Johann Adolph Hoffmann


„Hofmann, (Joh. Adolph), ein Philologus, von Plön, der Hauptstadt in dem Fürstenthum gleiches Namens, gebürtig, brachte 6 Groschen auf die Academie nach Leipzig, fand aber Gönner, ward 1725 Magister, nahm, nachdem er seine Studien geendiget, bey unterschiedlichen jungen Edelleuten die Stelle eines Hofmeisters an, mit welchen er auch mehr als einmahl Deutschland, Holland, Engelland, Franckreich und Italien durchreiset, und lebte hiernechst zu Hamburg im Privat-Stande, woselbst er auch den 17.Nov.1731 unvermuthet mit Tode abgieng“. (s. Jöcher, Gelehrten-Lexicon, Zweiter Teil.) Wieder sind es Studien in Leipzig und Hofmeister-Stellen, die den Soziolekt dieses Autors mitbestimmen. Seine Erbauungsschrift „Zwey Bücher von der Zufriedenheit“ gehört zu den wenigen populären Werken, die weder der Dichtung noch den von Geistlichen verfaßten Traktaten und Predigtsammlungen zuzurechnen sind, und die, bevor das Lesen den bekannten quantitativen Aufschwung nahm, neben der Bibel und etwa einer Hauspostille die einzigen Bücher in einem durchschnittlichen Haushalt darstellten. Sie fanden von 1722 ab in immer neuen Auflagen Verbreitung (10.Auflage bis 1745)

Hoffmanns Sprachgebrauch ist in noch weiterer Hinsicht repräsentativ zu nennen, da er Mitarbeiter an der Hamburger Moralischen Wochenschrift „Der Patriot“ war, einer journalistischen Unternehmung, die von Martens als wichtigstes Vorbild dieser weitverbreiteten Gattung neben den englischen Wochenschriften erwiesen wurde. (Wolfgang Martens, Die Botschaft der Tugend, Die Aufklärung im Spiegel der deutschen Moralischen Wochenschriften. Stuttgart 1971.) Die Person Hoffmanns dürfte in sozialer Hinsicht repräsentativ sein für eine gewerbetreibende Schicht des Bürgertums, die zur bürgerlichen Klasse tendiert: er war als Privatgelehrter Philosoph und Philologe und bestritt seinen Unterhalt aus Handelsgeschäften mit Diamanten und Antiquitäten. Durch seine Mitarbeit am „Patrioten“ hatte er Umgang mit Mitgliedern ratsfähiger Familien.

Im vorliegenden Text sind keine deutlichen Hinweise darauf vorhanden, daß Hoffmann einer mehrfach abgestuften Güterordnung folgen würde wie Leiser. Er argumentiert antithetisch; die Gegenüberstellung zweier Typen von Gütern scheint ihm zu genügen, nämlich solcher des Leibes und solcher der Seele.

„Die Güter des Leibes und dieses Lebens sind ausser uns; sie sind, welches mercklich ist, nicht in unsern Vermögen; und sie sind gleichwohl die Vorwürffe unsrer Begierden oder Leidenschafften […] Leben, Nahrung, Gesundheit, Stärcke, Lust, Ehre, Ansehen, Lob, Schönheit, Reichthum, sind Vorwürffe unsrer Liebe oder Hoffnung.“

"Vorwurf" ist hier nichts weiter als eine Lehnübersetzung von "obiectum" und bedeutet also "Gegenstand". Der Sinn von "Vermögen", der bei Talander zu schwanken schien, ist hier "Verfügungsgewalt", und da "mögen" im Mittelhochdeutschen die Bedeutung von "in der Lage sein" hatte, nehme ich an, daß wir es hier mit der ursprünglichen Bedeutung von "Vermögen" zu tun haben.

Scheint es aber nicht unsinnig zu behaupten, über Güter des Leibes könne man nicht verfügen? Begründung: Sie sind außer uns. Was ist das für eine seltsame Anschauung, der noch der eigene Leib als äußerlich vorkommt? Die cartesische Aufteilung der Welt in res corporea und res cogitans macht aus Menschen Bewußtseinspünktchen, umgeben von seelenlosen und damit unwesentlichen Hüllen. Diese sind der Veränderlichkeit alles Irdischen unterworfen. „Da sehet ihr nun, daß Macht, Ehre, Lust, Reichthum, keine wahren Güter sind, weil sie ihre Besitzer nicht einmahl auf Erden lange beliebt machen.“ Wahre Güter sind also nur diejenigen, über die der Mensch volle Gewalt hat, die ganz in ihm sind, also die Güter der Seele. Darunter fallen: „Weißheit und Verstand; Wahrheit und Erkäntniß; Klugheit und Lenckung des Willens auf ein wahres Guth; Frommheit, und Recht; vernünfftige Liebe; Mäßigung; Großmuth; und Ruhe der Seelen; […]“

Dadurch, daß die Güter des Leibes als Gegenstände von Leidenschaften, störenden Affekten, auftreten, wird Hoffmanns Text mit dem des Thomasius vergleichbar. Hier werden allerdings nicht die Begierden durch die drei Besitzobjekte Ehre, Reichtum und Lust differenziert wie im „Spiegel der Erkäntniß seiner selbst und anderer Menschen“, sondern eine Gruppe von Begierden wird den Gütern, eine andere den übrigen Gegenständen zugeordnet. Die Güter der Seele werden bezeichnenderweise nicht mit irgendwelchen Begierden in Verbindung gesetzt. Stattdessen erscheint "Liebe" selbst, wenn es mit "vernünftig" verknüpft ist, als Gut der Seele. Dadurch gelingt es Hoffmann, dem Menschen "vernünftige Liebe“ zuzusprechen; Thomasius hatte dies, von der Affektenlehre ausgehend, noch aufgeben müssen.

Doch damit ist die Grenzziehung zwischen seelischen Gütern und Affekten im allgemeinen durchlässig geworden. Überhaupt könnte die Allerwelts-Aufteilung "Güter der Seele -Güter des Leibes" imstande sein, auf die Dauer alles als Besitzobjekt zu vereinnahmen. Ein befremdliches Beispiel: „Weil die Seele an GOtt das höchste Guth gefunden hat, erfreuet sie sich in dessen Besitz, und fürchtet sich es zu verlieren.“ Gott als summum bonum — das ist gewiß traditionell. Aber im Kontext von Gütern, über die der Mensch volle Verfügungsgewalt beansprucht, nimmt er sich unpassend aus, trotz der Anspielung auf unio mystica — und zwar wegen des verstärkenden Gebrauchs des Wortes "Besitz“.

In den bisher untersuchten Texten spielte das Wort "Besitz", von dem lateinischen Rechtsterminus "possessio" abgesehen, keine Rolle, und "besitzen" kam ebenfalls selten vor. Dies ändert sich schon einmal zahlenmäßig bei Hoffmann. Ich habe bisher von einem „Bereich von Besitzverhältnissen“ gesprochen, wo von Gütern und deren Erwerb die Rede war, und es mag zur nachträglichen Rechtfertigung dienen, daß Güter hier tatsächlich als Besitzobjekte auftreten; für den erweiterten Gebrauch von "Besitz", "besitzen" und "Besitzer" muß es aber wohl eine Ursache geben, die mit dem Auftreten eines neuen Sinns zu tun hat, auch wenn die Bedeutung von "besitzen" weiterhin der von "possidere" entspricht, denn sonst hätte Hoffmann sich mit "haben" und "Habe", "Hab und Gut“, "Eigentum" und anderen Wörtern behelfen können, die verschiedentlich schon früher im Gebrauch waren. Der entscheidende Unterschied besteht aber in der schon erwähnten Verfügungsgewalt, die gar nicht immer die eines rechtmäßigen Eigentümers sein muß: „Ich habe heute eine Schönheit gesehen, und ich dachte nicht, glücklich ist ihr Besitzer! Sonst hätte ich ja manchen Ehebrecher seelig gepriesen.“ Es fällt auf, daß hier die Eigenschaft einer Person, schön zu sein, metonymisch für die Person selbst steht, diese aber dadurch Besitzobjekt einer andren Person wird. Hier liegt keine einmalige Bedeutungsübertragung vor, wie sich auch an dem folgenden Beispiel erkennen läßt: „Du hast viele ansehnliche Freunde? Je grösser ihre Anzahl ist, je mehr sterblichen Trost besitzest du.“ Als ob Hoffmann aber vor den Konsequenzen zurückschreckte, verwendet er "haben" in unmittelbarer Verknüpfung mit "Freund", "besitzen" aber mit dem dazwischengeschobenen "Trost (sterblich)", das offenbar wie "Schönheit" zu den leiblichen Gütern gezählt wird. Die Beziehung eines Subjekts auf eine andere Person erscheint merkwürdig vermittelt über die Wirkungen, die sie im Subjekt hervorruft und die dann die seinen sind. "Besitzen" kann man also nach diesem Sprachgebrauch von allem, was man hat, nur dasjenige, was jedem Zugriff von außen — wenigstens auf einige Zeit — entzogen ist. Das heißt aber noch lange nicht, daß der Besitzer seine Verfügungsgewalt auch ausschöpft! So schreibt Hoffmann etwa von Melancholikern:

„Ihre Ungedult reitzt Gott, sie härter zu straffen, drum stehen sie auf zu klagen, und gehen zu Bette ohne zu schlaffen. So wenig Guts geniessen sie, wenn sie alles besitzen, daß ihnen anfängt zu mangeln was sie haben.“

Man könnte aus diesen Sätzen die Verpflichtung ableiten, zuerst den Genuß an den Gütern auszukosten, die man schon hat, bevor man sich um mehr kümmert, und in der Tat handelt ja das Buch von der "Zufriedenheit". Die Bedeutung dieses Wortes wird durch jenes Verhalten wohl nicht unzutreffend repräsentiert. Es kommt jedoch hinzu, daß das Genießen von Besitzobjekten nicht mit dem naiven Haben zusammenfällt, weil dies ja auch den tatsächlichen Mangel einschließen kann, sondern eine Art reflektierten Habens darstellt — wieder eine merkwürdige Distanz zwischen Subjekt und Gegenüber.

Man kann manches haben, aber in dem Bewußtsein leben, wenig zu besitzen: „[…] die Heyden haben erkant, daß wer zufrieden leben will, entweder arm, oder den Armen gleich seyn müste. Wie viel Mühe hat ein Reicher diß zu begreiffen? denn ob er selbst gleich zuweilen fühlt und bekennt, daß der Ackersmann glücklicher ist als er; kan er doch nicht dazu kommen, daß er sich recht selbst besitze.“

Eigentlich geht es Hoffmann darum, armen Menschen zu sagen, sie müßten nicht mehr haben, um glücklicher zu sein; doch für einen Reichen nimmt seine Aussage den Sinn an: Du mußt zwischen dich und deine Güter eine Distanz bringen, die dir erst erlaubt, sie mit Bewußtsein zu genießen. Einem, der seinen Reichtum durch Wuchern geschaffen hat, fällt das freilich zu schwer. Der neue, von Hoffmann ungescholtene Typ des Wohlhabenden dagegen hält seine leiblichen Güter für etwas Äußerliches, für leicht wieder zu veräußernde Waren, die für ihn nur zählen, insofern sie seelische Wirkungen hervorrufen, in seelische Güter umgewandelt werden können — und nur aus solchen baut er sich auf: er besitzt sich. (Goethe hätte vermutlich dazu gesagt: „Er wird eine Persönlichkeit“.) Auch im Verhältnis zu sich selbst hat der nach Hoffmanns Ratschlägen lebende Mensch noch diese Distanz; es liegt sehr viel Selbstkontrolle in seinem Glück. „Kurtz, der paßionierte Mensch affectirt eine Zufriedenheit, und der Vernünfftige besitzt sie.“

Wie gesagt, sind es die Leidenschaften, die den Menschen daran hindern, mit Vernunft zu besitzen; sie zwingen ihn aber auch, die Abwesenheit bestimmter Güter als unangenehm zu empfinden:

„Armut aber oder Mangel, Hunger und Blösse, Verachtung und Niedrigkeit, Schimpff und Schande, Kranckheit und Gebrechen, Heßlichkeit oder Schwachheit, Schmertz oder Trauren, Verfolgung oder Verjagung, Verlust der Seinigen und endlich der Tod, sind die Vorwürffe unsers Hasses oder Abscheus und Furcht.“

„Der Leib hat seine fünf Sinnen, und alle fünf Sinnen mannigfaltige Angelegenheiten und Reitzungen. Dadurch werden Leidenschafften und Begierden in ihm gewircket, die wie Wind und Wetter zur Befruchtung und Verheerung der Erde, also natürlicher Weise beides zur Erhaltung und Verderbung eines Lebens dienen.“

Eine sensualistische Grundlegung der Affektenlehre!

Einige Seiten weiter erhält das Wort "Vernunft" durch den Kontext wieder einen gegenaufklärerischen Sinn:

„[…] können wir unter GOttes Beystand, und dem Gebrauch einer geheiligten Vernunfft, es so weit bringen, daß die böse Natur gedämpft, und wohl gar ausgezogen wird wie ein altes Kleid. Ich sage nicht, daß wir ohne Begierden leben können, sondern daß die rechte Kunst zu leben in solcher Einrichtung der Begierden bestehe, daß die Vernunfft Herr im Hause bleibe, […]“

Noch kann die an sich "böse“ Natur, zu der die Leidenschaften gehören, nur mithilfe "geheiligter" Vernunft zum Leitstern des Menschen werden:

„Die Folge der vernünfftigen menschlichen Natur […] besteht darin, […] daß ich erfahre, wie viel ruhiger ich dadurch werde, daß ich die Güter der Seelen den Gütern des Leibes vorziehe; und mich nach dem, was ewig gut und recht bleibt, lieber richte, als mich durch ein vergänglich Schein-Gut und Nutzen verblenden oder verführen lasse.“

Außer der Differenzierung des Sinns von "Natur" in eine böse und eine vernünftige ist in Hoffmanns Text noch eine Bedeutungsdifferenzierung dieses Wortes auszumachen, denn in den vorigen Zitaten war sie auf den einzelnen Menschen bezogen und stellte ein seelisches bzw. ein leibliches Gut dar, während im folgenden "Natur", diesmal als regelnde, eine Leidenschaft dämpfende Richtschnur, auch auf die in der gesamten Außenwelt geltenden Gesetzmäßigkeiten bezogen erscheint:

„Was ist Armuth, […] der Mangel weniger überflüßigen Dinge, welche die lüsterne Fantasey vor nothwendig will angesehen haben, obgleich die Natur ohne dieselben kan zufrieden seyn, und wir also ihrer nicht bedürffen, dafern wir selbe nur nicht begehren.“

Einzig die Unbestimmtheit des Bedeutungsumfangs von "Natur" verhindert, daß derartige Auslassungen auf den Sinn reduziert erscheinen: Ein Armer ist selbst schuld, wenn er seine Armut spürt; ihr habt gar keinen Grund, euch zu beklagen, Leute! Hoffmann möchte aber wahrscheinlich den unbegüterten, aber nicht gerade von der Hand in den Mund lebenden Kleinbürgern zur Zufriedenheit verhelfen, damit sie nicht dem aussichtslosen Unterfangen nachjagen, durch falsch verstandene Askese reich zu werden:

„Kaum hat die Hand zugegriffen eine Baarschafft zusammen zu raffen, so ist der Hauffe noch nicht groß genug; der Beutel noch nicht voll; und es fehlt noch so viel an der runden Summa. Denn soll aus dem Ueberschuß wieder ein neu Capital werden; denn muß alle Quartale so viel aufgestochen seyn, deßwegen wird dem Magen oder dem Nächsten noch dis und das entzogen; Denn der Geitzige ist bey allem Ueberfluß in einem steten Mangel.“

Dieser letzte Satz scheint mir ein Topos zu sein, da ich bei Thomasius und bei Francke schon ähnliches gefunden habe, freilich jedesmal mit einer anderen moralischen Nutzanwendung. Bei Francke steht:

„[…] wenn einer denckt/ er wolle sich versorgen durch seine Arbeit; der Mensch thut damit anders nichts als daß er sich selbst zum GOTT machet: daher man denn wohl siehet/ daß mancher viel arbeitet/ und doch nichts hat/ und ein Bettler bleibet“ (s. Von der Beschwerung des Hertzens mit der Sorge der Nahrung, S.29 ff.) — „ja es findet sich wol/ daß die allerreichsten am allertieffesten in der Sorge der Nahrung stecken/ […]“

Hier wird der übertriebene Erwerbsfleiß moralisch gegeißelt und auf die rechte christliche Sorglosigkeit verwiesen, die erst ein gottgefälliges Leben, nämlich ein kontemplatives, ermöglicht. Dann ist der Mensch auch imstande, seine zeitlichen Güter mit Maßen zu genießen und sich nicht aufzuführen, als ob er ein Bettler wäre. Dieses letzte Argument findet sich auch bei Thomasius, ohne daß dieser jedoch ein christliches Glaubensleben zum Vorbild setzte. Er verlangt, daß der galante Bürger "propre" zu leben verstehe und fügt "Hunger" und "Durst" in seinem "Spiegel" der Leidenschaft des Geldgeizes bei. In dieser Anwendung trifft der Topos auf das Verhalten eines knauserigen, wenig unternehmerischen Schatzbildners zu, der sich selbst nichts gönnt, um Mammon anzuhäufen. Wie ist es nun bei Hoffmann?

Das Verhalten des Geizigen wird als Akkumulation von Kapital beschrieben. Hierin ist Hoffmanns Argumentation aktuell. Seine — im weiteren Kontext mit abschätziger Beurteilung verbundene — Darstellung dieses Vorgangs läßt allerdings solche Kapitalisten außer acht, die nicht durch Konsumverzicht und nicht durch offensichtlichen Wucher zum Schaden des Nächsten, sondern durch eine im merkantilistischen Sinn gemeinnützige wirtschaftliche Tätigkeit zu ihrem Kapital kommen. Solche muß es doch damals schon gegeben haben, und seinen biographischen Daten nach könnte Hoffmann ganz gut zu ihnen gehört haben oder es versucht haben. Man darf sich nicht vorstellen, Hoffmann hätte die Hände in den Schoß gelegt und den Herrgott einen guten Mann sein lassen. Das taten ja nicht einmal die Pietisten.

Wir kennen nun einen Bereich der Besitzverhältnisse, in dem sogar die Wörter "Besitz", "besitzen" und "Besitzer" auftreten und die Güter in entscheidender Weise ihrer moralischen Bewertung zuführen — freilich mithilfe von Begleitwörtern aus der Affektenlehre. Es wäre nun eben wichtig zu untersuchen, ob ein Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen bestanden habe, der von Hoffmann mit jenem vermengt worden sei. Die Einordnung seelischer Güter, ja der eigenen Persönlichkeit, unter die Besitzobjekte schafft ja für sich gesehen noch nicht den Sachverhalt, nach dem die Suche geht.

„Was Wunder ist es denn, daß die Hochmüthigen nicht allein selbst keinen Frieden haben, sondern auch andern keinen Frieden lassen? Können sie auch der menschlichen Gesellschaft etwas anders mittheilen, denn sie selbst besitzen?“

Das Verbum "mitteilen", als dessen notwendige Vorbedingung "besitzen" steht, schlägt unzweifelhaft eine Brücke zwischen dem Einzelwesen und der "Gesellschaft". Es ist allerdings nicht genau zu sehen, ob "Gesellschaft" hier noch die gleiche Bedeutung hat wie bei Talander, wo die bürgerliche Privatsphäre als eigentliche "Gesellschaft" erschien, oder wie bei Thomasius, wo "Gesellschaft" nicht nur als Produkt der "Konversation", sondern auch als ständisch gegliederte Vorstufe zur "Republik" in Betracht kam.

Für Hoffmann ist typisch, daß er in christlicher Tradition den Mitmenschen als "Nächsten" bezeichnet und das mit einem ganz anderen, intimen Gefühlswert behaftete Wort "Vaterland" gebraucht.

„Soll ich mich aber ja in diesem Leben um etwas bekümmern, so wird meine anständigste Bemühung diese seyn, wie ich in allen Stücken die Pflicht eines vernünftigen Menschen vollbringen möge. Davon wird mein Schöpfer Ehre, mein Nächster Nutzen, und ich selbst großen Frieden haben“, und:

„Wer nur an des Vaterlandes, sein eigenes, oder an seines Nächsten Beste gedenken will, der wird beyde Hände voll zu schaffen bekommen.“ (zit. nach Hans M. Wolff, S.56 f.)

Daraus geht nicht hervor, ob die Art der Beziehungen zwischen Menschen Besitzobjekte schafft oder ob Besitzobjekte dabei die Voraussetzung sind. Überhaupt ist deswegen bei Hoffmann eine Vermischung beider Bereiche schlecht zu beobachten, weil er das gesellschaftliche Leben bei seiner Betrachtung völlig ausspart, im Unterschied zu Thomasius und Bohse. Freilich erspart er es sich dadurch auch, ständische Unterscheidungen mitzuschleppen. Zwar unterscheidet er Arme und Reiche, spricht auch einmal vom Pöbel, der die leiblichen Güter zu sehr schätze, [wie die Dinge lagen, konnten sich damit auch manche Adlige gemeint fühlen] aber er bezieht sich bei seinen Vorschlägen immer auf einen sozial unbestimmbaren „Menschen an sich“. Es ist entweder der Mensch „sub specie aeternitatis“ — „vor Gott sind alle Menschen gleich“ — oder das Individuum ohne sozialtypische Eigenart, wie bei Hobbes, wobei der Gesellschaftsvertrag außer acht bleibt. Daß ganz gut der letztere Sinn gemeint sein kann, zeigt sich an der „Staatskunst“. Dort vertritt Hoffmann den Merkantilismus, kapitalistische, arbeitsteilige Produktionsweise auf handwerklicher Basis mit staatlicher Kontrolle, also das Modernste, was damals in Deutschland möglich war. Interessant ist aber, daß auch in diesem Buch, wo Hoffmann von der Arbeit handelt, der sozial unbestimmbare "Mensch" in religiösen Zusammenhang einbezogen wird, die ordo des Menschen, in damals schon überholter lutherischer Weise, ins Blickfeld kommt:

„Denn wir sind alle zur Arbeit geboren, wie der Vogel zum Fliegen, und es ist eine Nothwendigkeit des Fluchs, daß wir im Schweiß unseres Angesichts unser Brod essen. Je mehr wir uns bey der Arbeitsamkeit rühren, desto hurtiger und gesünder werden wir“. Beim nicht allzu schweißtreibenden Diamantenhandel mag das zutreffen.

Die Leitvorstellungen der Galanterie oder der Politesse spielen für Hoffmann jedenfalls keine Rolle mehr. Ist er gänzlich auf christlichen Sprachgebrauch zurückgegangen oder ausgewichen? Die Wörter "Natur" und "Tugend" verraten, daß dem nicht ganz so ist, aber ihr Zusammenhang mit zeitgenössischen Theorien, mit dem Besitzerstatus und mit der Gesellschaft wird eher verunklärt:

„So sind es denn keine Vollkommenheiten der menschlichen Natur, reich seyn, vornehm seyn, wollüstig seyn, oder dergleichen Dinge überflüßig haben, die der Pöbel hochschätzt. Denn wären dis wahre Güter, so dürffte sich kein Mensch in ihrem Gebrauch mäßigen, sie verachten, und gar darwieder streiten. Nun aber preist man ja diejenigen glückseelig, welche solcher äusserlichen Dinge am wenigsten gebrauchen; und wir halten diejenigen vor die weisesten, tugendsamsten, und besten Leute, welche entweder solche Dinge freywillig verläugnen, oder mäßig brauchen.“

Also bringt derjenige Mensch seine "Natur" zu möglichster "Vollkommenheit", der wahre, seelische Güter anhäuft und leiblichen Gütern gegenüber sich asketisch verhält. Das geht hinter die Lebensregeln des Thomasius zurück; diesem allerdings wäre nicht eingefallen, in diesem Zusammenhang von der menschlichen Natur zu reden.

Hier ist ein kurzer Vergleich mit dem Sprachgebrauch des „Patrioten“ angebracht. In dessen erstem Stück vom 5. Januar 1724 stehen die Sätze:

„Der Tugend-Weg ist nicht so beschwerlich und rauh, als viele sich denselben vorstellen. Daher werde ich auch meine Leser auf keine verdrißliche, sondern angenehme Art auf denselben führen, ja was noch mehr, ihnen Ansehen, Reichthum, und gute Tage dabey zu verschaffen suchen“. (zit. nach Martens, S.39.)

Hier ist der "Tugendweg" zu "Ansehen", "Reichtum" und "Tag (gut)" mindestens polar-konträr, wenn nicht sogar ein Unterbegriff. Das Dreigespann dieser Wörter sieht "Ehre", "Reichtum" und "Lust" verdächtig ähnlich. Ist "Tugend" etwa gar, mithilfe eines Kausalnexus, zu einem Gut des Leibes geworden? Dies würde schlagartig den Zusammenhang zum Besitzdenken eröffnen.

„Es kann vorkommen, daß einem Autor die alte Wendung von der völligen Verderbtheit der menschlichen Natur noch in die Feder läuft, während er doch ständig an die dem Menschen innewohnende natürliche Fähigkeit zur Tugend appelliert“. (s. Martens, S.170.) In unserem Text steht der Satz:

„Wie ist denn möglich, daß Menschen an Erlangung solches Friedens zweiffeln, oder daß Leute die Christen heissen ihm wiedersprechen, da beydes Natur und Gnade, die Zeiten des alten und des neuen Bundes, das Licht der Vernunfft und des Evangelii uns Menschen zeigen, die in den grösten Widerwärtigkeiten einen zufriedenen Muth hatten.“ — „Religion und Vernunft, als Begriffe in den Sittenschriften immer wieder auch formelhaft zusammengebunden […] befördern miteinander die Tugend.“ (s. Martens, S.171.)

Noch geht es in Deutschland vor allem anderen um die Rettung individueller Seelen, nicht um die Verbesserung der Gesellschaft. Wir können nicht behaupten, daß Hoffmanns „Zwey Bücher von der Zufriedenheit“ ein aufklärerisches Werk darstellten; aber der Soziolekt, in dem es verfaßt ist, und den Hoffmann mit den anderen Herausgebern des „Patrioten“ teilte, ermöglichte schon Aussagen wie diese:

„Kann […] gleich die vernünftige Sitten-Lehre keine Christen zeugen, so macht sie doch deßhalben auch noch keinen zum Un-Christen, […] Sie ist ein Gegen-Gifft des Aberglaubens, der Schwärmerey, der unnöthigen Spaltungen, und giebt Kennzeichen an die Hand, die wahren Offenbarungen oder Gebothe von den falschen zu unterscheiden: weil unmöglich etwas von GOTT kommen kann, das den sonnenklaren Aussprüchen der Vernunft wahrhaftig zuwider ist“. Diese Aussage nähert sich allerdings sehr dem aufklärerischen Sprachgebrauch.

Zusammenfassend läßt sich sagen: Was diese Analyse erbracht hat im Hinblick auf These I, ist das Muster eines sprachlichen Bereichs des Besitzens bei einem bürgerlichen Autor mit vordergründig religiöser, tatsächlich aber egalitärer Tendenz. Der Anfang zur "Besitzsprache" ist gemacht, die Auswirkung auf den zwischenmenschlichen Bereich jedoch kaum erkennbar.