Königs Ruf folgte, es geschah zur Ehre unsrer Zeit. So wollen wir denn Dürern, wie Rauch's Genialität ihn bildete, wie Burgschmiet's Meisterschaft ihn goß, auf seinem Ehrenplatze schauen! Es schwinde die Hülle, — die ihn noch birgt. […]”
In Monarchien muß man das, was man erhofft, als vorweggenommenes Lob des Monarchen, von dem man bisher nur die unbestimmtesten Schritte in die richtige Richtung gesehen hat, bombastisch einkleiden — vielleicht versteht er's ja, was zu tun gut wäre. Wie berechnend diese Eloge ist, sieht man schon daran, daß der Kanal erwähnt ist, die Eisenbahn, die Ludwig ja nicht besonders schätzte, aber nicht.
Wie unter Kress die Stellung des Blumenordens gegenüber der Öffentlichkeit eingeschätzt wurde, könnte kaum genauer ausgedrückt werden als mit den Worten, die Lösch in dessen Nachruf verwendete:
„Unser Orden ist ein Vermächtniß aus früherer Zeit, eine Nürnberger Reliquie, welche, auch wenn sie ihre ursprüngliche Bedeutung verloren hat, uns theuer und werth bleiben muß; deren Erhaltung und Pflege eine zarte Hand, ein liebendes Herz erfordert. Von einer Wirksamkeit nach außen kann keine Rede seyn, um so sorgsamer muß im Innern das Interesse rege gehalten, die Thätigkeit gespornt, die Eintracht bewahrt werden.
Hiezu war der Verewigte vorzugsweise geschickt. […]” Man könnte fast meinen, Kress sei ein auf seine Patrimonial-Angelegenheiten beschränkter Landjunker gewesen. Doch Lösch weiß zu berichten:
„[…] Nachdem er seine Universitätsjahre vollendet hatte, suchte er seinen Geist durch Reisen weiter auszubilden und besuchte mit zwei Freunden, dem nachherigen Senator von Harsdorf und dem kürzlich verstorbenen Administrator Freiherrn von Haller, die Städte Wien, Laibach, Triest, Venedig, einen Teil der Lombardei und später die preußische Hauptstadt Berlin. Als er in seine Vaterstadt zurückgekehrt war, wurde er Assessor des damaligen Land- und Bauerngerichts und verblieb in dieser Stellung bis zum Jahre 1806 […] wirkte er doch während der bekannten Kriegsjahre als Mitglied der Nürnberger Munizipalität bei dem Einquartirungswesen mit der strengsten Unpartheilichkeit […]” Das Ansehen, das er sich dadurch erwarb, führte ihn zum Amt des Landtagsabgeordneten:
„So wohnte er mehreremal den Landraths-Verhandlungen in Ansbach bei und wurde von den adelichen Gutsbesitzern fünfmal nacheinander, in den Jahren 1831, 34, 37, 39 und 42 als Deputirter zur zweiten Ständekammer des Reichs in München gewählt. Er hatte sich die Achtung seiner Collegen zu erwerben gewußt und war besonders bei dem letzten Landtage von 1842/43 als Mitglied es dritten Ausschusses thätig. Er gehörte der conservativen Richtung an, aber er trat mit offenem Freimuth der Regierung entgegen, wo ihre Forderungen den allgemeinen Interessen des Landes ihm zu widersprechen schienen. Die Stände der oben bezeichneten Jahre wechselten ihre Physiognomie bedeutend; er ist sich immer gleich geblieben, und hat nie vom allgemeinen Strome sich leiten lassen.” Insofern war er noch ein patriarchalisch statt machtpolitisch denkender Mensch, und dazu paßt auch sein Wirken für das Allgemeinwohl außerhalb der Tagespolitik, eine Art von Politik gleichwohl, die dem König angenehm sein konnte:
„Mit besonderer Vorliebe wirkte er bei dem landwirthschaftlichen Verein für Mittelfranken. […] Des Königs Majestät lohnte seine Verdienste durch Verleihung des Ritterkreuzes vom St. Michaels-Orden.
Auch der Maximilians-Heilungs-Anstalt für arme Augenkranke dahier, eine Stiftung des verewigten Hofraths Dr. Kapfer, […] wiedmete [sic] Herr von Kreß viele Zeit und Kraft. […]
Im Jahren 1818 trat Kreß in den Ausschuß der vormals patriziatischen Familien in Nürnberg ein. Es galt vor allem die Erhaltung und Herstellung meh-[S. 6]rerer für Wittwen, Jünglinge und Jungfrauen gemachten Stiftungen. Er gab sich dieser Aufgabe mit aller Sorgfalt und Aufopferung hin und vermehrte die Holzschuher'sche, Kreß'sche und Tetzel'sche Stiftung durch Schenkungen während seines Lebens und durch Vermächtnisse nach seinem Tode. […]”
Und doch verdankt man eben diesem Präses Kress die dritte Stufe der öffentlichen Wirksamkeit des Blumenordens: öffentliche Vorträge! Lösch erwähnt sie beiläufig im Zusammenhang der öffentlichen Feiern des 200jährigen Bestehens des Ordens, aber diese Feiern waren im Prinzip nichts Neuartiges. Die für jeden offenstehenden Vorträge waren es, doch sie gehören nicht zu dieser Runde der Ordensgeschichte und sollen erst später genauer betrachtet werden.
„Er ist 1818 in denselben eingetreten und wurde 1838 zum Präses desselben erwählt. […] Unter seinem Präsidium traten 84 neue Mitglieder theils von Nürnberg, theils von auswärts ein. Seit dem Jahre 1845 wurden die öffentlichen Vorträge in den Wintermonaten, an welchen die Familien der Mitglieder sowohl, als jeder Fremde, Antheil nehmen können, eingeführt. In seine Verwaltung fiel 1844 das zweihundertjährige Jubelfest des Ordens und wurde in sehr erhebender Weise begangen. […]”
In der Tat bündelten sich die Kräfte der Pegnesen, um ein im Vergleich zu 1794 fast ebenso prächtiges mehrteiliges Fest zustande zu bringen. Natürlich bringt eine derartigeAnstrengung auch mit sich, daß vergessene Prinzipien wieder ins Bewußtseintreten, Neubesinnungen an den eingefahrenen Verfahrensweisen rütteln und Tätigkeiten, die halbherzig ausgeübt oder verschoben worden waren, auf einmal gehäuft auftreten.
Das Jubiläum von 1844
Einem eigenen Kapitel wird vorbehalten sein, die poetischen Errungenschaften der Pegnesen jener Jahre zu betrachten. Sie hätten ja bei einer Jubiläumsveranstaltung eine große Rolle spielen müssen. Seltsamerweise hielten die Ordensmitglieder selbst recht wenig davon. Wilhelm Schmidt zitiert und kommentiert eine diesbezügliche Aussage Mönnichs: „,Das Epigonen-Zeitalter der deutschen Literatur, welches, wie es scheint, noch lange nicht abgelaufen ist, war angebrochen und der Blumenorden tat, was er nicht lassen konnte, — er folgte der allgemeinen Bewegung.' So urteilt in der Festgabe Mönnich über diese, seine eigene Zeit. Er konnte nicht ahnen, daß ein neues Zeitalter der deutschen Dichtung bevorstand und die großen Realisten schon an die Tore pochten. Proben der im Blumenorden vorgetragenen Eigenschöpfungen finden wir in einer druckreifen Handschrift von 1834, die 10 Mitglieder auf eigene Rechnung herausgeben wollten. Warum sich der Plan doch noch zerschlug, ist nicht zu ersehen. Ferner enthält die Festgabe [von] 1844 Gedichtproben von 26 Mitgliedern.”
Eben dies wollte Johann Tobias Felix Harless am liebsten verhindern. Er bringt auch soziale Gesichtspunkte ins Spiel, die aufhorchen lassen, zumal bei einem Marktadjunkten und Kaufmann, einem Angehörigen der besitzenden Klassen:
„[…] Wenn in Erwägung gezogen werden will, auf welche Höhe die Poesie seit der letzten Feier gestiegen, welche Forderungen man an jeden Einzelnen macht, wenn er als Dichter auftreten will, wie selbst hochgefeierte Namen, in ihren einzelnen Productionen dem Tadel nicht entgehen, und was man daher von einer Gesellschaft, deren Hauptzweck, Poesie, und mit ihr Veredlung der Sprache und des Geschmacks war, zu fordern berechtigt seyn möchte, und die Leistungen eines halben Jahrhunderts erwartet, so mus ich, bey aller Achtung für unsere gelungenen Gedichte der Ietztzeit, bei meiner Unbekandtschaft jener von den 90er bis in die 30er Jahre, befürchten, man werde eine Herausgabe derselbigen sehr unbefriedigend finden.
Noch weit weniger will mir eben deshalb eine so eclatante Feier des Bestehens dieses Ordens, über dessen Existenz man sich die bekandte Persiflage erlaubt [gemeint ist wohl das Schillersche Distichon], paßend, und die beabsichtigten grosen Kosten Zeit und Sachgemäs erscheinen.
Nicht Zeit gemäs, wo so viel Geld, bei so großem hier herrschendem Elend, würdiger verwendet werden könnte — wo man ohnehin den grellen Unterschied mancher fete bei dem Darben von Tausenden mit Indignation heraushebt; nicht Sach gemäs, weil wir, meines Wißens, in Wahrheit nicht sehr grose Ursache haben, die allgemeine Aufmerksamkeit auf unsere Leistungen zu lenken, und der argen Welt nur Stoff zu noch schärferer Beurtheilung geben könnten. […]”
Es herrschte wieder Mißernte und Hunger im Land, die Auswanderung nach Amerika erreichte einen neuen Höhepunkt. Doch Harless hat sich mit seinem Sondervotum nicht durchgesetzt; nicht, weil die Pegnesen so herzlose Leute waren, sondern eher, weil sie ein ausgeprägtes Gespür dafür hatten, was man Decorum nennt, und was man, bei aller Anständigkeit, die dazugehört, auch als Verpflichtung zu ehrenvollem Auftreten auffassen sollte. Man konnte sich die einmal in fünfzig Jahren fällige Repräsentation nicht in eine Wohltätigkeitsveranstaltung unfunktionieren lassen. Dafür war man ja auch noch in anderen Gesellschaften und Vereinen, denen das oblag.
Jedenfalls wurden eine Woche nach diesem Brief, der an alle Mitglieder gerichtet war, auf der nächsten Versammlung „theils durch Stimmen-Einheit theils durch die Majorität” folgende vorläufigen Beschlüsse gefaßt:
„[…] 1.) Das zweyhundertjährige Jubelfest des pegn. Blumenordens soll mit angemessenen Feyerlichkeiten begangen werden.
2.) Die Feyer wird begangen in den Tagen vom 22. bis 26. Juli 1844. und es wird seiner Zeit das Nähere bestimmt werden.
3.) Die wißenschaftliche Feyer des Festes beginnt um 9. Uhr Vormittags, worauf ein Mittagsmahl folgt. Jene findet statt mit beschränkter Öffentlichkeit, d.h. gegen Eintrittskarten, deren jedes Mitglied eine gewisse Anzahl zur Austheilung erhält.
Der Präses eröffnet die Feyer mit einer Rede; als dann folgen die prosaischen und poetischen Vorträge der übrigen Mitglieder. Zu der nächsten Sitzung an Lichtmeß erklären sich die verehrlichen Mitglieder, welche Vorträge zu halten gedenken, in der darauf folgenden zu Walburgis übergeben sie sie dem Vorstand, der sie zu sichten und auszuwählen hat. Ein vorzüglicher Wunsch bleibt es, daß die zu liefernden Arbeiten möglichst verschiedenartig seyn möchten.
Es wird eine Geschichte des Ordens von seiner Entstehung an bis auf die neueste Zeit verabfaßt, gedruckt und in den Buchhandel gegeben. Es wird dringend gewünscht, daß sich zur Verabfassung einer solchen Geschichte ein Mitglied des Ordens freywillig und zwar innerhalb 14. Tagen beym Präses anbieten und melden möchte. Materialien hierzu liefert die Ordens-Bibliothek und das Ordens-Archiv, und jedes Mitglied wird ersucht, aus dem Schatze seines Wissens das Seinige dazu beyzutragen; geschehe es nur mündlich oder schriftlich. Gedichte sollen in die Geschichte nicht aufgenommen werden, dagegen aber wird ein Album als Manuscript für die Mitglieder gedruckt, das aus Gedichten und Aufsätzen von Mitgliedern besteht, die zur Aufnahme ihrer poetischen und prosaischen Arbeiten die Erlaubniß zu geben haben.
Es wird eine Medaille geprägt und H. Kassirer Nagler erbot sich auf Ansuchen, deßhalb sich mit hiesigen Künstlern zu berathen und alles Erforderliche der Gesellschaft zu gehöriger Zeit vorzulegen, worauf dann von dieser das Weitere beschlossen werden wird.
Zu dem Feste sollen eingeladen werden
a.) die beyden hiesigen Herren Bürgermeister,
b.) der Kgl. Forstmeister des Seb. Forstamtes,
c.) die Deputation der Zwanglosen in München.
Das Ordensbuch soll vervollständigt werden:
a.) durch das noch fehlende Portrait des Ordenspräses, Prediger Hartlieb;
b.) durch Nachtrag der von Zeit zu Zeit abgeänderten Gesetze;
c.) durch ein Verzeichniß der Mitglieder vom Anfang des Ordens bis zum Jahre 1843.
Was das Mittagsmahl noch weiter anlangt, so dürfen dabey die Pokale nicht fehlen. Jedes Mitglied bezahlt sein Couvert nebst Tischwein und beliebigen Champagner oder dergleichen Getränke. Die Ordens-Kasse sorgt für Musik, Bewirthung der eigens-geladenen Gäste und Wein für die Pokale. Ein Rundgesang, oder mehrere, können nicht ausbleiben, und es werden sich Ordensmitglieder zur Fertigung derselben verbinden.
Die Nachfeyer im Irrhain soll am folgenden Nachmittage statt finden, bey welcher dann auch Damen und Familien-Mitglieder, sowie Verwandte und Freunde zugegen seyn können. Besondere Feyerlichkeiten finden im Irrhain nicht statt. Ausschmückung desselben mit Blumen, Inschriften, wird einer Illumination vorgezogen. Dieß alles aber wird jedoch von der Witterung abhängen.
Es werden bey dieser Jubelfeyer auch Ehrenmitglieder ernannt.
4.) Zur wißenschaftlichen Feyer wurde der obere Rathhaussaal als vorzüglich geeignet ausgewählt. Der Magistrat soll deßhalb angegangen werden, denselbigen dem Orden für diese Feyer zur Disposition zu stellen. Das Festmahl wird im Saale des Gesellschaftslokales stattfinden. Die Nachfeyer im Irrhain natürlich daselbst.
5.) Kosten sollen bey einer so selten wiederkehrenden Säcularfeyer nicht gespart werden. Dieselbigen werden gröstentheils aus dem Baarvermögen, das aus f. 1100 besteht, bestritten. Jedoch sollen für das Jahr 1844 statt des jährlichen Beytrags von f. 1.12. ˆ personne f. 2.42 von jeglichem ordentlichen Mitgliede erhoben und dadurch der GesellschaftsKasse einige Erleichterung verschafft werden.
Ein Ueberschlag aller Kosten dürfte erst dann gemacht werden, wenn alle Anordnungen zum Feste getroffen sind.
6.) Endlich wurde durch Stimmenmehrheit beschlossen, daß ein Festprogramm zu verabfassen, zu drucken, unter die ordentlichen Mitglieder und anwesenden Gäste zu vertheilen und an die außerordentlichen und auswärtigen Mitglieder unter Couvert zu senden sey. Zu öffentlichen Blättern und Zeitungen aber sollen keine Ankündigungen eingereicht werden. […]”
Unter den Einsendungen, die bis Walburgis erbeten waren, sticht ein Aufsatz hervor, den Gymnasialprofessor Johann Jordan aus Ansbach am 27. 3. 1844 als Anlage eines Briefes einsandte. Er bildet einen Gegensatz zu Harless' Bescheidenheit, insofern er das Jubiläum eines privaten Vereins zum Anlaß hurrapatriotischer Auslassungen nimmt, die bereits wilhelminisch anmuten:
„Nichts hat von jeher Deutschlands politische, gewerbliche und geistige Größe mehr gehoben und gefördert als die verschiedenen, bald kleineren bald größeren Vereine, […]
So verdankte Deutschland in den ältesten Zeiten seinen großen Völkerbündnissen […] die Befreiung vom harten Römerjoche, das, so schwer es auch schon auf deutschen Nacken lastete, doch plötzlich im Teutoburger Wald zertrümmert wurde. […]
So befreite noch vor unsern Augen der hochbegeisterte Bund für Wahrheit, Recht und Ehre zwischen deutschen Fürsten und Völkern abermals das geknechtete Vaterland auf Leipzigs blutgetränkten Ebenen von dem eisernen und schmachvollen Drucke des korsischen Zwingherrn. Und so wird dieses feste Zusammenhalten deutscher Kraft und Stärke, das Erbe unserer Enkel, der Zeitgenossen später Jahrhunderte, auch sie frei unds icher vor jeder fremden Bedrückung […] in des geliebten Vaterlandes fruchtbaren, herrlichen Gauen leben und wohnen lassen. Und wie großen Dank der vaterländische Handel und Gewerbfleiß der einst mächtigen Hansa […] verdankte, ehe noch Albion an allen Meeresküsten mit seinem mächtigen Dreizack gebot, wem unter uns könnte dieß unbekannt geblieben seyn? Waren doch in jener Zeit die Namen Hamburg, Bremen, Lübeck, Frankfurt, Nürnberg, Augsburg und vieler anderer deutscher Städte den berühmtesten des Auslandes gleichgeachtet! Und welcher deutsche Vaterlandsfreund unserer Tage sieht nicht mit edlem Stolze und hohem Selbstgefühle auf einen andern noch mächtigern Bund, auf den großen deutschen Zollverein, hin, der bald alle Länder Germaniens umschließen und vom Fremdlande mit Neid und Scheelsucht angestaunt und gefürchtet werden wird. […]
Eine solche von unseren vaterländisch gesinnten Männern zur Beförderung eines einzigen edlen Zweckes gegründete Gesellschaft war auch die, deren Mitglieder wir zu seyn die Ehre haben, deren 200jähriges Bestehen wir heute feiern […] Bis zu welchem Grade der Entwicklung und Vollkommenheit müßte sich unsere wundervoll-bildsame Muttersprache im Laufe der letzten 2 Jahrhunderte erhoben haben, wenn in dieser langen Zeit von allen Seiten im Geiste des edlen Harsdörfers kräftig und planmäßig gewirkt worden wäre? […]
Mit frohen Hoffnungen laßt uns daher […] allem Ausländischen im Denken, Reden und Handeln entsagen […]”
Jordan hakte in einem Brief an den Präses vom 17. Juli 1844 nochmals nach und wurde eingeladen, den Aufsatz am 23.7. 1844 mündlich vorzutragen.
Es ist erstaunlich, wie wenige Tage vor dem Beginn der Feierlichkeiten noch reger Briefwechsel wegen letzter Vorbereitungen hin- und herging. Heiden hatte als Ordenssekretär wegen seiner 79 Jahre zwar schon abgedankt, war aber gebeten worden, seinen Nachfolger Georg Christian Heinrich Seiler noch eine zeitlang zu unterstützen. Er hatte in diesen Tagen viel zu tun. Zuerst kam ein Brief von Koch, der dessen Absage wegen Kränklichkeit enthielt. Dann schrieb noch Winterling, der sich wieder einmal ins rechte Licht setzen wollte. Er siezte den Empfänger, weil er wohl nicht wußte, ob sein Brief mit der Anrede „Hochverehrter Herr Ordenssekretär” noch an Heiden gehen würde, mit dem er auf Du stand, sondern schon an Seiler. Er dankt für die offenbar allen Mitgliedern geschickte Gedenkmedaille und das Album und die Eintrittskarten zur „literarischen Festfeier vom 23. dieses„ und fährt fort: „Ich habe eben im verflossenen Monat den ersten Band meiner poetischen Werke, drei Schauspiele enthaltend, vom Stapel laufen lassen; diese bin ich beigeschlossen so glücklich, dem Orden bei seiner memorablen Epoche als ein Zeichen meiner Anhänglichkeit und Verehrung zu übermachen, bitte daher, daß diese Gabe nach dem im Programmunter 4 f. getroffenen Bestimmungen am Tage der literarischen Feier mit aufgelegt und in der Beschreibung des Festes, die Sie vielleicht selbst liefern, einer Erwähnung gewürdigt werde. […]”
Ein Briefkonzept Heidens an Winterling mit der Antwort ist erhalten. Es ist auf verhältnismäßig grobes Papier notiert, und auf der Rückseite steht das Konzept eines Schreibens an das außerordentliche Mitglied Pfarrer Dr. Plochmann zu Großhabersdorf. An Winterling schreibt er:
„Verehrtester Freund!
Die bisherige trübe und veränderliche Witterung scheint nun doch endlich beständig werden zu wollen. Es ist daher von unserem Herrn Ordenspräses beschlossen worden, künftigen Montag den 26sten Juli die jährliche Versammlung in dem Irrhain zu veranstalten. […] Könntest Du uns vielleicht auch durch die Mitbringung einer poetischen Gabe erfreuen, so würdest Du dadurch Deine Verdienste um unseren Verein abermals vermehren. […]”. Er hat also Winterlings poetische Hervorbringungen durchaus nicht als aufgedrängte Wohltaten, sondern als dringend nötige Aufwertung betrachtet. Die Nachricht an Plochmann lautet:
„[…] Die Mitglieder, welche sich bei dieser jährlichen Zusammenkunft entweder allein oder mit ihren Familien einfinden, versammeln sich Nachmittags nach 2 Uhr und können, nach eigenem Belieben, Kaffee, kalte Speisen, Wein oder Bier selbst mitbringen, oder sich solche von dem Wirth Sattmann in Kraftshof hinüber bringen lassen. […]”
Nun konnten die Feierlichkeiten beginnen. Schuber 65 des Pegnesenarchivs, Bündel e, enthält die „Rede, bei der Eröffnung der Feier des 200jährigen Bestehens des Pegnesischen Blumen-Ordens, gehalten von dem Ordens-Praeses Carl Freyherrn von Kreß, am 23ten Julii 1844. im obern Rathhaus-Saale in Nürnberg.” Welche Unterschiede zeigt sie im Vergleich mit Panzers Rede 1794? Hier können freilich nur Auszüge betrachtet werden.
„Hochverehrte Versammlung,
Eine seltene — vielmehr eine auf diese Weise noch niemals statt gefundene Feier, versammelt uns heute […] und dankbare Rückblicke auf seine ehrwürdigen Gründer […] Ein Nürnberger Künstler Dallinger, überlieferte es [das Porträt Harsdörfers] der Gegenwart und der Zukunft, durch die Medaille welche der Orden, nach Heideloffs Erfindung, zur Feier dieses Jubelfestes in München prägen ließ. […] In das Innere, in das Wesen des Ordens, soll ich Sie blicken lassen. […] I. Was ist der Blumenorden und sein Zweck? Er ist ein Verein wissenschaftlich gebildeter Männer — in der mittlern Zeit auch Frauen [Was heißt „mittlere Zeit”? Frauen waren gerade in der ersten Zeit im Orden stärker vertreten. Kann hier „mittleres Alter” im Sinne von „Mittelalter” gemeint sein? Über dessen Epochengrenzen bestand wohl noch keine Einigkeit bei historischen Betrachtungen. Es fällt jedenfalls auf, daß Kress die Frauen zu diesem Anlaß überhaupt erwähnt.] — aus allen Ständen, zur Förderung seines Zweckes. Der Zweck aber war ursprünglich die Verbesserung der deutschen Sprache und der Dichtkunst. So war es ausgesprochen. Aber tief im Hintergrunde verborgen, lag ein weit höherer, ein unvergänglicher, das Streben nach höherer Fortbildung und Ausbildung der Mitglieder, durch und für Poesie, Sprache und Litteratur, den die spätere Zeit erkannte, erfaßte, und darum, ohne den ausgesprochenen Urzweck aufzugeben, Alles in das Bereich ihres Wirkens zog, was zur Erweckung des Gefühls für das Schöne, Anständige und Erhabene, nur irgend beyzutragen vermag, Alles was auf die schönen Wissenschaften, auf Geschichte, Literatur und Kunst Bezug hat. […] IIten Frage: Wie wurde der Zweck des Ordens im Laufe der verflossenen 200 Jahre gefördert? […] Er hat es verstanden, den Geist, der lebendig macht, zu fesseln. [… Kress möchte nicht wiederholen, was in den bisherigen Festschriften und Jubiläumsreden steht, sowie in der „Festgabe„ von Mönnich zu diesem Anlaß.] IIIte Frage: Ist er nun endlich auch erreicht worden? […] Das nicht Stehenbleiben auf dem Standpunkte von welchem ausgegangen wird, das immer Vorwärtsschreiten nach dem vorgesteckten Ziele, das ist es, was der unerreichbaren Vollkommenheit immer näher führt, und dessen darf der Blumenorden in den meisten Perioden seines Bestehens, namentlich in den ersten Abschnitten seines Emporkommens, und nun wieder in den letzten Jahrzehnten seines Wirkens, ohne unbescheiden zu seyn, mit vollem Rechte sich rühmen. […] Keine Verbindung als solche, ist im Stande etwas zu leisten. Es ist immer der Einzelne nur ihr Organ. […Das entspricht unserer Diagnose, daß der Blumenorden nach außen nur das ist, was seine einzelnen Mitglieder leisten.…] und nun —, die Folgen des Friedens, — sie erhöhten das Aufblühen Nürnbergs, sie förderten des Blumenordens Flor. Wer wollte hier das mächtige Walten des Geistes verkennen, der Nürnberg der Impuls war, das Große und Erhabene zu fördern, wo nur immer Gelegenheit sich darbot […] Gleich wie das hart bedrängte und unterjochte Deutschland, noch heute in Kraft besteht, gleich wie Nürnberg lebenskräftiger als je, täglich weiter fortschreitet, so fühlt auch der Blumenorden seine geistige Kraft, die des heutigen Festes Feier, zur jugendlichen steigert. […]” In heutigen Worten: Man spürt endlich den wirtschaftlichen Aufschwung und stellt eine Verbindung mit einem geistigen Aufschwung und einer Verjüngung des Blumenordens her. Dabei sieht Kress noch fast auf hegelianische Weise dahinter einen wirkenden Geist, der sich in einen Impuls an günstigen Orten und zu günstigen Zeiten umsetzt. Die Tonart ist wesentlich optimistischer als 50 Jahre vorher, wenn auch das Eigenlob sehr unbestimmt daherkommen muß, und der wesentliche Unterschied ist die Einbettung in den größeren Hintergrund einer nationalstaatlichen Einigung, die man sich als unausbleibliche Folge der wirtschaftlichen Dynamik mehr erwartet als bloß erhofft. Auf dieser Ebene hätte man sich mit den damals gerade aufgekommenen wissenschaftlichen Sozialisten überraschend gut verständigen können.
Als man auf der nächsten Ordensversammlung am 12. August 1844 Bilanz zog, ergaben sich nicht nur befriedigende Rückblicke, sondern auch gewisse neue Aspekte für das Weiterführen des geglückten Anstoßes:
„[…] Nach erfolgter Abstimmung über die Aufnahme dieser vorgeschlagenen Herren zeigte der Herr Ordenspräses an, daß dem Orden bey Gelegenheit seiner zweyhundertjährigen Stiftungsfeyer folgende Geschenke gemacht worden seyen:
[…] 4.) Vom hiesigen, sehr verehrlichen lit. Verein ein Festgruß bey Gelegenheit der 200jährigen Feyer der Ordensstiftung.
5.) Von der Redaction der Nürnberger Blätter die Nummern 87-90. in welchen das Jubelfest des Ordens geschildert wurde durch das Mitglied H. Prof. Dr. Winterling. [D.h. Winterling hatte die Aufgabe, die er für Sache des Sekretärs gehalten hatte, dankenswerterweise selbst übernommen, und zwar gleich für die Presse.]
[…] 8.) Von dem ord. Mitgliede H. Kupferstecher u. Kunstmaler Wilder die von ihm verfertigten Bilder ,der Irrhain in Kraftshof und dann die daselbst befindlichen Gemälde' vorstellend, wofür dem in der Versammlung anwesenden Geber gedankt wurde.
[Die oberste Tafel zeigt die Wappen der sieben Waldherren, die wohl bei einer Renovation des inneren Portals im Jahre 1763 dort angebracht worden waren. Außerdem waren noch an übriggebliebenen Hütten einzelne Tafeln der früheren Besitzer erhalten. Eine Besonderheit stellt dar, daß sich in der Hütte der beiden Chirons ein Gemälde mit der Abbildung eines Schäfers vor einer Landschaft erhalten hatte. Dieses war von Wilder nur mithilfe von Transparentpaier abgepaust und nicht der Festversammlung vorgelegt worden, aber seine konservatorische Mühsal hat sich bis heute gelohnt; man wüßte sonst nicht, wie prächtig doch einzelne Hütten innen ausgestaltet gewesen sein müssen. Die Pause besteht aus zwei zusammengeklebten Quartblättern mit Anstückungen, womit das Originalformat des Gemäldes erreicht wurde:]
9.) Von dem Vorstand des hiesigen lit. Verein, H. J. Merz eine gezeichnete und illuminirte Darstellung eines Schäfer-Paares in dem Kostüme, in welchem 8. Paare derselben am Jubelfeste im Irrhain durch ihr Schäferspiel die Gesellschaft ganz besonders erheiterten u.be[lustigten?]. Dem Herrn Vorstand wurde der besondere Dank des Ordens an die junge Künstlerin, Fräulein Elisabeth Bihlne […], aufgetragen und die kunstvolle Zeichnung dem Ordens-Archiv zur Aufbewahrung übergeben.
10.) Von H. Buchhändler Merz wurden 6. Exp. der Festgabe dem Orden zum Geschenk gemacht, wofür derselbe den Dank desselben hinnahm.
[…] Weiter erfolgten die Nachträge und zwar
1.) Vom ersten H. Consulenten: Gegengruß an den lit. Verein, auf dessen Festgruß, welcher erstere auch nebst einer silbernen Medaille durch den H. Präses dem H. Vorstand des lit. Vereins zwar schon eigens in dessen Hause überreicht worden war. Der H. Vorstand (J.Merz) dankte in der Versammlung des Vereins für diese Auszeichnung. […]
Ueber dem Essen stellte Herr Sensal Meißner in der Form eines Trinkspruches den Antrag, daß doch einmal im Jahr auch die Damen zur Ordensversammlung zugelassen werden möchten, da dieselben einen so ehrenvollen und menschlichen Antheil an den Vorträgen bey dem Jubelfeste im Rathhaus-Saale genommen haben.
Der H. Ordenspräses protestierte darauf scherzweise gegen die Worte des Antragstellers, mit denen er seinen Antrag (Trinkspruch) ganz naiv eingeleitet hatte, als sey es nicht die Mühe werth, auf das zu hören und zu achten, was er vorbringen wolle, und sicherte H. Meißner zu, daß der hochwichtige Antrag in der nächsten General-Versammlung, zur ernsten Beratung vorbereitet, vorgelegt werden soll.”
Es ist zu erkennen, daß der Pegnesische Blumenorden sich allmählich auf die Gepflogenheiten des Literarischen Vereins zubewegte, die ihm von seiner Satzungsgeschichte her keineswegs fremd erscheinen mußten; ob dies aber der Zeitgeist in Gestalt der politisch und wirtschaftlich vermittelten gesellschaftlichen Kräfte bewirkt habe oder ob es auf der Einsicht einzelner Mitglieder in die Vernünftigkeit solchen Vorgehens an sich beruhe, lassen wir dahingestellt.